Hamburg. Connected Health will Patientendaten sicher auf das Handy bringen. Kooperation mit Universitätsklinikum geplant.
Als Arzt hatte Dr. Johannes Jacubeit stets das gleiche Problem. Patienten wollten eine rasche Diagnose von ihm, hatten aber ihre Unterlagen vergessen. Mal fehlte ein Röntgenbild, mal der Arztbrief eines Kollegen, mal die aktuelle Liste mit eingenommenen Medikamenten. Er selbst musste Dokumente ausdrucken oder auf CD brennen, um sie den Patienten mitzugeben. Sehr umständlich im digitalen Zeitalter.
„Ich wollte daher eine Technologie entwickeln, mit der die Patienten ihre Gesundheitsdaten immer dabei haben und auch selbst einsehen können“, beschreibt der Chef der Hamburger Firma Connected Health seine Geschäftsidee. „Am einfachsten geht das mit dem Smartphone, weil es das Gerät ist, das heute fast jeder in der Tasche hat.“
Hinzu kommt aus Jacubeits Sicht, dass sich die digitalen Alleskönner ohnehin immer mehr zur Schaltzentrale für das persönliche Fitnesstraining mausern. Apps zeichnen die Zahl der am Tag zurückgelegten Schritte auf, ermitteln Durchschnittsgeschwindigkeit und Kalorienverbrauch beim Fahrradfahren oder messen in Verbindung mit Zusatzgeräten den Blutdruck. Alles Gesundheitsdaten, die ohnehin schon in den Smartphones schlummern, allerdings bisher nicht auf sichere Weise mit dem jeweiligen Arzt ausgetauscht werden können.
Ein kleiner Kasten sorgt für Übertragung der Daten zwischen Arzt und Patient
Für seine Vision einer digitalen Patientenakte auf dem Handy hat Jacubeit den Arztberuf an den Nagel gehängt und im Oktober 2014 seine eigene Firma gegründet. Nun sitzt der 32-Jährige mit Jeans und Dreitagebart in einem verwinkelten Hinterhof im Karoviertel, um ihn herum werkeln fünf Mitarbeiter an Laptops und PCs. Die obligatorische Espressomaschine steht auf der Fensterbank, zur klassischen Start-up-Atmosphäre fehlt nur der Tischkicker.
Jacubeit deutet auf einen kleinen weißen Kasten mit pulsierendem Herz-Logo. „Damit kann der Arzt die medizinischen Daten auf das Smartphone des Patienten übertragen“, sagt er. Das Gerät wird einfach an den USB-Port eines Rechners gestöpselt und empfängt dann beispielsweise ein Röntgenbild von der Schulter, die Ultraschallaufnahme eines Kinds im Mutterleib oder die Ergebnisse eines Sehtests. „Das funktioniert im Prinzip genauso wie beim Drucken oder Brennen auf CD“, erklärt Jacubeit. Die Installation zusätzlicher Software beim Arzt sei nicht erforderlich.
Der kleine weiße Kasten leitet die Unterlagen drahtlos an das Smartphone des Patienten weiter. Gesammelt werden die Daten in einer von Connected Health entwickelten Anwendung namens LifeTime. Diese App erlaubt es auch, per Handykamera selbst Dokumente einzulesen und getrennt nach unterschiedlichen Ärzten oder Fachgebieten zu speichern. Darüber hinaus gibt es eine Schnittstelle zu anderen Gesundheits-Apps, die etwa Daten über die täglich zurückgelegten Kilometer. Geht der Patient in eine andere Praxis, die das LifeTime-System ebenfalls nutzt, kann er die im Handy gespeicherten Informationen übertragen, indem er sie mit einer kurzen Handbewegung an den dort aufgestellten Kasten übergibt.
