Hamburg. Hamburg benötigt bis zum Winter noch Tausende weitere Plätze. Das Abendblatt dokumentiert für alle sieben Bezirke, wo Unterkünfte entstehen sollen

Bis zu 30.000 Flüchtlinge werden in diesem Jahr insgesamt nach Hamburg kommen. Für Tausende von Ihnen gibt es noch keine Unterbringungsmöglichkeit oder nur Zelte. Diese sollen bis zum Winter durch feste Unterkünfte ersetzt werden. Mit Hochdruck suchen die Behörden nach geeigneten Flächen und Gebäuden. Für die Bezirke Wandsbek und Hamburg-Nord wurden am Dienstag fünf neue Standorte bekannt gegeben. Alle sieben Bezirke sind vom rot-grünen Senat angehalten, bis zum Montag, 8 Uhr, Vorschläge einzureichen. Das Abendblatt dokumentiert den Stand der Dinge:

Bezirk Wandsbek: Am Fiersbarg 8 in Lemsahl wird erstmals ein Wohnungsbauprojekt zurückgestellt, um Flüchtlingen Platz zu bieten. Statt der 42 Wohnungen, für die die Vermarktung schon begonnen hatte, könnten nun zunächst bis zu 1000 Plätze für eine Erstunterbringung entstehen. „Die Not zwingt uns dazu. Der Wohnungsbau ist nur aufgeschoben“, sagte Andreas Dressel, SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft. Dressel hofft auf „eine Willkommenskultur wie in Ohlstedt“, wo die Anwohner schon während des Aufbaus der Zelte Kaffee und Kuchen ausgaben und Hilfsgüter für die Neuhamburger sammelten.

Am Bargkoppelstieg 10–14 (Rahlstedt) werden bis zu 1500 Plätze für die Erstunterbringung in einem Gebäude und in Wohncontainern eingerichtet. Die ersten Flüchtlinge sollen im September einziehen können, die Anwohner-Informationsveranstaltung ist in Vorbereitung, Handzettel werden schon verteilt.

An der Rodenbeker Straße (Berg-stedt) ist eine Folgeunterbringung für 364 Flüchtlinge geplant, 14 Modulhäuser sollen entstehen. An der Straße Am Stadtrand (Ortsteil Hinschenfelde) sollen in der ehemaligen Zentrale des Gabelstaplerherstellers Jungheinrich bis zu 688 Menschen untergebracht werden. Den Umbau nimmt der Eigentümer Greve vor. Jungheinrich zieht um, Greve vermietet das Haus für 15 Jahre an die Stadt.

In der ehemaligen Schule Am Eichtalpark an der Walddörferstraße werden rund 350 Plätze für die Folgeunterbringung geschaffen. Die Belegung soll im Oktober beginnen. Am 16. September informieren die Behörden die Anwohner von 18 Uhr an im Bürgersaal Wandsbek (Am Alten Posthaus 4).

Bezirk Hamburg-Nord: Auf dem Gelände des ehemaligen Anzuchtgartens des Friedhofs Ohlsdorf soll eine Unterkunft für 700 Flüchtlinge entstehen. Sie soll abschnittweise erschlossen werden – Ende des Jahres könnten die ersten 250 einziehen. Die Anwohner werden heute per Handzettel informiert, eine Infoveranstaltung folgt.

Die Kapazität der Unterkunft in der ehemaligen Schule am Grellkamp in Langenhorn wird voraussichtlich um rund 280 Schlafplätze aufgestockt. Ein Info-Abend findet am heutigen Mittwoch, um 18 Uhr in der Ansgar-Gemeinde (Langenhorner Chaussee 266) statt. In Planung sind im Bezirk darüber hinaus die Erstversorgungen an der Hohen Liedt (30 zusätzliche Plätze für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge), Dehnhaide 161 (32 Plätze für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge) und Langenhorner Chaussee 140 (Größe steht noch nicht fest) und eine Zentrale Erstaufnahme an der Krausestraße/Dehnhaide (300 Plätze). Über die Unterkunft Hufnerstraße (ehemalige Block-House-Zentrale) werden die Anwohner am 3. September, 17.30 Uhr, in der Kreuzkirche (Wohldorfer Straße 30, Barmbek-Süd) informiert.

Bezirk Altona: Wie in allen Bezirken wird derzeit auch in Altona nach einem Standort für eine Großunterkunft gesucht. Im Gespräch ist dazu der Parkplatz Grün am HSV-Stadion in Lurup. Noch gebe es aber keine konkrete Entscheidung, teilte das Bezirksamt mit. „Wir gehen aber alle davon aus, dass es wohl dieser Standort wird“, hieß es in Verwaltungskreisen. Wie berichtet, laufen zudem Planungen für Flüchtlingsunterkünfte an der Notkestraße (Bahrenfeld), der Paul-Ehrlich-Straße und am Holmbrook (beides Othmarschen), in der Alsenstraße (Altona-Nord), der Baudissin-Kaserne (Osdorf) und am Björnsonweg (Blankenese).

