Hamburg. Brigitte Vollmer leitet die älteste Reinigung Hamburgs. Ihr Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater lieferte Kleidung noch per Kutsche aus.

Gebügelte Bettwäsche, bestickte Servietten als Aussteuer und die feine Fest-Tischdecke, die nur an Weihnachten zum Einsatz kommt. Klingt nach Museum? Oder nach Geschichten von der Großmutter? Für Brigitte Vollmer ist es Leidenschaft, echtes Handwerk und eine Nische, die sie gesucht und gefunden hat. Die 49- Jährige betreibt Hamburgs älteste Wäscherei am Rütersbarg in Lokstedt, die heute ihren 175. Geburtstag feiert.

Alles begann im Jahr 1840, als Brigitte Vollmers Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater Peter Vollmer den kleinen Familienbetrieb als eine der ersten Wäschereien in der Region gründete. „Vorher war es so, dass Waschfrauen freitags die Wäsche wohlhabender Familien abholten und in Flüssen und Bächen wuschen“, erzählt Brigitte Vollmer. Peter Vollmer drehte das Prinzip um: Er nahm die Wäsche zentral in seiner Wäscherei an, dort wurde sie gereinigt und zurück nach Hause geliefert – mit Pferdekutschen versteht sich. Vielleicht ganz gut, dass damals niemand ahnen konnte, dass es nicht mehr weit hin war bis zur industriellen Revolution und dass ein paar Generationen später nahezu jeder Haushalt eine eigene Waschmaschine haben sollte.

Aber egal, wie sehr sich die Welt um den Rütersbarg wandelte – das Unternehmen passte sich an, egal, welche Vollmer-Generation das Unternehmen gerade leitete. Und so wurde das Bügeleisen angeschafft, später folgten Setzeisen und die Umstellung auf den Dampfbetrieb, ab 1930 wurde die Wäsche mit dem Automobil ausgeliefert.

Aber eines änderte sich nie, egal ob 1840 oder 2015: Bei den Vollmers steht immer einer in wasserdichten Schuhen und hochgekrempelten Ärmeln vor der Waschtrommel, in der man von der Größe her auch duschen könnte, und wuchtet die Wäsche hinein und hinaus. Der Duft frisch gewaschener Stoffe liegt in der Luft, Mitarbeiterinnen bedienen die Mangel, falten, legen, plätten. Und immer mal wieder flitzen Kinder durch das Gewusel. Die Vollmers-Familie lebt seit jeher im selben Haus über der Wäscherei.

Auch Brigitte Vollmer ist hier zwischen Wäschebergen aufgewachsen. „ Es war eine Kindheit wie in Bullerbü“, erinnert sie sich. Aber auch in Bullerbü gab es Herausforderungen. „Als irgendwann jeder Haushalt eine eigene Waschmaschine hatte, bedeutete das für meine Familie natürlich eine Umstellung“, so Vollmer. Wie die meisten Wäschereien setzten auch die Vollmers auf das Hotel- und Gastronomiegewerbe. Dass Brigitte Vollmer einmal den elterlichen Betrieb übernehmen würde, war nicht von Anfang an klar. Seit 1840 war die Firmenleitung schließlich immer vom Vater an den Sohn weitergegeben worden.

Brigitte Vollmer aber sagte schon also kleines Kind zu ihren Eltern: „Ich will den Betrieb einmal weiterführen.“ Zwar führte sie ihr Weg nach der Schule erst ein paar Jahre lang zum Pädagogik- Studium an die Uni, aber gefühlt hatte sie immer, dass sie wieder an den Rütersbarg zurück wollte. Brigitte Vollmer ist jeden Tag in der Wäscherei, genau wie ihr Vater, der wie eh und je an der Waschmaschine steht und Berge von Wäsche in die Trommel hievt.

Eigentlich also alles beim Alten. Auch, dass sich die Wäscherei mal wieder neu erfinden muss. Zahlreiche Großwäschereien locken mit Dumpingpreisen und die Festtagstischdecke gibt es in vielen Haushalten längst nicht mehr. Und so traf Brigitte Voller eine Entscheidung, die zunächst vielleicht rückwärtsgewandt klingen mag. Sie setzt wieder verstärkt auf die feine Wäsche und auf Privathaushalte. „Wir nutzen bewusst unsere Nische, an Haushalte, Bett - und Tischwäsche schrankfertig zu liefern“, sagt sie. Bei ihren Stammkunden, die meisten kommen aus Niendorf, Lokstedt und Stellingen, kommt das gut an. Das Großkundengeschäft überlässt sie den anderen, aus dem Kampf um die niedrigsten Preise hat sie sich herausgezogen. Stattdessen kooperiert sie lieber mit den Mitbewerbern.

Für die benachbarte Großwäscherei Hammonia erledigt Vollmer etwa die Feinwäsche. Kürzlich übernahm sie noch eine Wäscherei in der Schlüterstraße in Rotherbaum, die keinen Nachfolger gefunden hatte. Wie es bei Vollmer selbst um die Nachfolge bestellt ist? An Nachwuchs mangelt es nicht. Doch ob es eines ihrer Kinder („ Schreiben Sie nicht die Zahl, schreiben Sie einfach, dass es viele sind.“) die Wäscherei übernimmt, ist unklar. Einen Zwang soll es jedenfalls nicht geben. „Ich bin einfach froh, dass ich mein Bullerbü noch habe und meine Kinder es auch noch erleben durften.“

Jubiläumsfeier

Die Wäscherei Vollmer
feiert ihr 175-jähriges Bestehen am heutigen 1. September zwischen 11 und 17 Uhr am Rütersbarg 39 in Hamburg-Lokstedt