Hamburg. Der Vorsitzende des Steuerzahlerbundes über das Kostendebakel der Elbphilharmonie und die fehlenden juristischen Konsequenzen.

Jetzt ist es amtlich: Das Kostendebakel beim Bau der Elbphilharmonie hat kein juristisches Nachspiel für die Verantwortlichen. Wie das Abendblatt berichtete, hat die Staatsanwaltschaft ein Jahr lang ermittelt, ob der 725 Seiten umfassende Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Hinweise auf Straftaten enthält. Jetzt wurde die Akte Elbphilharmonie offiziell geschlossen. „Wir haben umfassend in alle Richtungen geprüft“, sagt Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, „aber keine der infrage kommenden Straftatbestände wie Untreue, Betrug oder etwaige Korruptionsdelikte sind durch den PUA-Bericht durch einen Sachverhalt erfüllt worden.

Wir haben keine konkreten Anhaltspunkte gefunden, die die Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen rechtfertigen.“ Im Frühjahr 2007 hatte die Bürgerschaft Kosten von 114,3 Millionen Euro für das Bauwerk bewilligt. Wenn das Konzerthaus im Januar 2017 eröffnet wird, kostet es den Steuerzahler 789 Millionen Euro. Fragen an Lorenz Palte, den Vorsitzenden des Steuerzahlerbundes.

Hamburger Abendblatt: Wie beurteilen Sie das Vorgehen der Staatsanwaltschaft?

Lorenz Palte Wir sind nicht besonders überrascht darüber, dass die Staatsanwaltschaft dem Baudesaster rund um die Elbphilharmonie nicht weiter nachgehen wird. Der deutschen Gesetzgebung fehlt es bis heute an einem geeigneten Werkzeug, um Steuergeldverschwendung in Politik und Verwaltung nachgehen zu können. Der Staatsanwaltschaft kann man an dieser Stelle keinen Vorwurf machen.

Welcher Straftatbestand hätte sich Ihrer Meinung nach aus dem PUA-Bericht ergeben?

Palte: Laut Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde die Hamburgische Bürgerschaft, die die Gelder für den Bau der Elbphilharmonie ja letzten Endes jedes Mal freigeben musste, durch die Verantwortlichen wohl unvollständig informiert. Doch dies nach geltendem Recht zu beurteilen ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

Wer trägt für Sie die Hauptverantwortung an dem Kostendebakel?

Palte: Die damals handelnden Personen, die den Startschuss für den Bau gegeben haben, wollten sich ein Denkmal setzen. Bürgermeister Ole von Beust hat die grobe Richtung vorgegeben und den zuständigen Verantwortlichen dann freie Hand gelassen. Geblendet von einmaliger Architektur und dem Glauben, ein solches Jahrhundertbauwerk für relativ wenig Geld zu erhalten, geriet die Frage nach der Finanzierung der Elbphilharmonie rasch aus dem Blickfeld. Es sollte auf Teufel komm raus gebaut werden. Kein Privatmensch kann es sich erlauben, mit dem Bau seines Hauses zu beginnen, bevor Planungen abgeschlossen sind. So etwas funktioniert nur in Politik und Verwaltung, verankert im Wissen, dass Steuergelder nicht aufhören zu sprudeln.

Der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust hat die politische Verantwortung übernommen.

Palte: Es ist nicht die ganz große Kunst, politische Verantwortung erst dann zu übernehmen, wenn man bereits aus dem Amt ausgeschieden ist. Bei unserem derzeitigen Strafrecht ist es ein Leichtes, die Verantwortung für fehlgeschlagene öffentliche Projekte zu übernehmen, denn strafrechtliche Sanktionen hat man in aller Regel nicht zu befürchten. Und am Ende ist es dann wie immer: Allein der Steuerzahler bleibt auf dem angerichteten Schaden sitzen.

Wie hätten er oder andere juristisch
zur Rechenschaft gezogen werden
können?

Palte: Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage ist dies eine schwierige Frage. Schließlich haben die Verantwortlichen die Steuergelder nicht vorsätzlich versenkt. Zudem haben wir in solchen Fällen, egal ob Berliner Flughafen, Stuttgart 21 oder Elbphilharmonie, am Ende immer das Problem der verschiedenen Verantwortlichkeiten. Es ist im Nachhinein gar nicht so leicht feststellbar, wer wann was gewusst und entschieden hat. Die Frage ist jedoch, ob Ole von Beust und sein Umfeld überhaupt den Startschuss für den Bau hätten geben dürfen, ohne das Projekt zu Ende zu planen. Hätten die tatsächlichen Kosten von Anfang an festgestanden, hätte man die Elbphilharmonie mit Sicherheit nicht gebaut.

Wie sollte das Strafrecht für solche Fälle geändert werden?

Palte: Es ist doch so, dass nicht nur Steuerhinterziehung dem Gemeinwesen schadet, sondern eben auch Steuergeldverschwendung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Steuergeldverschwendung ebenso konsequent nachgegangen und gegebenenfalls bestraft wird wie Steuerhinterziehung. Hierzu ist der Straftatbestand der Haushaltsuntreue im Strafgesetzbuch zu verankern. Es muss ausdrücklich auf die Verfolgung und Bestrafung von Steuergeldverschwendung durch Staatsdiener und Amtsträger abgezielt werden. Zu einem solchen Gesetz haben wir bereits konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt.

Wie sehen die aus?

Palte: Wir fordern, dass ein Amtsträger, der die Ausgaben öffentlicher Mittel bewilligt und dabei wesentliche haushaltsrechtliche Vorschriften missachtet, mit einer Freiheits- oder einer Geldstrafe belegt werden kann. Und auch wenn die Politik auf unsere Forderung hin gerne erwidert, dass den Amtsträgern durch eine Verschärfung der Rechtsvorschriften ein unberechenbares persönliches Strafbarkeitsrisiko zugemutet wird, möchten wir diesem Argument entschieden widersprechen. Schließlich sind die Regeln in Sachen Steuerhinterziehung auch sehr strikt und trotzdem sind die Gefängnisse nicht voll von Steuerhinterziehern. Wenn es der Politik mit ihren Sonntagsreden gegen Steuergeldverschwendung ernst ist, nimmt sie unsere Vorschläge an. Bei der Elbphilharmonie ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Die Aufgabe der Politik ist es nun, hieraus die richtigen Lehren zu ziehen.

Hat sich die teure Arbeit des Untersuchungsausschusses gelohnt?

Palte: Es ist wichtig, dass das Chaos rund um den Bau der Elbphilharmonie aufgearbeitet wird. Jedoch sind die Kosten nach dem untersuchten Zeitraum nochmals gestiegen. Abgesehen davon hat der PUA für knapp 50 Sitzungen 5,4 Millionen Euro verschlungen, also über 100.000 Euro pro Sitzung. Der Ausschuss war sozusagen eine Elbphilharmonie unter den Ausschüssen. Und im Verhältnis zu den verschlungenen Kosten waren die Ergebnisse dürftig, schließlich konnten oder wollten sich einige Verantwortliche an viele Details nicht mehr so genau erinnern.