Hamburg. Wer sich ummelden oder einen Pass beantragen will, braucht Geduld. Nun werden Mitarbeiter eingestellt – allerdings im Callcenter.

Die vor eineinhalb Jahren eingeführte Terminvergabe in den Kundenzentren der Bezirksämter hat schon für viele Diskussionen gesorgt. Denn der gut gemeinte Plan der Bezirksämter, die Bürger dazu anzuhalten, sich für jedes Anliegen einen Termin zu holen, an dem sie dann auch prompt bedient werden, ist bislang nicht ganz aufgegangen.

Zwar ist die durchschnittliche Wartezeit für Terminkunden mit rund sieben Minuten nur noch gering. Doch dafür müssen die Bürger nicht selten wochen- oder sogar monatelang auf einen Termin warten, und rund die Hälfte der Kunden ignoriert die Umstellung einfach und kommt weiterhin spontan in eines der 20 Kundenzentren – was eigentlich nicht vorgesehen ist und das System durcheinanderbringt. Wie berichtet, gehen daher auch viele der Mitarbeiter auf dem Zahnfleisch.

Nun hat der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Thilo Kleibauer mit einer Kleinen Anfrage an den Senat einen weiteren Aspekt der Umstellung zu Tage gefördert, der zu denken gibt: Während in den Kundenzentren seit 2012 die Zahl der Vollzeitstellen von 230 auf 210 gesenkt wurde und wohl noch weiter auf rund 200 sinken wird, wurden im Gegenzug 8,3 Stellen beim Telefonischen HamburgService (THS) aufgebaut – um die steigende Zahl von Anrufen unter der zentralen Behördennummer 115 zwecks Terminvergabe bearbeiten zu können. Die Kosten, bislang 347.000 Euro, übernehmen die Bezirke – gestaffelt nach Einwohnerzahl.

„Während vor Ort in den Bezirken das Personal fehlt und einige Kundenzentren im Sommer ganz schließen sollen, wird das zentrale Callcenter der Stadt deutlich aufgestockt. Das passt nicht zusammen“, kritisiert CDU-Finanzexperte Kleibauer. „Nicht zuletzt die langen Wartezeiten auf Termine zeigen, dass der Senat bei den Kundenzentren dringend handeln muss. Statt die Bürger für viel Geld am Telefon zu vertrösten, sollte stattdessen die Servicequalität in den Dienststellen vor Ort wirksam verbessert werden.“

Stichproben des Abendblatts bestätigten die Schwierigkeiten, an einen Termin zu kommen. Einige Beispiele: Wer im Kundenzentrum Alstertal im Internet unter www.hamburg.de/kundenzentrum einen Termin für die Beantragung eines Personalausweises suchte, eine Dienstleistung, für die 15 Minuten veranschlagt werden, bekam als frühesten Zeitpunkt den 14. Juli angeboten – das ist in fünf Wochen. Im Kundenzentrum Harburg war gar erst am 4. August der nächste Termin frei, also in fast zwei Monaten. Etwas besser sah es in Barmbek-Uhlenhorst aus: Dort wurden die Bearbeitung „schon“ für den 23. Juni angeboten, also in zwei Wochen. Auch wer mit Partner und zwei Kindern nach Hamburg zieht und die vier Personen ordnungsgemäß anmelden will, braucht Geduld. Im Kundenzentrum Lokstedt war für die 60-Minuten-Dienstleistung frühestens am 21. Juli ein Termin zu bekommen, im familiären Rahlstedt auch erst am 20. Juli. Ein Paar, dass sich innerhalb Hamburgs eine neue Wohnung sucht und zum Beispiel nach St. Pauli zieht, kann die Ummeldung – Dauer: 20 Minuten – im Kundenzentrum auf dem Kiez frühestens am 23. Juli vornehmen. Problem bei allen diesen Terminen: Sie liegen in den Sommerferien, und dann sind viele Hamburger verreist. Für die Zeit danach, also ab Ende August, vergeben die Kundenzentren aber jetzt noch keine Termine, sondern frühestens zwei Monate im Voraus.

Die Zahl der Anrufe im Callcenter ging zwischenzeitlich sogar zurück

Zwar ist die Zeit vor den Sommerferien nicht ganz repräsentativ, da vielen erst dann auffällt, dass ihre Reisedokumente abgelaufen sind und der Andrang besonders groß ist. Doch die langen Wartezeiten wurden erst kürzlich auch vom Landesrechnungshof bestätigt: Die Prüfer hatten im Frühjahr Kundenzentren getestet und kamen zu dem Ergebnis, dass die Bürger damals im Durchschnitt 14,5 Tage auf einen Termin warten mussten (das Abendblatt berichtete). Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD), der das Projekt Terminvergabe federführend für alle Bezirke koordiniert, verteidigt die Strategie hingegen. Nach Einführung der Terminvergabe Anfang 2014 sei die Zahl der Anrufe beim Telefonischen HamburgService stark gestiegen. „Deshalb haben wir uns entschieden, den THS personell zu verstärken, denn wir wollten nicht, dass dort ein Stau bei der Terminvergabe entsteht.“

Die Zahl der Anrufe beim THS war 2014 von 178.000 im Februar auf 233.000 im März angestiegen – vermutlich lag das an der Einführung der Terminvergabe. Allerdings passt das nicht zu einer anderen Entwicklung: Seit Mai 2014 können sich auch die Bürger in Schleswig-Holstein an den Telefonischen HamburgService wenden – dennoch ging die Zahl der Anrufer danach auf bis zu 147.000 im Monat zurück. Im März 2015 – das sind die aktuellsten Zahlen – gab es 360.000 Anrufe, wobei Termine im Kundenzen­tren mit knapp sechs Prozent das häufigste Anliegen der Anrufer waren. Völsch und seine Bezirksamtsleiterkollegen hatten zwar an die Bürger appelliert, sich vor allem im Internet einen Termin zu buchen. Aber wenn sie die 115 wählen, ist es ihm auch recht: „Wir wollen ja, dass die Bürger einen Termin vereinbaren, daher freuen wir uns, wenn sie beim THS anrufen.“