Hamburg. Die Hamburger Kultur-Institution feiert 40. Jubiläum. Einst gastierten Weltstars wie Peter Ustinov und Gert Fröbe im Nikolaifleet.

Der Weg hinab zum Wasser kann manchmal ganz schön beschwerlich sein. Besonders bei Ebbe. Beispiel Holzbrücke 2: Folgt man hier der Steintreppe ins Nikolaifleet, dann ist die Brücke zu den Pontons noch etwas wackeliger, weil steiler als sonst. „Das Schiff“ aber hat dort seinen festen Platz und das genau seit 40 Jahren.

Zwar ist das Jubiläum an diesem Dienstag nur geladenen Gästen vorbehalten. Das Fest aber soll keine steife Gala werden. Außerdem wird das 40. Jubiläum des Theaterschiffs in der gesamten Spielzeit gefeiert. Diese hat mit der musikalisch-satirischen Komödie „Kann man mit Männern Urlaub machen?“ bereits ihre erste neue gelungene Eigenproduktion erlebt.

„Manche denken immer noch, für das Schiff gebe es keine Karten“, räumt Heiko Schlesselmann, 43, mit einem alten Vorurteil auf. Der gelernte Hotelkaufmann führt seit 2012 als Nachfolger seiner inzwischen gestorbenen Eltern Anke und Gerd Schlesselmann in dritter Generation die Geschäfte der Hamburger Kultur-Institution und ist mit Michael Frowin, seit 2007 als Künstlerischer Leiter an Bord, fürs Programm verantwortlich. Mit dem Schiffs-Gründer Eberhard „Möbi“ Möbius sind zwischenzeitliche Streitereien ausgeräumt. Möbius hatte die MS „Rita Funck“ mit seiner Frau Christa für 90.000 D-Mark umgebaut und 1975 als Kleinkunstbühne im Nikolaifleet und bis zum Jahr 2000 als Leiter im Hamburger Kulturleben fest verankert.

Überlebensnotwendige Quote für Privatbühne

65 Prozent Auslastung verzeichnete Schlesselmann in der vergangenen Schiffs-Spielzeit – für ein Privattheater mit nur 120 Plätzen eine gute, aber auch überlebensnotwendige Quote. Als Regisseur, Kabarettist und Autor „Möbi“ gut 50 Programme für Das Schiff schrieb, waren fast alle Karten für die Spielzeit an zwei Tagen verkauft. Ein weiterer Grund für den Run, außer seiner Popularität: Möbius lotste Stars ins Nikolaifleet. Gert Fröbe, der Mr. „Goldfinger“ aus dem „James Bond“-Film, brillierte bis 1986 mit seinem Soloprogramm „Durch Zufall frei“ 410-mal als Morgenstern-Rezitator auf dem Schiff.

Öfter als der erste „Ehrenmatrose“ stand nur der Kieler Heinz Reincke auf dem Brettl. Dazu kamen Gastspiele von Peter Ustinov, den Wiener Charakterdarstellern Helmut Qualtinger, Otto Schenk oder auch Senta Berger. Nicht zu vergessen die Hamburger Peter Striebeck und Uwe Friedrichsen. Fröbe drückte die besondere, die intime maritime Atmosphäre bei Vorstellungsbeginn unter Deck stellvertretend so aus: „Ich freue mich jeden Abend wie ein Kind, wenn die Schiffsglocke ertönt.“

Zu „Möbi“ aufs Schiff zu gehen gehörte für Hanseaten lange Zeit zum guten Ton: Bürgermeister, Senatoren, Reeder, Kaufleute, alle kamen. Auch der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt ließ kaum eine Premiere aus. Und mit seinem „Mittagstheater“ – 30 Minuten Kabarett mitsamt Suppe – lockte „Möbi“ 1976/77 sogar in der Mittagspause: In „Nur ein toter Kollege ist ein guter Kollege“ überzeichnete er das Geschehen in den damals wie heute konfliktträchtigen Großraumbüros. Als Möbius und Ehefrau Christa 1975 mit dem Schiff im Nikolaifleet festmachten, gab es indes nur 14 Theater in der Hansestadt, heute sind es gut 50,

Dieser Konkurrenz sind sich Schlesselmann und Frowin, bekannt auch als „Der Kanzlerchauffeur“, bewusst. Sie versuchen, eine Nische zu besetzen und die drei Schiffs-Säulen literarisches, politisches und musikalisches Kabarett mit Leben zu erfüllen. Bei Imke Trommlers Trio-Programm „Und bist Du nicht willig“, einem Balladen-Abend, der sich gewaschen hat, ist dies mit alten Texten von Schillers „Der Handschuh“ bis zu Kurt Schwitters „Die Nixe“ besonders gut gelungen, beim Reinhard-Mey-Abend „Über den Wolken“ erstaunlich zeitgemäß. Außer Kabarett sind Lesungen, Improtheater, Schauspiel („Gut gegen Nordwind“) und das Kinderstück „Ratte Rudi geht von Bord“ auf den Spielplan gerückt.

Maritimer Mix aus Moderner und Tradition

Das (Jubiläums-)Programmheft und das neue Plakat zieren ein Seemann mit grauem Bart und einer Mütze mit der Aufschrift „Theaterschiff“. „Wir wollen damit die Mischung aus modernem maritimen Theater auf der Basis der Tradition herausstellen“, erläutert Schlesselmann. Gut ein Drittel der Besucher seien Touristen, schätzt er. Mit dem 103 Jahre alten, bis heute hochseetüchtigen Kahn war die Crew, die mit Mato Perinic als „Mädchen für alles“ einen einzigen Festangestellten hat, zuletzt im Juni und Juli auf (Werbe-)Tournee in Brunsbüttel und Stade. Die weiteren Premieren 2015/16, „Matrosenrevue“ von Liederabend-Macher Dietmar Loeffler und „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“, haben einen bewusst maritimen Anspruch.

Eberhard Möbius, seit Sonntag 89 Jahre alt, hält sich bei Premieren bewusst fern vom Schiff, will aber heute Abend mit an Bord sein. Möbius’ 2012 gestorbener Gattin wird mit dem Garderoben-Boot „Das Schiff Christa“ am Ponton im Nikolaifleet ein Andenken bewahrt. „Durchhalten, durchhalten, das Schiff muss uns überleben“, gibt Möbius ihre Maxime wider.

„Am Dienstag 19.20 Uhr ist Hochwasser“, hat Heiko Schlesselmann den Gezeiten-Kalender im Kopf. Heute Abend ist der Weg also nicht ganz so beschwerlich. Dann, aber nicht nur dann, hat das Theaterschiff mehr als eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.

40 Jahre Das Schiff (U Rödingsmarkt),
Holzbrücke 2/Nikolaifleet; Karten und Programm:
T. 69 65 05 60, www.theaterschiff.de