Hamburg. Präsident Ralf Martin Meyer will nach USA-Reise ein eigenes System entwickeln lassen. Es könnte Straftaten sehr genau vorhersagen.

Ein lang gehegter Traum der Polizeiarbeit steht vor der Erfüllung: Mithilfe spezieller Software könnten Straftaten in Zukunft sehr zielgenau vorhergesagt werden. Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer ließ sich auf einer Dienstreise das digitale Orakel der Polizei in Chicago vorführen. „Die Amerikaner arbeiten in der Praxis kaum mit den Vorhersagemodellen. Aber wir schauen uns jetzt an, wie wir ein eigenes System entwickeln können“, sagte Meyer dem Hamburger Abendblatt.

Eine Gruppe aus Mathematikern, Soziologen, Psychologen und Ermittlern könnte im Auftrag der Polizei dafür Ansätze finden. Erste Kontakte zu Wissenschaftlern der Hamburger Hochschulen bestünden bereits, sagte Meyer. Beim „predictive policing“ wird aus bekannten Täter- und Falldaten berechnet, an welchen Orten sich in naher Zukunft weitere Straftaten ereignen könnten. „Zunächst verfolgen wir das Ziel der besseren Bekämpfung von Einbrüchen. Das fertige System ließe sich aber auf viele andere Deliktfelder erweitern“, sagte Meyer.

Polizeipraesident Ralf Martin Meyer
Polizeipraesident Ralf Martin Meyer © Juergen Joost | Juergen Joost

Auch in München wird bereits das Schweizer Vorhersageprogramm „precobs“ erprobt. Meyer kündigte an, die weiteren Ergebnisse des Modellversuchs genau beobachten zu wollen. Dem Polizeipräsident schwebt jedoch eine maßgeschneiderte Lösung vor. „In Chicago wird eine große Menge an Daten gegen Bandenauseinandersetzungen verwendet, in München zielt die Prognose vor allem auf reisende Einbrecher ab“, sagte Meyer. Um ein besseres System zu entwickeln, könnte die Einschätzung der Fahnder in Hamburg stärker einfließen. „Die Beamten benötigen oft keine Software für eine gute Prognose“, sagte Meyer. Zudem nutzen die Fahnder bereits die Daten aus Sozialen Netzwerken zur Vorhersage, zuletzt etwa während der Zusammenstöße zwischen Kurden und Salafisten in St. Georg im Oktober 2014.

Bei ihrem Besuch in Chicago und Boston sah sich die Hamburger Delegation auch den flächendeckenden Einsatz von Tablet-PCs bei Streifenpolizisten an. „In der Praxis haben die Geräte in bestimmten Regionen Verbindungsprobleme“, sagte Meyer. Wie berichtet, sollen auch alle Hamburger Streifenbeamte sukzessive mit Mini-Computern ausgerüstet werden. Der Polizeipräsident denkt außerdem über die Anschaffung sogenannter „Taser“, kompakten Elektroschockern, für das Mobile Einsatzkommando nach. Mit seinem Amtskollegen in Chicago vereinbarte Meyer eine Zusammenarbeit in Rahmen der Städtepartnerschaft. „Wir können viele kleine Dinge voneinander lernen“, sagte Meyer.