Viel Zeit und Mühe haben Jacubeit und seine Mitarbeiter darauf verwendet, den Datenaustausch nicht nur besonders einfach, sondern auch so sicher wie möglich zu machen. „Informationen über den eigenen Gesundheitszustand sind natürlich hochsensibel und müssen daher besonders geschützt werden“, sagt der Connected Health-Chef. Daher würden die Daten nur per verschlüsselter Bluetooth- und WLAN-Verbindung übertragen. Gespeichert würden sie ausschließlich auf dem Smartphone des Patienten. „Wir nutzen weder das Internet noch eine Cloud-Lösung, weil wir dies für zu unsicher halten“, so Jacubeit. Die LifeTime-App ist mit einem Passwort gesichert, bei entsprechend ausgestatteten Handys kann auch der Fingerabdruck zur Autorisierung verwendet werden. Um bei Diebstahl des Smartphones den Verlust der Daten zu vermeiden, empfiehlt Connected Health ein Backup auf dem heimischen Computer.
Kostenlos herunterladen lässt sich das Programm heute schon für Apple-Handys, allerdings nützt dies wenig, da es kaum Praxen gibt, die das System einsetzen. Erste Tests haben laut Jacubeit in diesen Tagen bei einigen Orthopäden in der Hamburger Innenstadt begonnen. Einen großen Schub erhofft sich das junge Unternehmen durch eine geplante Kooperation mit dem Universitätsklinikum Eppendorf, an dem der Connected Health-Chef vor einigen Jahren selbst promovierte. Am UKE wollen zunächst die Sportmediziner des Athleticums das neue System ausprobieren. Derzeit laufen noch letzte vertragliche Abstimmungen, etwa über die wichtige Frage des Datenschutzes.
„Aus Sicht des Krankenhauses spricht für LifeTime, dass der Patient seine Daten auf direktem Weg ohne Umwege über das Internet in einen gesicherten Bereich auf sein Handy bekommt“, sagt der Leiter des Geschäftsbereichs Informationstechnologie am UKE, Henning Schneider. „Dies scheint mir noch sicherer zu sein als der zurzeit verwendete Papierbrief, der auf dem Weg des Patienten nach Hause aus der Tasche fallen kann.“
Smartwatches oder Fitnessarmbänder wecken Interesse an Gesundheitsdaten
Schneider steht den neuen technologischen Möglichkeiten für die Medizin ausgesprochen positiv gegenüber. Durch Trends wie Smartwatches, Fitnessarmbänder oder Health-Apps steige generell das Interesse der Patienten an ihren Gesundheitsdaten. „Das begrüße ich sehr und ich stelle mir eine Zukunft vor, in der ich selbst am entlegensten Ort der Welt aufzeigen kann, welche Medikamente ich beispielsweise einnehme, wie meine letzte Laborwerte waren, welche Impfungen ich gehabt habe und vieles mehr“, sagt der IT-Chef. „Was mit Kontodaten schon heute kein Problem ist, könnte so auch für Gesundheitsdaten selbstverständlich werden.“
Das System von Connected Health könnte auch eine Alternative zur elektronischen Gesundheitskarte werden, die eigentlich dazu gedacht war, der digitalen Medizin einen Schub zu verleihen, bisher allerdings kaum mehr ist als ein Stück Plastik. Außer einem Foto des Versicherten, Geburtsdatum und Adresse ist nicht viel darauf gespeichert. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor Kurzem ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass die schleppende Einführung der Karte mit Hilfe von Fristen, Anreizen und Strafzahlungen beschleunigen soll. Doch selbst die flächendeckende Erfassung der Grunddaten zieht sich noch bis 2018, erst dann sollen Notfallinformationen wie Blutgruppe, Medikamenten-Unverträglichkeiten oder Allergien auf Wunsch auf der Karte gespeichert werden.
Connected-Health-Chef Jacubeit will in diesem Jahr etwa 50 Ärzte in Hamburg und Umgebung für sein System gewinnen. Nur durch eine rasche Verbreitung wird es seinem Start-up möglich sein, mit dem zunächst kostenlosen Programm auch Geld zu verdienen. Möglich werden soll dies durch Zusatzfunktionen für Ärzte und Patienten, die beispielsweise die Auswertung bestimmter Gesundheitsdaten oder das Anlegen mehrere Profile für Familien umfassen könnten.
Langfristig würde Jacubeit auch gern Apotheken oder Fitnessstudios in das System integrieren. „Mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens stehen wir gerade erst am Anfang“, sagt er.