Hamburg. Bernhard Schwank spricht über seine Erfahrungen mit der Münchner Kampagne für 2018 und den Umgang mit den IOC-Mitgliedern.

Bernhard Schwank, 54, ist Hamburgs Mann in Kuala Lumpur. In Malaysias Hauptstadt tagt das Internationale Olympische Komitee (IOC) vom 31. Juli bis 3. August. Gleich am ersten Tag entscheidet die Versammlung über den Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2022. Peking und Almaty (Kasachstan) sind die verbliebenen Bewerber. Schwank, Vater von drei sportbegeisterten Söhnen, wird als stellvertretender Geschäftsführer der Hamburger Olympiabewerbungsgesellschaft für die Sommerspiele 2024 in Kuala Lumpur Lobbyarbeit für die Stadt leisten. Der Mann hat Erfahrung damit. Der „Außenminister“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) leitete bereits die Münchner Kampagne für die Winterspiele 2018.

Hamburger Abendblatt: Herr Schwank, vor vier Jahren in Durban (Südafrika) haben Sie miterleben müssen, wie die Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 beim IOC gescheitert ist. Sie waren damals Geschäftsführer der Bewerbungsgesellschaft. Wie sind Sie mit dieser Niederlage umgegangen?

Schwank : Siege wie Niederlagen bleiben. Die nehmen Sie mit in Ihrer Biografie. Das hat schon einige Monate gedauert, bis man die Vorgänge mit sich und seinen Mitstreitern verarbeitet hat. Sie stecken ja in eine Bewerbung mehr als das normale Arbeitspensum von täglich neun bis fünf - und das in einem Team, das sich hoch emotional mit größter Leidenschaft für dieses Thema über eine sehr lange Zeit engagiert. Dass wir gleich in der ersten Runde an Pyeongchang gescheitert sind, war ein weiterer Genickschlag. Wir hatten gehofft, zumindest mit den Südkoreanern ins Stechen zu kommen.

Also Frust pur?

Schwank : Wir waren überzeugt, eine sehr gute, nachhaltige Bewerbung beim IOC abgeliefert zu haben. Das hat den Schmerz schon gelindert, das Wissen, das Bestmögliche getan zu haben. Aber es gab nun mal Gründe, zum Beispiel dass sich Pyeongchang zum dritten Mal in Folge bewarb, die für die Entscheidung des IOCs vermutlich eine Rolle gespielt haben, und die wir mit noch so guten Argumenten nicht beeinflussen konnten.

Wann haben Sie auf der Versammlung von der Entscheidung erfahren?

Schwank : Nach dem ersten Wahlgang wurde dem damaligen IOC-Präsidenten Jacques Rogge ein Zettel mit dem Ergebnis gereicht, und aus seiner überraschten Reaktion haben wir geschlossen, dass die Entscheidung gefallen war. Das konnte wohl nur heißen: gegen uns. Wir wussten es aber nicht genau, und haben dann eine Stunde lang angespannt darauf gewartet, bis Rogge das Ergebnis offiziell bekannt gab.

Was haben Sie in dem Moment empfunden, als Rogge „Pyeongchang“ sagte?

Schwank: Neben mir saß links Bundespräsident Christian Wulff, rechts neben mir unsere Olympiabotschafterin Katharina Witt (die zweimalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin 1984 und 1988, die Red.). Katharina hat sofort losgeheult. Ich habe sie in den Arm genommen und versucht sie zu trösten. So standen wir eine Weile da. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die Sache bereits ein bisschen abgehakt, denn nach der anfänglichen Reaktion Rogges war mir klar, das Ding haben wir nicht gewonnen, auch wenn man immer noch eine leise Hoffnung hegt. Aber als Rogge „Pyeongchang“ sagte, war das schon ein Stich ins Herz.

Haben Sie in den Tagen zuvor in Durban Hinweise erhalten, wie die Entscheidung ausgehen könnte?

Schwank: Keine direkten. Aber man könnte hier und dort heraushören, dass die Winterspiele diesmal, beim dritten Anlauf, nach Pyeongchang gehen, nach den ganzen Anstrengungen und Mühen, die die Südkoreaner in den vergangenen Jahren auf sich genommen hatten, um Olympia zu bekommen. Sie halten sich aber dennoch an der Hoffnung fest, dass sie in der finalen Präsentation die IOC-Mitglieder doch noch überzeugen können. Und unsere Präsentation, das haben wir hinterher zu hören bekommen, war die beste.

Was gab dann den Ausschlag? Dass mit Samsung einer der wichtigsten Sponsoren des IOCs ein koreanisches Unternehmen ist?

Schwank : Das ist reine Spekulation. Für Samsung könnte der deutsche oder europäische Markt für Werbeaktivitäten möglicherweise sogar wichtiger als der heimische sein.

Thomas Bach, damals noch Leiter der deutschen Delegation und IOC-Vizepräsident, hatte mit 40 von etwa 100 Stimmen gerechnet. 25 wurden es. Worauf basierte diese Annahme?