Bezirk Eimsbüttel: 15 Flächen sind im Bezirk Eimsbüttel für neue Flüchtlingsunterkünfte im Gespräch. Konkrete Standorte wollte Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) noch nicht nennen. Nur so viel: Einer der Standorte sei acht Hektar groß und eigne sich für den Bau von Flüchtlingswohnungen. Ein zweiter Standort biete die Möglichkeit, eine Großunterkunft mit 1500 bis 1600 Plätzen zu errichten – wie es Innensenator Michael Neumann (SPD) für jeden Bezirk anstrebt.

Das dicht bebaute Kerngebiet des Bezirks sei bei der Suche ausgespart worden, ebenfalls wurde darauf verzichtet, Schulen, Sportplätze, Klein­gärten oder Grünanlagen in die Über­legungen einzubeziehen. „Uns ist klar, dass wir stadtweit die rote Laterne bei der Flüchtlingsunterbringung innehaben“, sagte Sevecke. „Aber es gibt eben wenige Flächen in Eimsbüttel.“

Bezirk Mitte:
Im Bezirk Mitte stehen 6570 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung. Der Bezirk ist damit der Spitzenreiter. Weitere fünf Standorte mit Platz für bis zu 1624 Bewohner sind in konkreter Planung. Eine Option ist die Anmietung eines Bürogebäudes an der Friesenstraße in Hammerbrook mit Platz für bis zu 500 Flüchtlinge. Als mögliche neue Flächen im Bezirk Mitte sind nach Abendblatt-Informationen kleinere Areale am Schaarsteinweg in der Neustadt und ehemalige Tennisplätze zwischen der Wenden- und der Süderstraße im Gespräch. Auch das Heiligengeistfeld wurde geprüft – dort wird aber keine Unterkunft errichtet.

Bezirk Bergedorf: Wie die „Bergedorfer Zeitung“ berichtet, soll in Allermöhe eine Massenunterkunft für 3000 Flüchtlinge entstehen. Im Gespräch ist das Gebiet am alten Gleisdreieck Mittlerer Landweg nordöstlich vom Gewerbegebiet Allermöhe. Wie aus der Bergedorfer Politik zu hören ist, soll die Unterkunft 2017 auf dem Gelände des dortigen Kleingartenvereins und einem Nachbargrundstück auf acht Hektar Fläche errichtet werden – so groß wie etwa 15 Fußballfelder. Die Sozialbehörde und Bezirksamtsleiter Arne Dornquast (SPD) wollten das nicht kommentieren.

Bezirk Harburg: Im Bezirk Harburg werden derzeit etwa 2000 Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen betreut – Tendenz steigend. Außerdem gibt es knapp 900 Plätze in Folgeeinrichtungen, unter anderem auf dem einzigen Flüchtlingswohnschiff Hamburgs, der „Transit“. 1080 weitere Plätze sind geplant, davon 90 speziell für Flüchtlinge mit medizinischem Betreuungsbedarf in der Asklepios Klinik Harburg. 2400 der dann gut 4000 Plätze ballen sich im weniger wohlhabenden Kerngebiet des Bezirks. In der Prüfung befinden sich drei weitere Standorte im Bezirk, ohne dass hier mögliche Belegungszahlen genannt wurden: eine Wiese am Falkenbergsweg in der Fischbeker Heide sowie zwei Flächen im Stadtteil Sinstorf – am Leuchtkäferweg zwischen dem Gymnasium und der Stadtteilschule und ein ehemaliges THW-Gelände zwischen Sinstorfer Kirchweg und A 7.

Die Kosten: Am Dienstag hat der rot-grüne Senat eine sogenannte Mehrbedarfs-Drucksache beschlossen. Wenn die Bürgerschaft zustimmt, steigen die Ausgaben für Flüchtlinge in den Jahren 2015 und 2016 um insgesamt rund 500 Millionen Euro. Eine erste Erhöhung über 68 Millionen Euro hatte der Senat bereits im Juni beschlossen. Wie berichtet, wollen SPD und Grüne diese Ausgaben zunächst durch Verschiebungen im Haushalt finanzieren. Eine Erhöhung der Ausgaben oder gar neue Schulden sind vorerst nicht geplant. 2014 hatten die Ausgaben für Flüchtlinge bei rund 300 Millionen Euro gelegen. Da sich die Zahl der Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder aus wirtschaftlichen Gründen nach Hamburg fliehen, seitdem mehr als verdoppelt hat, steigen auch die Kosten entsprechend.(at, axö, dey, esh, fru, lsh, nib, ug)