Hamburg. Die Filmbranche kürt ihre besten: Nominiert ist auch die Hamburgerin Katrin Aschendorf, Kostümbildnerin von Fatih Akins Drama „The Cut“.
Wenn an diesem Freitag am Palais am Funkturm in Berlin der Deutsche Filmpreis vergeben wird, sind auch zwei Hamburger unter den möglichen Preisträgern. Burghart Klaußner ist im Rennen für die Lola als bester Nebendarsteller für seine Rolle im Drama „Im Labyrinth der Angst“. Und auch eine Frau aus der Hansestadt ist unter den Nominierten, damit es schön paritätisch ist. Katrin Aschendorf könnte womöglich für ihre Kostüme gewinnen, die sie zu „The Cut“ beigesteuert hat. Fatih Akins episches Drama um den Genozid an den Armeniern war ihr erster historischer Film und hat ihr auch gleich die erste Nominierung für einen Preis eingebracht.
Aschendorf machte Urlaub und lag in Spanien am Strand. Als sie nach längerer Zeit mal wieder ihr Handy anschaltete, hatte sie eine SMS von Andrew Bird bekommen. Der Cutter von „The Cut“ gratulierte ihr darin zur Filmpreisnominierung. „Das bedeutet mir viel“, sagt sie zur Auswahl der Akademie. Sie ist eine der insgesamt in drei Kategorien Nominierten vom künstlerischen Team hinter „The Cut“. Gewinnen könnten bei der Filmpreis-Gala auch Waldemar Pokromski und Sabine Schumann (Maskenbild) und Alexander Hacke (Filmmusik).
Es war eine ungewöhnliche Aufgabe, die Aschendorf bei diesem Film übernahm. Die Handlung beginnt im Jahr 1915, als der armenische Schmied Nazaret von seiner Familie getrennt, in ein Straflager gesteckt und beinahe ermordet wird. Aber er kann entkommen und macht sich auf die lange Suche nach seiner Familie.
Aschendorf und ihr Team mussten Kostüme für 100 Schauspieler und Kleindarsteller ausleihen oder anfertigen lassen. Dazu kamen noch einmal bis zu 2500 Komparsen. Armenische Alltagskleidung und Uniformen, kubanische Bekleidung, Klamotten für Eisenbahnarbeiter – es musste im wahrsten Sinne des Wortes ein großes Spektrum abgedeckt werden.
Aschendorfs Arbeit begann bereits ein halbes Jahr vor dem Drehbeginn. In Hamburg gibt es keinen Fundus für historische Kostüme, also musste sie nach Berlin, Babelsberg, Madrid und London reisen. Uniformen fand sie schließlich in einem Fundus in Polen.
Dass sie überhaupt den Zuschlag für den Job bekam, war zuerst nicht sicher. Es gab wohl starke Konkurrenz, aber irgendwann sagte Akin zu ihr: „Mach mir doch mal ein Konzept!“ Man kennt sich. Dieser Film ist schon ihre vierte Zusammenarbeit nach „Gegen die Wand“, „Auf der anderen Seite“ und „Soul Kitchen“.
Gedreht wurde in unter anderem in Deutschland, Kanada, Jordanien und auf Kuba. Dort hatte Aschendorf mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der venezolanische Staatschef Hugo Chávez war gestorben. Weil er ein guter Freund von Kubas Revolutionsführer Fidel Castro gewesen war, versank die Zuckerrohrinsel gleich mit in kollektive Trauer, Aschendorf kam lange nicht an die Kisten mit den Kostümen heran, die beim Zoll lagerten. „Die letzte Kiste haben wir erst einen Tag vor Drehstart bekommen“, erinnert sie sich.
Die Funktion von Kostümen im Film wird oft unterschätzt – sofern es sich nicht um einen Kostümfilm handelt. Auf subtile Weise unterstreichen sie die Dramaturgie. Natürlich müssen sie historisch korrekt sein, aber es gab in diesem Fall auch ein Motto für den „Look“ des Films: „Wir drehen einen bunten Schwarz-Weiß-Film.“ Das bedeutete: entsättigte Farben. Sandtöne in Jordanien, warme Farben für Kuba, in Kanada mehr Blau, weil es dort so kalt war. Eine Mitarbeiterin kümmerte sich ständig um Hauptdarsteller Tahar Rahim, von dessen Kostüm es acht Versionen gab. Eine ordentliche zu Beginn seiner Odyssee, eine bequeme für die Stunt-Szenen, eine abgewetzte für das Ende seiner Reise und mehrere Zwischenstufen. Fünf bis sechs Leute waren ständig damit beschäftigt, nicht nur seine Bekleidung, sondern auch die der anderen Mitwirkenden einzuschmutzen. Das sei zwar, sagt Aschendorf, der Geschichte geschuldet, aber auch ein aktueller Trend. „Wir erleben zurzeit gerade großes Patina-Kino. Alle Kostüme sollen total abgerockt aussehen. Früher musste immer alles so sauber aussehen. Manchmal so gelackt wie bei Rosamunde Pilcher.“
Zur Kostümbildnerei ist Aschendorf nicht auf dem konventionellen Weg über ein Studium gekommen. Schon während ihrer Schulzeit machte sie ein Praktikum in der Requisite des Schauspielhauses. „Da war mir klar: Ich will zum Theater.“ Sie lernte Bühnenmalerei. Durch einen Bekannten kam sie zu RTL. Dort hieß es: „Wir brauchen noch jemanden, der für ,Der Preis ist heiß‘ Harry Wijnfoord anzieht.“ Und das war sie. Später arbeitete sie dort noch für die Sendungen „Traumhochzeit“, „Jeopardy!“ und für Frank Elstner. Ihre Freunde beim Off-Theater wunderten sich: „Wie kannst du nur für diese Leute arbeiten?“
Aschendorfs nächste Arbeit ist ab dem 25. Juni im Kino zu sehen
Sie nahm die Zeit beim Privatsender als gute Übung. Wie man jetzt an der Filmpreis-Nominierung sieht, war sie das offenbar. Und schon bald kann man Aschendorfs Arbeit wieder im Kino sehen, denn sie hat die Kostüme zu Ulrike Grotes Schwaben-Komödie „Täterätää! – Die Kirche bleibt im Dorf 2“ gemacht, der am 25. Juni startet.
Noch mehr in den Fokus gerückt wird das selten im Vordergrund stehende Filmkunst-Gewerk Kostümbild beim Deutschen Filmpreis durch den Ehrenpreis an Barbara Baum. Die 71-Jährige mit dem besonderen Gespür für historische Stoffe hat Kostüme für mehr als 70 deutsche und internationale Kino- und TV-Produktionen entworfen, beispielsweise für „Die Ehe der Maria Braun“, „Das Geisterhaus“ und „Buddenbrooks“.
Interessant werden könnte die Preisverleihung auch wegen der Teilnahme von Til Schweiger. Der Filmemacher, der sich von Kritikern und wohl auch von der Deutschen Filmakademie chronisch unverstanden fühlt, bekommt für „Honig im Kopf“ eine Lola für den besucherstärksten Film des Jahres. Diese Auszeichnung fehlt ihm noch in seiner Trophäen-Sammlung. Die Präsidentin der Filmakademie, Iris Berben, hat erklärt, der Preis sei „eine Anerkennung für eine große kreative und produzentische Leistung“. Das wird Schweiger gern gehört haben.
„Der Deutsche Filmpreis“ Fr, 22.45 Uhr, ZDF