Hamburg. Die von Schulsenator Rabe angekündigte vierte Unterrichtsstunde kommt verpflichtend erst im Schuljahr 2016/17.

Die Ankündigung war klar und deutlich, aber auch bitter nötig: Schulsenator Ties Rabe (SPD) sagte Ende Mai, alle Schüler der Klassen fünf bis zehn sollten schon vom kommenden Schuljahr an vier Mathematikstunden pro Woche bekommen. Das dauerhaft schlechte Abschneiden der Hamburger Schülerinnen und Schüler bei Ländervergleichsstudien in dem „Angstfach“ hatte Rabe zu einer „Mathematik-Offensive“ bewogen. Nicht zuletzt steht das bundesweite Zentralabitur vor der Tür – 2017 ist es so weit.

Und noch am Dienstag, als der Schulsenator die Neuerungen zum Schuljahr 2015/16 im Rathaus erläuterte, war die vierte Mathestunde ein wichtiger Punkt. Um den Bildungs­erfolg in diesem Fach zu verbessern, so Rabe, setze die Schulbehörde „in diesem Schuljahr vier wichtige Maßnahmen“ um. Erster Punkt: „Ab dem Schuljahr 2015/16 sollen Hamburgs Schüler in jedem Jahrgang der Sekundarstufe I wöchentlich mindestens vier Stunden Mathematikunterricht haben.“

Doch wenn die Schüler am heutigen Donnerstag nach dem Ende der Sommerferien zum ersten Mal wieder in ihre Klassen gehen, dann werden viele vielleicht klammheimlich sogar Grund zur Freude haben: dann nämlich, wenn ihr Stundenplan doch keine vier Stunden Mathematik enthält.

Flächendeckende Eiführung um ein Jahr verschoben

Und der Senat hat genau diesen Umstand der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien auch schon schriftlich mitgeteilt, wenn auch indirekt. „Die Einführung der vierten Mathematikstunde in den Stadtteilschulen und Gymnasien wird verpflichtend spätestens zum Beginn des Schuljahres 2016/17 erfolgen“, heißt es in der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU-Schulpolitikerin. Mit anderen Worten: Die groß angekündigte flächendeckende Einführung wird um ein Jahr verschoben. „Die Schulen sind aufgefordert, bereits im kommenden Schuljahr 2015/16 dort, wo es möglich ist, die vierte Mathematikstunde einzuführen“, heißt es immerhin noch.

„Das ist ein ganz eindeutiger Widerspruch zu Rabes Versprechen. Er hat die Öffentlichkeit wieder einmal bewusst getäuscht“, kritisiert Karin Prien. Die Union will mit einer weiteren Anfrage nachlegen, um in Erfahrung zu bringen, an wie vielen Schulen die „Mathematik-Offensive“ in diesem Punkt vorerst gescheitert ist.

Etwas kleinlaut erläutert der Senat in seiner Antwort auf die erste Prien-Anfrage auch, warum sich die Umsetzung verzögert: „Die Einführung der vierten Mathematikstunde erfordert in einigen Schulen einen Schulkonferenzbeschluss einer neuen schulischen Stundentafel. Dies ist erst im Schuljahr 2015/16 möglich.“ Die Umsetzung kann dann erst im nächsten Schuljahr erfolgen. Nur: Dieser Umstand waren Rabe und der Schulbehörde selbstverständlich auch schon vorher bekannt.

Veränderungsprozesse an Schulen dauern bisweilen sehr lang

Tatsächlich geht jeder Umsteuerung bei der Stundentafel ein mehrstufiges Verfahren voraus. Jede Schule hat über die zentral vorgegebene Festlegung der pro Schuljahr zu erteilenden Unterrichtsstunden in allen Pflicht­fächern einen gewissen Spielraum. Je stärker der Spielraum ausgeschöpft ist, desto schwieriger wird es, Kapazitäten für die Mathestunde zu gewinnen. Letztlich muss möglicherweise bei einem anderen Fach gekürzt werden, was dort naturgemäß auf wenig Sympathie treffen wird. In jedem Fall müssen Lehrerkonferenz, Eltern- und Schülerrat und schließlich die Schulkonferenz einer solchen Änderung zustimmen. Das ist die Folge des Konzepts der selbstverwalteten Schule, die jedem Standort bewusst mehr Freiraum lässt, eigene Schwerpunkte zu setzen.

„Ärgerlich sind die Verzögerungen in der Tat“, räumt Behördensprecher Peter Albrecht ein. Aber Rabes markige Ankündigung, so ist aus der Behörde zu hören, sei auch taktisch zu verstehen. Veränderungsprozesse dauerten an Schulen bisweilen sehr lang. Da könne es sinnvoll sein, den „Druck im Kessel“ per öffentlicher Festlegung zu erhöhen.

Auch beim zweiten zentralen Ziel der „Mathematik-Offensive“ – der Fachunterricht soll nur von studierten Mathematiklehrern gegeben werden – läuft es nicht rund. „Die Umsetzung der Vorgabe zum Einsatz von Fachlehrkräften benötigt eine Übergangszeit, um einen einvernehmlichen Ausgleichsprozess zu ermöglichen und Zwangsversetzungen zu vermeiden“, heißt es in der Senatsantwort. Rabe hatte angekündigt, dass von diesem Schuljahr an ab Klasse sieben nur noch Mathematiklehrer das Fach unterrichten.

„Rabes groß angekündigte Mathematik-Offensive kommt zum neuen Schuljahr an den Schulen so gut wie nicht an“, sagt CDU-Schulexpertin Prien. „Einmal mehr bestätigt sich die Vorliebe des Senators für Lippen­bekenntnisse, die gut klingen und zunächst den Druck nehmen, deren Umsetzung allerdings in den seltensten Fällen dem zugesagten Umfang oder Zeitplan entspricht.“