Hamburg. Verkehrsbetriebe suchen nach Konsequenzen aus den Zusammenstößen mit 19 Verletzten: „Niedergang der Verkehrsmoral“. Aber: In 40 Prozent der Fälle sind Busfahrer schuld

Die Bremsmanöver kamen zu spät, Metall splitterte, dann rückten Rettungswagen an. Binnen weniger Stunden kam es am Montag zu zwei Kollisionen zwischen Autofahrern und Linienbussen in Lurup und in Altona-Nord, insgesamt 19 Menschen wurden verletzt. Die Unternehmen im Hamburger Nahverkehr beraten jetzt über Konsequenzen und kritisieren einen Moralverfall bei Autofahrern, der immer wieder zu gefährlichen Unfällen mit Personenschäden führe.

Die Busfahrer klagten zunehmend über waghalsige Fahrmanöver der Autofahrer, sagte Hochbahnsprecher Christoph Kreienbaum dem Abendblatt. „Gefühlt steigt die Unachtsamkeit der Autofahrer immer weiter an“, so der Hochbahnsprecher. In die gleiche Kerbe schlägt Martin Beckmann von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH): „Wir erleben einen spürbaren Niedergang der Verkehrsmoral, der sich allerdings kaum statistisch belegen lässt, sondern eher in traurigen Einzelfällen augenscheinlich wird.“

Nach den jüngsten Unfällen wurde in einer Sitzung des VHH-Vorstands diskutiert, worin die Ursachen liegen könnten. „Wir haben uns auch gefragt, ob etwa die Farbe von Bussen zur Unfallgefahr beiträgt“, sagt Beckmann. Silberne Busse, die der Asphaltfarbe ähnlich sehen, würden jedoch genau so häufig übersehen wie weiße oder rote Fahrzeuge.

Die Häufigkeit von Kollisionen mit Linienbussen wird weder von der Polizei noch den Verkehrsbetrieben statistisch erfasst. Laut einer Polizeisprecherin trugen die Busfahrer in den vergangenen Jahren zu etwa 40 Prozent die Hauptschuld an den Unfällen, in der Mehrheit dagegen andere Verkehrsteilnehmer. „Aus ungeklärtem Grund steigt die Zahl dieser Unfälle von Zeit zu Zeit“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. Der Automobilclub teilt die Einschätzung der Verkehrsunternehmen, registriert seit Jahren deutlich steigende Beschwerdezahlen von Mitgliedern, die sich über die Unachtsamkeit anderer Verkehrsteilnehmer beschweren.

In der Vergangenheit kam es insbesondere bei Wendemanövern von Autos über mehrere Spuren zu Kollisionen mit Bussen. „Manchen Autofahrern fehlt bei der Aussicht auf einen gegenüberliegenden Parkplatz die Geduld, die nächste Wendemöglichkeit abzuwarten“, sagt ADAC-Sprecher Hieff. Die neueste Unfallstatistik des Senats belegt, dass Fehler beim Einfahren, Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren mit 27,4 Prozent inzwischen die häufigste Ursache für Unfälle mit Personenschäden in Hamburg darstellen. Fahrgäste beschwerten sich dagegen wiederholt, dass Busfahrer sehr schnell unterwegs seien. Eine noch intensivere Schulung der Fahrer ist laut den Verkehrsbetrieben jedoch kaum möglich. „Es gibt keine Steigerung des vorausschauenden Fahrens“, sagte Hochbahnsprecher Kreienbaum.

Das laufende Busbeschleunigungsprogramm des Senats habe hingegen bislang keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Unfällen mit Busbeteiligung, sagte Kreienbaum. Durch eigene Busspuren erhofft sich der ADAC eine positive Wirkung.