Hamburg. Der Jurist verbessert das Image von Model Toni Garrn, Sänger Clueso – oder Fußballtrainer Thomas Tuchel.
Einmal hat sich Olaf Meinking beim Skifahren den Mittelhandknochen gebrochen. Für gefährlicher hält er seitdem nur noch Fußballspielen. Dass er den Fußball dennoch unterschätzt hat, bemerkte der Hamburger Anwalt, als er bei einem Konzert seines Klienten Clueso einen Bundesligatrainer kennenlernte. Oder vielmehr in der Zeit danach, als Thomas TuchelMeinkings Kunde wurde und darauf hoffte, dass der Anwalt, der durch die Arbeit mit Musikern wie Fettes Brot und Silbermond auch zum Spezialisten für den Imageaufbau von Prominenten geworden ist, ihn beraten und zum richtigen Club führen würde. Meinking und Tuchel reisten gemeinsam nach Katar, führten Gespräche mit dem HSV, in Hamburg und in Port d’Andratx auf Mallorca bei Klaus-Michael Kühne. Tuchel wurde zum begehrtesten Trainer in der Bundesrepublik. Schließlich gab es die Entscheidung gegen den HSV und für den BVB. Der als distanziert geltende Tuchel wurde Nachfolger für Everybody’s Darling Jürgen Klopp. Und Meinking auf einen Schlag bekannt.
„Die mediale Gewalt war mir nicht bewusst. Bei vertraulichen Gesprächen musste man nicht mitschreiben, denn am nächsten Tag stand alles in der Zeitung“, sagt Meinking im Rückblick. Unterschätzt hatte der Jurist vor allem die Aufmerksamkeit, die seiner eigenen Person zukam. Die intime Atmosphäre in der Kanzlei, die er mit seinem Partner in einer ruhigen Pöseldorfer Nebenstraße führt, war plötzlich nicht mehr so intim. Journalisten bevölkerten die Altbauvilla mit dem weißen Stuck an der Decke und den Schallplatten von Udo Lindenberg und Selig an den Wänden.
Dabei agierte Meinking bisher eher zurückhaltend, auch die Homepage von seiner Kanzlei ist fast nicht existent, gerade einmal eine Telefonnummer steht darauf. Die Kunden sollen ihn nicht einfach so finden, sie sollen wissen, warum sie gerade ihn anrufen. Meinking hat Ansprüche. „Ich schätze Leute, die in ihrer eigenen Branche Regeln brechen“, sagt er. Fußballtrainer Tuchel, der während des Spiels mehrmals die Taktik ändert und der aus seinem letzten Jahr beim 1. FSV Mainz ein Sabbatical machte – das hatte bis dahin nur Pep Guardiola gebracht. Oder Clueso, der die Zusammenarbeit mit Sony Music beendete, um – gemeinsam mit Meinking – sein eigenes Label „Text und Ton“ zu gründen. Und dessen Erfolg seit Jahren zwar stetig, aber eher schleichend vorangeht. „Ich bin niemand, der den Leuten die Turbokarriere bringt“, sagt Meinking. Wenn er den Hang zum Besonderen in einem potenziellen Klienten nicht erkennen kann, sagt er ab.
Auf Tokio Hotel zum Beispiel hatte Meinking große Hoffnung gesetzt. Gemeinsam mit Frank Otto erwarb er 2012 Verlagsanteile von einigen Werken der Band. „Bei Konzerten konnte man die Musik nicht mehr hören, weil die Mädchen so laut gekreischt haben. Vielleicht ähnlich wie bei den Beatles. So etwas habe ich in Deutschland noch nie erlebt.“ Aber auch einen so tiefen Absturz einer Band hat es kaum jemals in Deutschland gegeben. „Heute treten die Jungs in Kirchen auf“, sagt Meinking mit Blick auf ein Konzert, das Tokio Hotel im März in der Altonaer Kulturkirche gaben.
Meinkings Karriere weist noch andere Misserfolge auf. Zum Beispiel den von Mimi Müller-Westernhagen, Sängerin, Künstlerin und Model. Auf Anraten seines Freundes Ted Linow, Chef der Hamburger Agentur Mega Model, reiste Meinking an einem Freitagnachmittag nach London, um sich mit Marius Müller-Westernhagens Tochter zu treffen. Spät am Abend spielte sie ihm ihre Songs vor. „Ich finde sie toll, ihre Biografie ist wahnsinnig spannend.“ Olaf Meinking wollte mit ihr arbeiten. Aber es funktionierte nicht. Deutschland hatte kein großes Interesse an der Künstlerin.
Er erfährt alles über seine Kunden – auch das, was er nicht wissen will
Wenn die Niederlagen so deutlich zutage treten, werden sie mitunter zu interessanten Analysefällen. Oder, wie Olaf Meinking es ausdrückt: „Auch der Endverbraucher kann versagen.“ Soll heißen: Egal, wie großartig der Künstler ist, manchmal werden einfach keine Platten verkauft. Und niemand weiß so recht, warum. Auch Meinking nicht, dessen Beruf es doch eigentlich ist, das passende Image aufzubauen. Dafür verbringt er viel Zeit mit seinen Klienten, erfährt alles über sie (auch Dinge, „die man nicht unbedingt wissen will“) und entwickelt Profile: Das sympathische und natürliche Fashion-Model Toni Garrn zum Beispiel, das es dank dieses Images geschafft hat, dass die Kurzzeitbeziehung zu Leonardo DiCaprio nicht ihr eigenes Talent überschattet hat. Oder der stets bestens vorbereitet Jochen Breyer, der mit 31 Jahren Moderator des „Aktuellen Sportstudios“ im ZDF wurde, und seitdem, zumindest gefühlt, nie einen Fehler macht. Und eben der während seiner Zeit in Mainz noch als „intellektuell und überheblich“ kritisch beäugte Thomas Tuchel, der auf Anraten seines Image-Anwalts nun keine Geburtstage von Mitarbeitern mehr vergessen und sich auch bei Weihnachtsfeiern sehen lassen soll.
Bei Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß machte Meinking eine Ausnahme. Sie war Jurorin bei „The Voice of Germany“. Meinking ist eigentlich nicht der Typ, der Casting-Shows gut findet. Aber „The Voice“ sei noch okay, und die Sängerin habe es gern gewollt. „In dem Moment ihrer Karriere hat es gepasst.“
Der Bruch der Branchenregeln, den Meinking bei seinen Klienten sucht, gefällt ihm aber wohl auch bei ihm selbst. Er trägt dunkle Jeans und helleres Jeanshemd, seine Armbanduhr ist um zehn nach sechs stehengeblieben. Zur Arbeit fährt Meinking aus dem Grindelviertel nach Pöseldorf mit dem Fahrrad, das unten vor der Eingangstür der Kanzlei steht. Der 48-Jährige ist Bremer, arbeitete nach der Schule als Zivi in einem Krankenhaus zwischen Bremen und Bremerhaven. Dann tat er, „was man halt macht, wenn man nicht weiß, was man will“. Für manche bedeutet das Jobben in einer Bar, für Olaf Meinking war es das Jurastudium in Hamburg.
Dieses brachte ihn aber schlussendlich in die Nähe von Thomas Tuchel. Vor einigen Wochen ist Meinking von einer Asienreise mit Borussia Dortmund zurückgekommen. „Ich wollte mir ein eigenes Bild davon machen, wie Thomas mit der Mannschaft und den Fans umgeht.“ Und auch, wenn ihm Fußball weiterhin zu gefährlich ist – mit dem Trainer war er zufrieden.