Gross Borstel. Bezirksamtsleiter Rösler stellt konkrete Pläne für das Wohnungsprojekt Tarpenbeker Ufer vor – und hofft, die aufgebrachten Anwohner zu überzeugen

Die Spannung der Einwohner von Groß Borstel und Lokstedt vor diesem Informationsabend ist gewaltig: Am heutigen Mittwoch stellt das Bauunternehmen Otto Wulff zusammen mit Harald Rösler, Bezirksamtsleiter Nord, die konkreten Pläne für das Wohnungsbauprojekt Tarpenbeker Ufer vor. Es geht um 750 Wohnungen auf dem Gelände des brachliegenden Güterbahnhofs unweit des Nedderfelds. Viele Anwohner befürchten angesichts des Großprojekts einen Verkehrskollaps im Viertel.

Ob der Högersaal in der Kirchengemeinde am Schrödersweg heute für die Bürgerinformation genug Platz bietet, ist fraglich. Seit Jahren schwelt der Streit um das Bauvorhaben, eine öffentliche Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses musste der Bezirk im vergangenen Jahr sogar in die Alsterdorfer Sporthalle verlegen. Insgesamt 626 Einwände hatten die aufgebrachten Anwohner damals gegen die geplante Änderung des Bebauungsplans eingebracht.

Sie befürchten einen Verkehrskollaps, das Auseinanderreißen der bestehenden Kleingartengemeinschaft am Rande des Areals und eine Überforderung der Infrastruktur, wenn die Bevölkerung in Groß Borstel um etwa 2000 Menschen wächst. So sei unter anderem die mangelnde Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr ein Problem. Die ohnehin stets überfüllte Buslinie 5 ist die einzige Verbindung in die Innenstadt.

„An dem vorhandenen Baurecht und der Zahl der Wohnungen ist nichts mehr zu rütteln“, stellt Bezirksamtsleiter Rösler jetzt klar. Spielraum gebe es noch bei der Entwicklung der Infrastruktur, der Planung der Gehwege sowie Straßensperrungen während der Bauphase. Es gehe darum, den mit rund 8000 Einwohnern vergleichsweise kleinen Stadtteil an den Planungen teilhaben zu lassen. „Wir müssen es schaffen, dass dieses Wohnprojekt auch von den Anwohnern in den Stadtteil integriert wird“, sagt Rösler. „Denn wir wollen nicht, dass es am Ende das alte Groß Borstel und das Neubaugebiet als isoliertes Wohnareal gibt.“

Diese Gefahr bestehe bei einem derart gewachsenen Stadtteil wie Groß Borstel. „Der alte Güterbahnhof gehörte für die Anwohner gefühlt nie wirklich zum Stadtteil, weil er jenseits der Tarpenbek liegt“, sagt Rösler. Das müsse sich nun mit der Entstehung des Wohngebiets schrittweise ändern.

Auch das Bauunternehmen Otto Wulff will die Nachbarschaft einbinden. „Durch die Beteiligung der Anwohner versuchen wir, eine gute Inte­gration sowie einen Ideen- und Informationsaustausch der derzeitigen Bewohner mit den künftigen Bewohnern des Quartiers zu erreichen“, heißt es seitens des Unternehmens. „Daher wird ein Begleitgremium gegründet, in dem regelmäßig über den Stand der Planung berichtet wird.“ Dort könnten Ideen und Anregungen einfließen.

Entstehen sollen auf dem 120.000 Quadratmeter großen Areal rund 750 Wohneinheiten, darunter mindestens 225 öffentlich geförderte Mietwohnungen. Geplant sind Ein- bis Vier-Zimmer-Wohneinheiten. Die Gebäude sollen vier- bis fünfgeschossig gebaut werden und eine Geschossfläche von 89.600 Quadratmetern bieten. Zudem umfassen die Planungen eine Kita, eine Parkanlage und Grünflächen. Straßen, Rad- und Gehwege und eine neue Fußgängerbrücke über die Tarpenbek sollen ebenfalls errichtet werden. Eine 1100 Meter lange Lärmschutzwand soll die Bewohner vom Lärm der Bahntrasse am Rande des Geländes abschirmen.

Die ersten vorbereitenden Maßnahmen starten laut Bauunternehmen in diesem Herbst. „Mit dem Bau der Erschließungsstraße beginnen wir im Frühjahr 2016, die Arbeiten am Hochbau starten im Herbst 2016.“ Das von Bahntrasse und Tarpenbek eingerahmte Areal ist bislang nur über die teils marode Sackgasse „Kellerbleek“ vom Nedderfeld aus zugänglich.

Das Gelände mit dem alten Güterbahnhof liegt seit Jahren brach. Die Gleise sind überwuchert, die ehemaligen Fabriken verfallen, verrostete Autoteile liegen dort ebenso ungesichert herum wie Kabel und Drähte. Viele Firmen sind in den vergangenen Jahren an andere Standorte umgezogen, lediglich das beliebte Möbelhaus und Restaurant „Le Marrakech“ trotzt der abgeschiedenen Lage des Areals.

Auch weil das Gelände verkommt, ist Rösler optimistisch, die Anwohner heute Abend zu überzeugen. „Ich denke, die große Aufregung hat sich bereits gelegt, und die meisten Kritiker haben eingesehen, dass dieses Projekt eine große Chance für den schönen Stadtteil ist.“ Denn Groß Borstel sei bislang im Bezirk Nord – aufgrund rückläufiger Anwohnerzahlen und sinkender Nachfrage an der Grundschule – stets das Sorgenkind gewesen.