Hamburg. Vier gezielte Aktionen in einer Nacht: Extremisten greifen Autos und Häuser mutmaßlicher Neonazis an. Bekennerschreiben liegt vor.
Angezündete Autos, zerstochene Reifen, eingeschlagene Fenster und mit Farbe beschmierte Häuserfronten – zwei Wochen vor dem „Tag der deutschen Patrioten“, zu dem bis zu 3000 Hooligans und Rechtsextreme erwartet werden, haben sich linksextreme Aktivisten der Gruppe „Antifa heißt Angriff“ zu vier simultanen Anschlägen auf mutmaßliche Rechtsradikale in Hamburg bekannt.
In einem Bekennerschreiben auf einer Internetseite der linken Szene heißt es wörtlich: „in vorbereitung auf den naziaufmarsch am 12.09. haben wir in der nacht auf montag bekannten hamburger neonazis besuche abgestattet.“ Die Polizei geht von einem politischen Hintergrund aus, der Staatsschutz des LKA ermittelt. „Die Ermittlungen laufen in alle Richtungen“, sagte Polizeisprecherin Tanja von der Ahé.
Zu den Angegriffenen gehören NPD-Kader Jan H., 39, und Torben K., der sich als Organisator von Neonazi-Konzerten in der Szene einen Namen gemacht hat. Die unbekannten Täter setzten deren in Bramfeld geparkten Autos gegen 2 Uhr in Brand, in derselben Nacht schlitzten sie in Wilhelmsburg die Reifen des Autos von Neonazi Denis A. auf und schlugen Seitenfenster ein. Ebenfalls sei das Haus von NPD-Funktionär Willi W. in Farmsen-Berne beschädigt worden. Dabei, so heißt es im Bekennerschreiben, „wurde farbe und glasbruch hinterlassen“.
Zwar sind linksextremistisch motivierte Straftaten nichts Ungewöhnliches. So werden immer wieder Büros von Bürgerschaftsabgeordneten mit Farbe besudelt oder mit Steinen beschmissen. Als Zielscheibe taugten Rechtsradikale bisher aber kaum, auch weil in Hamburg relativ wenige Rechtsextremisten leben und agitieren. Torsten Voß, Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, spricht denn auch von einem „rückläufigen Trend“ in der rechtsextremistischen Szene in Hamburg. Zudem hätten die Rechten den Linken kaum Anlässe für eine Eskalation geliefert – eben weil ihr Aktionsniveau in den vergangenen Jahren vergleichsweise niedrig gewesen sei. Bis jetzt. Mit rechten Racheaktionen als Reaktion auf die Anschläge rechnet Voß aber nicht. „Ich erwarte nicht, dass die Rechtsextremisten Gegenaktionen durchführen, da würde man deren Planungsgrad auch überschätzen.“
Seit Wochen machen Hamburger Rechtsaußen Werbung für den „Tag der deutschen Patrioten“, vor allem in sozialen Netzwerken. Am 12. September wollen Hooligans und Rechtsradikale gegen Ausländer und den Islam auf die Straße gehen, erwartet werden bis zu 15.000 Gegendemonstranten. Um Gewalt zu verhindern, könnten bis zu 5000 Polizisten eingesetzt werden. Doch noch ist unklar, ob der Aufmarsch überhaupt stattfindet. Die Polizei will den „Tag der Patrioten“ heute per Verfügung verbieten lassen. Das Verbot könnte aber auf Antrag des offiziellen Anmelders Bernhard W. vom Verwaltungsgericht wieder gekippt werden. Als führender Kopf des Aufmarsches gilt nach Abendblatt-Informationen jedoch nicht Bernhard W., sondern Thorsten d. V., 54. Der in Wilhelmshaven aufgewachsene d. V. zählte schon als Jugendlicher zu den Agitatoren der rechten Szene. Zunächst Mitglied der Jungen Nationaldemokraten, trat er Ende der 70er-Jahre in die NPD ein. Bis 1989 war er Mitglied der rechtsextremen Partei. Anfang der 1990er-Jahre wurde Thorsten d. V. „Kameradschaftsführer“ des „Deutschen Kameradschaftsbundes Wilhelmshaven“ (DKB). Ende 1992 war Schluss damit: Niedersachsen verbot den DKB.
In der Skinhead- und Neonazi-Szene avancierte d. V. indes zu einer festen Größe, mehrfach wurde er wegen Gewaltdelikten verurteilt, 1995 etwa wegen Raubes und gemeinschaftlicher Körperverletzung. Zudem geriet der bullige Mann ins Visier des Bundesverfassungsschutzes. Gegen d. V. seien „mehrere Ermittlungsverfahren und Verurteilungen zu Freiheitsstrafen mit Staatsschutzrelevanz bekannt“, heißt es in einem internen Vermerk, der dem Abendblatt vorliegt.