Schwank : Der gesamte Bewerbungsprozess lebt davon, dass Sie mit den rund 105 IOC-Mitgliedern sprechen und sie von ihrem Konzept zu überzeugen versuchen: dass damals München für 2018 und jetzt aktuell Hamburg für 2024 die beste Bewerbung für das IOC ist, wobei sie kein Wort über die anderen Kandidaten verlieren dürfen. Das verbietet der IOC-Kodex. Man trifft sich also irgendwo auf der Welt, zwei-, dreimal mit den IOC-Mitgliedern und erläutert sein Konzept. Die Reaktionen darauf versucht man danach irgendwie zu deuten. Sie werden es aber nur ganz selten erleben, dass ein IOC-Mitglied ihnen im Gespräch sagt, dir gebe ich jetzt meine Stimme.

Wie waren bislang die Reaktionen auf das Hamburger Konzept?

Schwank : Wir stehen ganz am Anfang unserer Kampagne. Bislang ist die Hamburger Bewerbung auf großes Interesse gestoßen. Es gab immer wieder konkrete Nachfragen, Leute wollen Material erhalten, weitere Gespräche wurden vereinbart.

Gab es während der Münchner Olympiakampagne mal anzügliche Nachfragen, was können Sie für mein Land, meine Stadt, meine Sportart tun?

Schwank : Niemals, an keiner Stelle.

Was hat Sie bewogen, nach den Enttäuschungen mit München, sich ein drittes Mal einer deutschen Olympiabewerbung anzunehmen?

Schwank : Die zweite Münchner Bewerbung dauerte ja nur kurz, die war nach dem gescheiterten Referendum beendet, ohne dass wir unser Konzept noch mal verfeinern konnten. Die sportpolitische Gesamtlage war damals im Herbst 2013 extrem schwierig, die umstrittenen Winterspiele in Sotschi standen bevor, und der Fußballweltverband Fifa musste sich nach den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 Korruptionsvorwürfen erwehren, die die Fifa bis heute nicht ausräumen konnte.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem gescheiterten Referendum für Hamburg mitgenommen?

Schwank : Dass man die Bevölkerung von Beginn an beteiligen, sie in der gesamten Kampagne mitnehmen muss. Wenn Sie diese Diskussionen später nachholen wollen, sind Sie nicht mehr glaubwürdig. Dann sieht es so aus, als wollten Sie nur noch Ihre Entscheidung rechtfertigen. In Hamburg hat die Beteiligung sehr frühzeitig eingesetzt, schon während des „Wahlkampfes“ vor einem Jahr zwischen Berlin und Hamburg. In den inzwischen sieben Stadtwerkstätten wurden diese Diskussionen fortgeführt, und sie werden weiter die Bewerbung begleiten. Die Anregungen und Kritiken aus diesen intensiven Gesprächsrunden sind an verschiedenen Stellen in das Konzept eingeflossen und werden weiter einfließen.

Das ermutigt Sie offenbar, zum zweieinhalbten Mal einen Anlauf zu nehmen.

Schwank : Die Erfahrungen mit der Münchner Kampagne für 2018 waren mit allen Höhen und Tiefen sehr intensiv und überwiegend positiv, und wenn Sie einmal verlieren und sagen sich, das war’s, dann haben Sie nicht den richtigen Sportsgeist. München 2018 war das Hinspiel, Hamburg 2024 wird das Rückspiel. Und das will ich gewinnen!

Aber Sie treten als Verlierer an.

Schwank : Das sehe ich anders. Ich bringe meine Erfahrungen ein. Das ist wie in allen anderen Lebensbereichen. Aus Niederlagen lernt man meist mehr als aus Siegen. Und: Niemand ist in der Lage, Olympia allein nach Deutschland zu holen. Das nur möglich mit einem großen, hoch motivierten Team. Und das geht weit über die Bewerbungsgesellschaft hinaus. Wir, Hamburg, brauchen aus ganz Deutschland die Unterstützung aus allen gesellschaftlichen Bereichen.

Was ist für Sie schlimmer, im Sport, sie waren ja mal vor rund 30 Jahren als Vertragsfußballer bei Wormatia Worms kurz vor dem Aufstieg in die Zweite Liga, zu verlieren oder berufliche Niederlagen einzustecken?

Schwank : Sport ist immer mit großen Emotionen, mit Leidenschaft verbunden, und Ihr persönlicher Anteil ist noch viel unmittelbarer. Da mag im ersten Moment der Schmerz größer sein. Aber normalerweise erhalten Sie recht schnell die Chance, eine Niederlage zu korrigieren. Eine Olympiabewerbung ist dagegen fast eine Lebensaufgabe. Sie arbeiten über Jahre auf dieses einmalige Ziel hin. Wie schon am Anfang gesagt, solch eine Niederlage setzt Ihnen noch über Monate zu. Wenn Hamburg 2024 Olympiastadt würde, wäre das auf jeden Fall der größte Sieg in meinem sportlichen und beruflichen Leben.