Hamburg. Es gebe nicht genug Beamte, um Krawall am 12. September zu verhindern. Richter können Verbot kippen

Die Hamburger Polizei verbietet den „Tag der deutschen Pa­trioten“ am 12. September, weil sie mit großen Krawallen rechnet und über zu wenig Beamte verfügt. Nach Abendblatt-Informationen erwarten die Behörden bis zu 3000 Rechtsextremisten und 15.000 Gegendemonstranten.

„Die Staatsschutzabteilung im Landeskriminalamt und die Versammlungsbehörde der Polizei prognostizieren aufgrund von mit Tatsachen untermauerten Erkenntnissen, dass gewaltsuchende und gewaltbereite Teil­-nehmer des Aufzugs Straftaten aus dem Aufzug heraus begehen werden“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. Das Verbot umfasse auch „jede Ersatzveranstaltung im gesamten Hamburger Stadtgebiet“. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sagt: „Wir tolerieren keine Gewaltexzesse in Hamburg – weder von rechts noch von links!“

Interessant ist der zweite Teil der Verbotsverfügung: Die Hamburger Polizei gibt zu, dass sie „die sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern des Aufzuges und gewaltbereiten Gegnern nicht mit den zu zur Verfügung stehenden polizeilichen Kräften verhindern“ kann. Im Klartext: Die Polizei ruft den „polizeilichen Notstand“ aus. Von der umstrittenen Maßnahme hatte sie zuletzt 1999 Gebrauch gemacht, um einen Neonazi-Aufmarsch zu verhindern. „Polizeilicher Notstand ist der Offenbarungseid für den Staat“, rügte Jahre später das Hamburger Verwaltungsgericht.

Anlass dafür, den Notstand auszurufen, ist die mangelnde Unterstützung der Hamburger Polizei durch Beamte aus anderen Bundesländern. Mehr als 30 Hundertschaften hatten die Hamburger nach Abendblatt-Informationen angefordert. Mit den eigenen rund 1000 Bereitschaftspolizisten und weiteren Bundespolizisten wollte man mehr als 5000 Beamte aufbieten, um Gewaltexzesse zwischen Linken und Rechten bei dem Aufmarsch zu unterbinden. Zwar stünde am 12. September das „gesamte Kräfteaufgebot“ der Hamburger Polizei zur Verfügung, nicht „aber die erforderlichen bundesweit angeforderten Kräfte“. Wie das Abendblatt aus Polizeikreisen erfuhr, fehlen mehr als 3000 Polizisten für diesen Einsatz. Bisher hätten lediglich neun Hundertschaften zugesagt.

Die Annahme eines polizeilichen Notstandes als Begründung für das Demoverbot sei „sehr ungewöhnlich“ und eigentlich die „Ultima Ratio“, sagte der Hamburger Verwaltungsrechtler Christian Ernst dem Abendblatt. Ob das Verbot vom Verwaltungsgericht bestätigt wird, sofern der Anmelder des Aufzugs per Eilantrag dagegen vorgeht, sei ungewiss. Theoretisch könnte der Fall bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Anmelder des Aufzuges ist Bernhard W., der bei der Organisation von Neonazi Thorsten d. V. und dem NPD-Funktionär Jan-Steffen H. unterstützt wird. Wie berichtet, hatten sich Linksextremisten zu vier simultanen Anschlägen auf Hamburger Rechtsradikale bekannt. Im Bekennerschreiben hieß es, dass auch das Auto von Jan-Steffen H. angezündet worden sei.