Sternschanze. Axel Benrath will Cornhole unter die Leute bringen. In den USA ist es sehr beliebt, auch hier gab es erste Meisterschaften.

Stimmengewirr auf dem abendlichen Schulterblatt, Gläserklirren, Gelächter. Endlich schlägt das Herz der Schanze wieder unter freiem Himmel. Vier Stockwerke über diesem Treiben steht Axel Benrath in seinem Wohnzimmer. Er fährt sich mit dem rechten Oberarm über die Stirn und krault mit der Linken seinen dunkelbraunen Zehntagebart. Verschmitzt und stolz zugleich begutachtet er das untertassengroße Loch, das er mit einer elektrischen Säge in eine 16 Millimeter dicke und 90 mal 60 Zentimeter große Holzfaserplatte gesägt hat.

Für das Straßenleben, das durch die offenen Fenster dringt, hat Benrath gerade weder Ohren noch Augen. Der 30-Jährige verfolgt eine Art Mission: Er möchte das in den USA populäre Außenspiel Cornhole (auch bekannt als „Bean Bag“) unter die Hamburger bringen. Mit Erfolg: Ende Juni veranstaltete der frisch examinierte Sport- und Englischlehrer mit dem Hochschulsport Hamburg die 1. Corniade der Stadt. Mehr als 60 Freiluftbegeisterte maßen sich im Sportpark Rotherbaum darin, mit getrocknetem Mais gefüllte Stoffsäckchen in die Löcher Dutzender Holzfaserplatten zu werfen.

Pro Partie braucht es mindestens zwei Spieler, acht Säckchen und zwei Spielbretter, die vis-à-vis auf den Boden gelegt werden. Ausklappbare Holzfüße bringen sie in die gewünschte Schräglage. Die Bretter sind sowohl Zielfelder als auch Markierung der Wurfzonen, aus denen die jeweiligen Teammitglieder abwechselnd werfen. Die Distanz ist Erfahrungssache, bei geübten Spielern fünf bis acht Meter. Ein Lochtreffer bringt drei Punkte, eine Brettlandung einen. Nach je vier Würfen wird die Differenz berechnet und in die nächste Runde mitgenommen. Gespielt werden zwei Gewinnsätze mit je 21 Punkten.

Einen Winter lang sägte Benrath in seiner Freizeit Sperrholz

„Mein erstes Brett habe ich mir vor drei Jahren gebaut“, erzählt Benrath, der das Spiel während eines Chicago-Aufenthalts kennengelernt hat. „Nachdem ich mich im Sommer vergangenen Jahres mit Freunden durch Hamburgs Parks geworfen habe, sogar Hochzeitsgesellschaften begeistern konnte, entschloss ich mich, handlichere Bretter mit leichteren Materialien zu entwerfen.“ Einen Winter lang sägte der damalige Referendar in seiner Freizeit Sperrholz, brach Kanten, leimte – und testete. Anfang März ging er in Serienproduktion.

„Hallo Sack!“ taufte Benrath sein Cornhole-Label. Ein Statement für „Zugewandtheit und Lockerheit im Umgang miteinander“, wie er erläutert. Gemäß dem Motto auf seiner Homepage: „Einfach leben. Gemeinsam. Draußen. Genießen“. Auf www.hallosack.de bietet er handgenähte Maissäcke und verschieden große Bretter an. Benrath zählt inzwischen unter anderem Kitas, Schulen und Ergotherapie-Praxen zu seinen Kunden.

Cornhole ist hierzulande nicht unbekannt. Der Deutsche Cornhole Verband (DeCoV) richtete vor vier Jahren die erste offizielle Deutsche Meisterschaft aus. Titelträgerin 2014 ist eine Schenefelderin, diesjährige Meisterinnen im Damendoppel sind zwei Pinnebergerinnen. „Ich habe bisher aber nur zwei andere Anbieter gefunden, die in Deutschland Cornhole-Sets selbst herstellen“, sagt Benrath, in dessen Wohnzimmer sich die Bretter bis unter die Decke stapeln. Eine Werkstatt sei in Planung – Mitarbeiter noch nicht. „Da hilft es schon mal, viele große Schwestern und eine nähende Mutter zu haben.“

Dass es Benrath gelang, erstmals ein Cornhole-Turnier an der Alster zu realisieren, verdankt er seinem langjährigen Engagement im Hochschulsport Hamburg. „Dort sind Leute mit offenen Ohren für gute Ideen“, so der nebenberufliche Segellehrer. In Anspielung auf das Logo seines Labels, das den Kopf eines Comic-Äffchens zeigt, ergänzt er: „Studierende und Affen haben viel gemeinsam: gemütlich mit Freunden rumhängen, zusammen spielen und ein bisschen zufrieden sein.“ Spielen sei die „ureigenste Form der Kommunikation“, weiß der Pädagoge.

Das bestätigt auch sein früherer Referendarskollege Lennart Harnischfeger, 30, der auf Lehrerseminaren zum Cornhole-Fan wurde: „Man steht neben seinem Gegner, sieht genau, was er macht, und kommentiert alles.“ Das Spiel schließe niemanden aus. „Es macht allen Spaß, egal wie alt, talentiert oder geübt.“ Um noch mehr Menschen davon überzeugen zu können, sägt Benrath im Wohnzimmer weiter Löcher in Holzfaserplatten, während auf dem Schulterblatt das Leben spielt.