Hamburg. Die Hamburger Firma Indivumed bastelt an maßgeschneiderten Medikamenten gegen die tückische Krankheit.

Hartmut Juhl, einer der zahlreichen renommierten Krebsforscher in Deutschland, steht in einem seiner Labore in der Hamburger Straße Falkenried. Er hält Reagenzien in der Hand, Stoffe, die dazu dienen, die Eiweißmoleküle, die für das Wachstum von Krebszellen verantwortlich sind, zu untersuchen und zu blockieren. Juhl hat 2002 mit der Gründung des Unternehmens Indivumed eine Datenbank mit Gewebeproben von 23.000 Krebspatienten aufgebaut. „Wir planen, in den nächsten fünf Jahren 150.000 Patienten zu erreichen“, so Juhl.

Er nimmt an, dass die bösartigen Geschwulste bei fortgeschrittenen Tumoren nur selten aus dem Körper ganz entfernt werden können, aber in den nächsten Jahren nicht mehr so verheerende Auswirkungen haben wie heute. „In fünf Jahren werden wir es schaffen, dass, auch wenn der Krebs im Körper verbleibt, er aber beherrschbar wird wie eine chronische Krankheit“, sagt der Forscher.

Leuchtturmprojekt zusammenmit dem UKE und Strahlenzentrum

Die Hamburger Wirtschaft und Wissenschaft ist längst auf Professor und Unternehmer aufmerksam geworden. Anfang des Jahres gründeten Juhl, das UKE und das Strahlenzen­trum Altona gemeinsam mit dem niederländischen Konzern Philips in der Hamburger Handelskammer das Cancer Fighting Center, eine Initiative, die sich vorgenommen hat, den Kampf gegen die Krankheit weiter zu verschärfen. „Der Hamburger Senat hat sich vorgenommen, dass die wichtigsten Branchen in der Stadt jeweils ein sogenanntes Leuchtturmprojekt definieren“, sagt Juhl. Dazu sollen die verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen in der Stadt sich besser vernetzen. Zudem soll unter anderem die private und öffentliche Investitionsbereitschaft erhöht werden.

„Wir sind Teil des Leuchtturms gegen Krebs“, sagt Juhl. Das Projekt soll unter anderem die Forschung in der Stadt voranbringen. Gegenüber anderen deutschen Metropolen hängt Hamburg hinterher. Juhl kann viel dazu beitragen, dass sich dies ändert. Sein Unternehmen Indivumed ist mit seiner Tochter Indivutest in der Lage, durch spezielle Testverfahren Krebszellen zu analysieren und durch einen Abgleich der Daten mit der wissenschaftlichen Literatur potenziell geeignete Medikamente zu identifizieren. Das geschieht unter anderem durch die Untersuchung der Eiweißzellen, die Krebs erzeugen können. Zugleich hat der Wissenschaftler eine enge Zusammenarbeit mit der ehemaligen Tochter Inostics, die Indivumed vor wenigen Jahren an Sysmex Corp. verkauft hat. In Zusammenarbeit mit Indivumed macht Sysmex-Inostics Tumorgen-Analysen aus dem Blut für Krebspatienten. Doch das kostet Geld, da insbesondere die komplexe Gewebeuntersuchung, aber auch der Blutgen-Test sehr aufwendig ist und die aktuellen Preise kaum die Kosten decken. Während Indivumed durch die Forschungskooperationen mit der Pharmaindus­trie profitabel arbeitet, macht das Diagnostiklabor Indivutest bisher kaum Umsätze. „Wir arbeiten für die Zukunft, in der wir demnächst richtig durchstarten wollen“, sagt er.

Nur eines ärgert den Professor. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten der Untersuchungen und vor allem die sehr hohen Kosten einer individuell zugeschnittenen Therapie oft nicht. Das könnte sich ändern, sagt Juhl. „Wir sind in guten Gesprächen mit den Krankenkassen.“ Durch die Zusammenarbeit mit dem UKE sollen in einer Pilotstudie Daten gesammelt werden, die die Werthaltigkeit der Diagnostik auch unter Kostengesichtspunkten untersuchen und so die Gespräche mit den Kassen erleichtern soll. In Berlin startete Juhl vor Kurzem ein erstes Symposium zum Thema individuelle Krebstherapie. Auch hier war das Ziel, sich mit Entscheidern und Vertretern der Kassen zu treffen, um die Problematik kontrovers zu diskutieren und lösungsorientiert voranzutreiben.

Eine Krebstherapie kostet pro Jahr und Patient zwischen 50.000 und 100.000 Euro. „Wenn wir gezielt Medikamente einsetzen könnten, die individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sind, werden auch die Krankenkassen von den niedrigeren Therapiekosten profitieren“, sagt Juhl. Doch viele Arzneien, die helfen würden, sind für die Krebstherapie nicht anerkannt worden. Der Mediziner hat allerdings Hoffnung. „In den USA hat die dortige Regulierungsbehörde nun Studien zur Prüfung neuer Wirkstoffe in individuellen Therapieansätzen zugelassen, doch die Pharmafirmen zögern hier noch“, sagt er. „Unser Pro­blem ist, dass wir etwas anbieten wollen, das in der Routine noch nicht angekommen ist.“ Extra zum Vorantreiben der individualisierten Medizin wurde 2010 von Indivumed eine Stiftung in der Schweiz gegründet.

Das Interesse an dem Hamburger Unternehmen ist weltweit groß. „Die Georgetown Universität in den USA hat uns beauftragt, auch dort eine Krebs-Datenbank für das Lombardi Cancer Center anzulegen. Auch die Universitäten Rochester und Stanford sowie ein großer Klinikkonzern greifen auf die Erfahrung der Hamburger zurück. „Wir erwarten einen radikalen Wachstumsschub bei Indivumed“, sagt Juhl.