Hamburg. Wegen starker Luftbelastung wurde Deutschland von der EU abgemahnt. BUND fordert Umweltzonen und Tempo 30 auf Hamburgs Hauptstraßen.

Deutschland muss deutlich schneller und energischer gegen die Belastung der Luft mit giftigem Stickstoffdioxid (NO2) vorgehen als bisher. Das hat die EU in einem neuen Mahnschreiben an die Bundesregierung, das dem Abendblatt vorliegt, gefordert. Anlass: Die bereits seit 2010 geltenden Grenzwerte werden in vielen Ballungszentren bis heute nicht eingehalten. Die EU-Forderung könnte Auswirkungen auf Hamburg haben, das zu den deutschen Regionen gehört, in denen die Jahresgrenzwerte seit 2010 überschritten wurden.

Hauptquellen der giftigen Stickoxide, die zu chronischem Husten, Bronchitis, Asthma, Entzündungen oder Lungenkrebs führen können, sind der Kfz-Verkehr und Schiffsabgase. Besonders stark wird die Luft durch Dieselmotoren belastet. Deswegen schlägt die EU in ihrem Schreiben vor, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in besonders belasteten Regionen einzuführen. Zwar sei die Wahl der Instrumente Sache der Mitgliedsstaaten, schreibt EU-Umweltkommissar Karmenu Vella mit Datum vom 18. Juni 2015 an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Es gebe jedoch „Maßnahmen, die einen wesentlichen Beitrag zur Problemlösung leisten könnten, wie das Verbot von Dieselfahrzeugen in einigen städtischen Gebieten und die Förderung von Hybrid- oder Elektroautos oder anderer Fahrzeuge, die ohne Schadstoffausstoß betrieben werden können, was sich positiv auf die Verringerung der Emissionen von CO2 und NO2 auswirken würde“. Als ersten Schritt hätte Deutschland zumindest „seine Steuerpolitik ändern können, die Anreize für Dieselfahrzeuge bietet“, so Vella weiter.

Reizgas NO2 eines der drei gefährlichsten Substanzen in der Luft

Zusammen mit Ozon und Feinstaub gehört das Reizgas NO2 zu den drei gefährlichsten Substanzen in der Luft, die nach Schätzungen der EU allein in Europa für mehr als 400.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich sind. Bereits im Herbst 2014 war die EU wegen der ständigen Überschreitung der Grenzwerte mit einer sogenannten Pilotanfrage den ersten Schritt zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland gegangen. Hamburg und die Bundesregierung hatten mit einer Auflistung ihrer Maßnahmen geantwortet. Diese sind aber aus Sicht der EU nicht ausreichend. Es zeige sich, „dass die von Deutschland ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität nicht wirksam und angemessen genug waren“, so EU-Kommissar Vella. Dass Deutschland die Vorgaben schlicht nicht umsetze und angebe, es könne die Grenzwerte in vielen Gebieten leider erst 2020 oder später einhalten, will die EU nicht hinnehmen.

„Nach Auffassung der Kommission ist eine Verzögerung von zehn Jahren oder mehr für sich genommen bereits ein ausreichendes Indiz dafür, dass Deutschland keine geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten“, heißt es in dem Brief aus Brüssel. Fazit: Deutschland sei seiner vertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen. Eine Antwort erwartet die EU binnen zwei Monaten.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat als Reaktion am Mittwoch drastische Maßnahmen zur Reduzierung der Luftbelastung gefordert. „Die Hamburger Strategie des Aussitzens und Auf-Zeit-Spielens muss ein Ende haben“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Der Senat hat die Chance, in seinem Verantwortungsbereich den Fortgang des Vertragsverletzungsverfahrens maßgeblich zu beeinflussen.“ Aus Sicht des BUND müsse „die Stadt dort ansetzen, wo das Problem liegt, nämlich beim motorisierten Verkehr“. Als einen wesentlichen Beitrag zur Problemlösung schlage die Kommission explizit das Verbot von Dieselfahrzeugen in bestimmten städtischen Gebieten vor. „Dafür ist eine auf den Stickoxidausstoß von Fahrzeugen erweiterte Umweltzone erforderlich“, so Braasch. Außerdem fordere der BUND eine „Verstetigung des Verkehrs durch Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen sowie Lkw-Durchfahrtsverbote in besonders belasteten Gebieten“. Ohne verkehrsbeschränkende Maßnahmen können die Grenzwerte auch nicht eingehalten werden, so Braasch.

Kerstan will Dieselfahrzeuge aus Senatsflotte werfen

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) betonte, dass es Ziel des Senats sei, „bei der Luftreinhaltung deutliche Verbesserungen zu erreichen“. Im Koalitionsvertrag seien „diverse Maßnahmen für bessere Luft in Hamburg vereinbart, unter anderem für den Hafen und bei der Förderung des Radverkehrs“. Diese würden in den neuen Luftreinhalteplan aufgenommen. Änderungen an der steuerlichen Förderung von Dieselfahrzeugen könne zwar nur der Bund anstoßen, so Kerstan. „Aber wir überlegen gerade, ob wir bei der Dienstwagenflotte des Senats einen ersten kleinen Beitrag leisten können.“