Nach mehr als anderthalb Jahrzehnten ist Hamburg endlich am Ziel. Bereits seit 1999 bemühte sich die Hansestadt darum, das Chilehaus von der Unesco als Weltkulturerbe adeln zu lassen. 2007 schließlich wurde die Bewerbung um die Speicherstadt und das Kontorhausviertel erweitert, so dass nun zwei benachbarte Stadtquartiere gemeinsam im Rennen um den begehrten Titel waren. Dieser zieht zwar keine Zuwendungen der Unesco nach sich, durch das damit verbundene Renommee bietet er jedoch handfeste Vorteile.

Bevor die Hamburger Kandidatur überhaupt an die Unesco herangetragen werden konnte, musste sie sich zunächst national durchsetzen. Voraussetzung dafür war die Aufnahme durch die Kultusministerkonferenz in die nationale Vorschlagsliste, die sogenannte Tentativliste. Dafür werden die Bewerbungen der einzelnen Bundesländer durch eine Expertenkommission evaluiert. Offizieller Antragsteller ist nicht die Freie und Hansestadt Hamburg, sondern die Bundesrepublik Deutschland.

Das Verfahren ist ebenso langwierig wie kompliziert. Eine nationale Bewerbung verspricht grundsätzlich nur dann Erfolg, wenn die umfangreichen Antragsunterlagen komplett vorliegen und die von der Unesco vorgegebenen Kriterien erfüllt werden. Dazu zählen der außergewöhnliche universelle Wert, die Authentizität, womit die Echtheit gemeint ist, sowie die Unversehrtheit des nominierten Objekts. Darüber hinaus gibt es zehn weitere Kriterien, von denen mindestens eines erfüllt sein muss. Entscheidend war schließlich das vierte Kriterium, nach dem die nominierte Welterbestätte „ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technischen Ensembles oder Landschaften“ darstellen muss, „die einen oder mehrere Abschnitte der Menschheit versinnbildlichen“.

Der Bezug auf die Technik war für die Hamburger Bewerbung wichtig, weil es sich um Baudenkmäler des Industriezeitalters handelt, die auf der Unesco-Welterbeliste international bislang unterrepräsentiert sind. Um die kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung der beiden Hamburger Stadtquartiere stärker herauszuarbeiten, hatten das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) und das Denkmalschutzamt der Kulturbehörde in Kooperation mit der Sutor-Stiftung und der HafenCity Universität bereits im Herbst 2011 eine internationale Tagung organisiert. Unter dem Titel „Stadtentwicklung zur Moderne“ wurde dabei die Speicherstadt als herausragende funktionsgerechte maritime ­Industriearchitektur des Historismus gewürdigt und das im frühen 20. Jahrhundert entstandene Kontorhausviertel als herausragende Bürohausarchitektur charakterisiert, mit Klinkerfassaden in historisierenden und expressiven Formen.

Dank der guten theoretischen Vorarbeit, die unter Federführung des Denkmalschutzamtes geleistet wurde, gelang es, auch die internationalen Experten von der Bedeutung der beiden Stadtquartiere zu überzeugen. Die Antragsunterlagen umfassen 500 Seiten und beinhalten auch einen Managementplan, in dem die Nutzung und dauerhafte Erhaltung beschrieben werden. Fristgerecht hatte die Bundesrepublik im Februar 2014 die Nominierung „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ beim Unesco Welterbezentrum in Paris eingereicht. Das war die Grundlage dafür, dass das Welterbe-Komitee auf seiner Jahrestagung in Bonn darüber befinden konnte.

Ungeachtet der unterschiedlichen politischen Ausrichtung hatten der jeweilige Senat und die Kulturbehörde das Bewerbungsverfahren in den letzten 16 Jahren immer weiter vorangetrieben und mit der Erweiterung von 2007 auch stärker akzentuiert.

„Ich glaube, die Chancen, die sich damit verbinden, das Bild Deutschlands in einer Art und Weise darzustellen, die den Bogen spannt von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Welterbestätten bis hin in die Moderne, ist eine große Chance“, sagte Maria Böhmer, die für das Verfahren zuständige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, jüngst bei einem Hamburg-Besuch – ein Argument, dem das Welterbe-Komitee schließlich gefolgt ist.