Hamburg. Wie sich Lufthansa Technical Training auf neue Entwicklungen in der Aus- und Weiterbildung von Luftfahrtpersonal einstellt.

Die am Rand des Hamburger Flughafens geparkte Boeing 737-500 mit dem Lufthansa-Kranich am Heck sieht aus, als warte sie nur auf den nächsten Start zu einem Linienflug. Doch sie wird nie wieder abheben, auch wenn nur wenige Handgriffe nötig wären, um das zu ermöglichen. Denn die Boeing, die seit 1990 mehr als 45.000 Flüge absolvierte, hat keine Zulassung mehr; seit wenigen Monaten wird sie von einer Tochtergesellschaft der Lufthansa Technik für die Berufsausbildung genutzt.

Navigationsgeräte aus- und wieder einbauen, Triebwerkschaufeln auf Beschädigungen prüfen, abschmieren – angehende Fluggerätmechaniker und Elektroniker haben nun die Möglichkeit, am „lebenden Objekt“ wie im echten Flugbetrieb zu arbeiten.

„Jedes Jahr beginnen in Hamburg und Frankfurt rund 100 junge Menschen ihre Berufsausbildung bei uns, der etwas größere Teil davon in Hamburg“, sagt Andreas Kaden, Chef von Lufthansa Technical Training (LTT). In Frankfurt steht den Auszubildenden schon seit dem Jahr 2011 eine Boeing 737-500 zur Verfügung. So wichtig die Erfahrung, an einem realen Flugzeug zu arbeiten, für eine solide Grundausbildung zum Luftfahrttechniker auch ist – mindestens ebenso bedeutend für das Geschäft von LTT ist ein anderes, innovatives Betätigungsfeld: „Die Digitalisierung ist auch in der Aus- und Weiterbildung ein Megatrend und wir versuchen, uns hier technologisch an die Spitze zu setzen“, sagt Kaden.

Eingesetzt werden könne computerbasiertes Lernen nicht zuletzt bei der Qualifizierung von bereits erfahrenem Wartungspersonal für bestimmte Flugzeugtypen. „Frontalunterricht, bei dem ein Lehrer vor einer Lerngruppe steht, wird immer seltener werden“, ist Kaden überzeugt.

Schließlich biete die Digitalisierung etliche Vorteile: Wenn jemand am Bildschirm mit simulierten Flugzeugsystemen üben könne, prägten sich die zu erlernenden Verfahren besser ein, als wenn man sich nur auf gedruckte Schemazeichnungen und Texte stützen könne. „Außerdem kann man dem individuellen Lernfortschritt so besser Rechnung tragen“, sagt Kaden.

Nicht zu unterschätzen seien ferner die Kostenvorteile einer Fernschulung per Computer, weil damit die Abwesenheit vom Arbeitsplatz verringert werden könne: „Vier Fünftel der gesamten Kosten für eine Schulung entfallen auf den Arbeitsausfall und auf Reisespesen.“

Mit der Videokonferenz-Technik könne darüber hinaus ein „virtueller Klassenraum“ geschaffen werden, in dem ein Trainer persönlich mit den Kursteilnehmern spricht. Durch die konsequente Nutzung der Digitalisierung verspricht sich Kaden auch Kostenvorteile gegenüber Wettbewerbern auf dem Markt der Flugzeugtypenschulung für Fachpersonal – immerhin gibt es in Deutschland ungefähr 10.000 Techniker im Luftfahrtsektor, die immer wieder Lizenzen für neue Flugzeugmuster benötigen.

Aber nicht nur in der Weiterbildung gewinnen Computer als Hilfsmittel an Bedeutung, sondern auch direkt am Arbeitsplatz der Wartungstechniker. Hier werden künftig nach Einschätzung von Kaden immer häufiger sogenannte Expertensysteme zum Einsatz kommen: „Wann immer irgendwo auf der Welt ein komplexerer Fehler an einem Flugzeug festgestellt und behoben wird, können die Informationen darüber in einer Datenbank gespeichert und später einem anderen Techniker, der vor dem gleichen Problem steht, als Lösungsvorschlag präsentiert werden.“

Für manche Aufgaben allerdings müssen Experten und Trainer der LTT, von deren 250 Beschäftigten gut 100 in Hamburg arbeiten, persönlich vor Ort sein. Das gilt zum Beispiel immer dann, wenn die Muttergesellschaft Lufthansa Technik einen neuen Standort im Ausland eröffnet – so wie gerade in diesen Tagen in Puerto Rico.

Dort entsteht ein Überholungsbetrieb für Kurz- und Mittelstreckenjets der Airbus-A320-Familie von Kunden aus Nord- und Südamerika. Für dieses Projekt, das im Mai 2014 begann und noch immer läuft, waren zeitweise knapp 20 LTT-Trainer aus Hamburg auf der Karibikinsel und haben dabei mitgeholfen, die ersten 80 von später bis zu 400 Beschäftigten des neuen Betriebs nach Lufthansa-Technik-Standards zu schulen und eine Lehrwerkstatt aufzubauen.

Mit derartigen Projekten hat LTT umfangreiche Erfahrungen: In den zurückliegenden 15 Jahren waren die Trainer an neuen Standorten und Beteiligungsfirmen unter anderem in Manila, Sofia, Budapest, Malta und Hainan (China) im Einsatz.

Gefragt ist die Expertise des Unternehmens jedoch auch außerhalb der Lufthansa-Gruppe. „Wenn man die Berufsausbildung herausrechnet, machen wir etwa 50 Prozent unseres Geschäfts mit konzernexternen Kunden“, sagt Kaden. So erhielt LTT von Vietnam Airlines den Auftrag, ein bestehendes Trainingszentrum zu erweitern und auf einen höheren Qualitätsstandard zu bringen. Mit einem ähnlichen Auftrag sind die Hamburger Experten in Kuwait aktiv. Eine Technische Hochschule im spanischen Sevilla nutzt seit dem vergangenen Jahr die internetbasierten Selbstlernprogramme aus der Hansestadt. Und der kanadische Flugzeugbauer Bombardier lässt selbst sein eigenes Personal von LTT in Wartungsverfahren für seine neuen Jets der
CSeries schulen.