Hamburg. Seit Montag gilt: Nur wer Wohnungsvermittler beauftragt, bezahlt ihn auch. Mieterverein befürchtet Tricksereien – und will Musterprozesse führen.
Künftig könnte es schwierig werden, über einen Makler eine geeignete Mietwohnung zu finden. Denn seit gestern gilt das Bestellerprinzip: Wer den Makler beauftragt, zahlt ihn auch. Nach dem neuen Gesetz ist es praktisch nicht mehr möglich, dass ein Wohnungssuchender den Makler bezahlt, den der Vermieter beauftragt hat. Der Makler darf vom Mieter nur dann Provision für die Vermittlung einer Wohnung verlangen, wenn er sie ausschließlich für ihn gesucht hat. Für Wohnungen, die sich bereits im Vermittlungsbestand des Maklers befunden haben, darf er von dem Mietinteressenten kein Geld verlangen.
„Das bedeutet, dass Makler kaum noch Aufträge von Wohnungssuchenden annehmen können“, sagt Carolin Hegenbarth, Geschäftsführerin des Immobilienverbands IVD-Nord. Im Durchschnitt sehe sich ein Mietinteressent acht Immobilien an, bis es zum Abschluss eines Mietvertrags kommt. Die anderen Wohnungen dürfe der Makler aber anderen Wohnungssuchenden nur noch provisionsfrei anbieten. Erschwerend hinzu kommt nach Ansicht der Expertin, dass der Makler bei mehreren ähnlichen Suchaufträgen künftig von keinem der Anfragenden eine Provision verlangen darf. „Interessenten, die nach Hamburg ziehen oder schnellstmöglich eine Wohnung brauchen, werden durch das neue Gesetz enorm beeinträchtigt“, so Carolin Hegenbarth. „Sie werden nur in Ausnahmefällen einen Makler finden, der sich für sie auf die Wohnungssuche begibt.“
Einer aktuellen Branchenstudie zufolge teilen drei Viertel der Makler diese Einschätzung, jeder Vierte sieht sogar seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Um dies abzuwenden, will sich jeder zweite Makler künftig stärker auf den Verkauf von Immobilien spezialisieren.
Während Carolin Hegenbarth Nachteile besonders für die kleineren Maklerbüros befürchtet, nimmt man das neue Gesetz beim Immobiliendienstleister Grossmann&Berger mit Gelassenheit auf. Dennoch hat sich das Unternehmen auf die Veränderung eingestellt. „In Zukunft wollen wir uns auf die Vermieter konzentrieren und ihnen Dienstleistungsmodule anbieten“, sagt Bereichsleiter und Vermietungsexperte Andreas Gnielka. Das „Basispaket“ umfasst Beratung und Mietvertragsverhandlung und kostet eine Nettokaltmiete. Kommen Kundenmanagement, Marketing und Bonitätsprüfung dazu, sind eineinhalb Nettokaltmieten fällig. Übernimmt Grossmann&Berger auch die Übergabe und eine Vermietungsgarantie von zwölf Monaten, beträgt das Honorar zwei Nettokaltmieten. Bei 80 Prozent der Bestandsimmobilien habe man mit den Vermietern Verträge nach dem neuen Konzept schließen können. In den restlichen Fällen wollten sich die Vermieter noch nicht festlegen, sondern sich zunächst über die Angebote anderer Makler informieren oder die Vermietung selbst übernehmen.
In der Immobilienbranche bescheinigt man dem neuen Gesetz auch gute Seiten
Die höhere Transparenz der Maklerleistungen bewertet Gnielka als positiv. „Sie führt zu einer Marktbereinigung. Schwarze Schafe werden es schwer haben.“ Dass Vermieter aus Kostengründen ihre Wohnungen künftig nur noch privat vermieten, um Kosten zu sparen, glaubt der Makler nicht. „Das ist gerade in Großstädten sehr zeitintensiv. Wenn den Vermietern das klar geworden ist, erwarten wir, dass sie wieder auf uns zurückkommen.“
Die Mietervereine rechnen damit, dass es Versuche von Maklern und Vermietern geben wird, die neue Regelung zu umgehen. Beschwerden gingen allerdings am Montag noch nicht ein. „In der Vergangenheit hatten wir aber mehrere solcher Beschwerden“, so Eckard Pahlke, Vorstand des Mietervereins zu Hamburg. Dabei seien Fälle geschildert worden, bei denen interessierte Mieter bei Besichtigungsterminen Verträge unterzeichnen sollten, die belegen sollten, dass sie selbst den Makler beauftragt haben. In der Vergangenheit war das zulässig, nun ist eine solche Praxis rechtswidrig. „Wir rechnen damit, dass weitere ähnliche Fälle bei uns gemeldet werden“, so Pahlke. „Wir werden in allen Fällen dagegen vorgehen und bei gegebenem Anlass Musterprozesse führen.“ Selbst wenn Mieter solche rechtswidrigen Verträge unterzeichnet hätten, könne man das Geld noch zurückerwirken.
Auch Sylvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern ist auf etwaige „Umgehungsmanöver“ eingestellt. Denkbar sei, dass Vermieter eine Vertragsausfertigungsgebühr von 200 bis 300 Euro verlangen würden, sagt sie. „Das ist aber immer noch besser als 2000 oder 3000 Euro.“ Beispiele für derartige Gebühren findet man bereits im Netz, etwa bei Immobilienscout. Dort heißt bei dem Angebot für eine Zweizimmerwohnung in Eimsbüttel: „Ohne Courtage – Vertragsgebühr in Höhe von Euro 250,00 zzgl. Mwst“. „Wir gehen davon aus, dass der Fantasie hier keine Grenzen gesetzt sind“, sagt Eve Raatschen, Juristin bei Mieter helfen Mietern. „Wichtig ist, dass alle Mieter wissen, dass sie ab dem 1. Juni 2015 nur noch einen Makler zahlen müssen, wenn sie ihn selbst beauftragt haben, für sie eine Wohnung zu suchen.“