neustadt.

Seit Donnerstag vergangener Woche suchen rund 40 Angehörige der Roma Zuflucht im Hamburger Michel, weil ihnen nach der Ablehnung ihrer Anträge auf Asyl offenbar die Abschiebung droht. Bis auf Weiteres, so heißt es in einer Mitteilung der Gruppe „Vereinigte Roma Hamburg“, dürfe man im Gemeindehaus der Kirchengemeinde St. Michaelis bleiben. Am gestrigen Montag traf sich Ulrike Murmann, Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Ost, mit Innenstaatsrat Bernd Krösser, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist bei dem Gespräch zwischen
Ulrike Murmann und Innenstaatsrat Bernd Krösser herausgekommen?

Offenbar nicht viel. Man habe sich über die allgemeine Situation der Sinti und Roma unterhalten, erklärte ein Sprecher der Innenbehörde nach dem Treffen. Die Behörde habe keine Erkenntnisse darüber, dass sich in dem Gemeindehaus St. Michaelis Personen unberechtigt aufhalten würden. Man habe auch keine Kenntnis darüber, dass Menschen, deren Asylantrag abgelehnt worden sei und die abgeschoben werden müssten, sich dort aufhielten.

Wie verhält sich die Gemeinde des Michels zu den Vorgängen?

Die Gemeinde hat den rund 40 Roma „bis auf Weiteres“ einen Raum im Gemeindehaus zur Verfügung gestellt, in dem sie bleiben können und – so die Hoffnung – vor Abschiebung geschützt sind. Es gebe eine kleine Kochnische, damit die Roma sich etwas zu essen machen könnten, sagte die Sprecherin der Gemeinde, Ines Lessing. Auch sanitäre Einrichtungen gebe es. „Wir bieten ihnen die Möglichkeit, dort zu schlafen und zu duschen“, sagte Hauptpastor Alexander Röder. Dabei handele es sich jedoch nicht um Kirchenasyl, sondern um „humanitäre Hilfe“. Insgesamt sei die Situation aber nicht dauerhaft tragbar. „Beide Seiten sind überfordert.“

Was fordert die Gruppe „Vereinigte
Roma Hamburg“?

Die Gruppe fordert „einen sofortigen Abschiebestopp in den Balkan sowie ein Bleiberecht für ihre Familien“. Man sei der Kirche dankbar, „dass sie uns einen Schutzraum vor der drohenden Abschiebung in eine Situation von Verfolgung, Diskriminierung und Elend bietet und sich bei der Politik für uns einsetzt“, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung. Die Verantwortlichen von Ausländerbehörde, Bürgerschaft und Justiz dürften die Fluchtgründe der Mitglieder der Gruppe nicht länger ignorieren.

Sind die Vorgänge mit jenen in der St.-Pauli-Kirche vergleichbar?

Nur teilweise. Die Lampedusa-Gruppe hatte die Kirche nicht besetzt, die Männer hatten im Juni 2013 um Schlafplätze gebeten. In der Folge hat die Kirchengemeinde sich für eine längerfristige Unterbringung als „Notquartier aus humanitären Gründen“ entschieden. Auch in der St.-Pauli-Kirche handelte es sich nicht um Kirchenasyl, dieses funktioniert anders herum: Die Gemeinde entscheidet vorher, ob sie einzelne Personen aufnimmt und so vor einer unzumutbaren Härte bei einer Abschiebung bewahrt. Es handelt sich um eine rechtliche Grauzone. Aber es gibt Absprachen, wie Kirche und Behörden in diesen Fällen, miteinander kommunizieren. In Hamburg leben derzeit 53 Menschen in Kirchenasyl, 13 von ihnen sind Kinder.

Was wissen die Behörden über die Menschen, die im Michel Zuflucht suchten?

Wenig. „Es handelt sich offenbar um eine Gruppe mit unterschiedlichem Asylstatus“, heißt es aus der Innenbehörde.

Die Personalien der Familien im Michel wurden bislang nicht gesondert erfasst. Wie Mitglieder der Roma-Gruppe erzählten, wurden einige Familien bereits mehrfach abgeschoben und kamen anschließend zurück nach Deutschland. Vereinzelt durften sie in der Zwischenzeit bereits in Hamburg arbeiten, ihr Aufenthaltstitel wurde schließlich aber nicht verlängert. Allen rund 40 Menschen wurde mitgeteilt, dass sie das Land zu verlassen hätten. Einigen wurde ein Termin für die Abschiebung genannt.

Wer unterstützt die Flüchtlinge?

Eine Gruppe von etwa 40 Personen aus dem Umfeld des linken Bündnisses „Recht auf Stadt“, das sich bereits für die Lampedusa-Flüchtlinge engagierte. Auch Politiker der Partei Die Linke und Vertreter des Kollektiven Zentrums (KoZe) im Münzviertel unterstützen die Roma und waren in die „Besetzungspläne“ eingeweiht.

Die Unterstützer halfen der Roma-Gruppe bei der Formulierung von Presseerklärungen und beriet sie in Sachen möglicher rechtlicher Folgen.

Wie groß ist die Chance für Sinti und Roma aus Balkanstaaten, Asyl zu erhalten?

„Verschwindend gering“, sagt ein Sprecher der Ausländerbehörde. Weniger als ein Prozent der Asylbewerber aus den betroffenen Balkanstaaten erhalten in Hamburg eine Aufenthaltserlaubnis. Etwas häufiger ist eine Duldung ohne Arbeitsgenehmigung, wenn belastbare Hinweise auf eine Diskriminierung in den Herkunftsländern vorliegen. Auch die familiären Umstände können Anlass zu einer Duldung geben.

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