Sichtlich gut gelaunt hat sich Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) aus dem Pfingstwochenende zurückgemeldet. Bei der turnusmäßig am Dienstag nach der Senatssitzung stattfindenden Landespressekonferenz hatte er mit dem Beschluss zur Finanzierung eines Wohnheims für minderjährige Azubis auch vergleichsweise harmlose Nachrichten zu verbreiten. Da konnten ihm selbst etliche Nachfragen nach seiner beruflichen Zukunft die Laune nicht verderben. Ob er sich zu den Meldungen, dass er spätestens ab 2017 den Chefposten bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg übernehmen werde, äußern wolle? „Nein“, antwortete Scheele vielsagend grinsend. Die Verbreitung dieser Nachricht vor Pfingsten dürfte zu dem Hochgefühl beigetragen haben.

Dass solche Momente nicht lange andauern, ist der 58-Jährige gewohnt. Schnell holt einen der politische Alltag ein. In dieser Woche war es mal wieder der Streik der Erzieherinnen und Erzieher an den kommunalen Kitas. Seit dem 8. Mai befinden sich etwa 2000 von ihnen im Ausstand. Es geht um höhere Eingruppierung in die Gehaltsstufen. Von dem Streik betroffen sind etwa 25.000 Kinder und ihre Eltern.

Bei vielen von ihnen liegen am Ende der dritten Streikwoche die Nerven blank. Die Berufstätigen nehmen ihren Jahresurlaub oder reduzieren die Stundenzahl, wenn sie ihre Kinder nicht anderweitig betreuen lassen können. Die Not bei einigen scheint so groß, dass sie bereits um den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten. Und so wurde in dieser Woche die Forderung an die Politik immer lauter, sich doch endlich einzuschalten. Der Landeselternausschuss etwa ging Scheele an, er dürfe den Streik nicht länger aussitzen und solle stattdessen Druck auf die Arbeitgeber machen.

Mehrere Hundert Eltern und Kinder nahmen das Rathaus in Beschlag

Am Dienstag entlud sich dann der Ärger während einer Demonstration in der Innenstadt. Mehrere Hundert Eltern und Kinder nahmen das Rathaus kurzfristig in Beschlag und drangen sogar bis zu den Büros der SPD-Fraktion vor. Detlef Scheele, der Adressat der Forderung nach Einflussnahme auf die Verhandlungen ist, konnten die Eltern aber gar nicht antreffen. Er hat sein Büro vier Kilometer entfernt an der Hamburger Straße. Und nicht nur das. Formal ist er auch gar nicht zuständig. Das hat Scheele am Donnerstag in der Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft noch einmal deutlich gemacht. Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften führt die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Außerdem sind Scheeles Einflussmöglichkeiten auf die Verhandlungen ziemlich beschränkt. Einen Abschluss gibt es nur, wenn mindestens 75 Prozent aller in der VKA organisierten Kommunen zustimmen. Hamburg allein hätte wenig Gewicht.

Dennoch gab es in der Sozialbehörde die Überlegung, ob es nicht doch eine Hamburger Lösung in dem Konflikt geben könnte. Sowohl im Senat als auch in den Fraktionen sieht man in dem Streik, der für viele Familien eine massive Belastung darstellt, mittlerweile eine „Gefährdung für den sozialen Frieden in der Stadt“. Die Variante, parallel zum VKA mit Ver.di und GEW zu verhandeln, wurde aber schnell verworfen. Eine Vereinbarung kann nur dann getroffen werden, wenn es auf Bundesebene schon einen Abschluss gibt. Auf diese Weise werden die Hamburger Erzieherinnen ohnehin besser eingruppiert als im Bundesschnitt.

Scheele und die Regierungsfraktionen wirkten auf eine Lösung hin

Wenn es schon keine Lösung in dem Streit um die Eingruppierung gibt, sollte doch die Lage der Eltern entschärft werden. Sowohl Scheele als auch die rot-grünen Regierungsfraktionen wirkten in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder darauf hin. So gibt es die Idee, zumindest einem Teil der Eltern zu ermöglichen, Tagespflegeeinrichtungen zu nutzen, ohne aus dem Kita-Gutscheinsystem auszuscheren. Immerhin tritt nun die Lösung, nach der je zwei benachbarte Kitas einen Notdienst bereitstellen, am kommenden Freitag in Kraft. Für Ver.di hätte es sofort losgehen können. Dem Vernehmen nach sieht sich die Elbkinder-Vereinigung erst mit einer Woche Vorlauf in der Lage, den Notdienst zu organisieren.

Auch wenn es im Bezug auf die Entlastung der Eltern zu einer Annäherung gekommen ist, laufen schon jetzt die Überlegungen an, wie es nach einem Abschluss im Bund weitergehen könnte.

Und so lautet die Strategie, die Gewerkschaften darauf hinzuweisen, dass ein Verhandlungsergebnis auf Bundesebene keine Verbesserung für die Hamburger Erzieherinnen bedeuten würde. Die Gewerkschaften fordern einen Sprung um drei Gehaltsgruppen. Wahrscheinlich sind eine oder zwei. Damit würde das Bundesniveau höchstens auf das der Hansestadt gehievt. Die Hamburger Erzieherinnen hätten für ihre Kolleginnen in Bund gestreikt, aber für sich erst einmal nichts erreicht – weil sie ohnehin besser gestellt sind.

Daran, dass es künftig wieder einen Aufschlag gibt, ist derzeit nicht zu denken. „Wir müssen die Verbesserung der Betreuungsqualität in den Kitas finanzieren“, heißt es aus den Regierungsfraktionen mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag. Für ein „Sahnehäubchen“, wie eine Besserstellung im Vergleich zum Bundesabschluss, sei kein Geld da. Außerdem dürfte man im Rathaus darauf setzen, dass nach einem beendeten Streik das Verständnis für einen weiteren bei Null sein dürfte.

Bei der Frage nach der beruflichen Zukunft gab sich Scheele ebenfalls hartnäckig. Immerhin ließ er sich am Dienstag noch eine kurze Antwort entlocken: Auf die Frage, ob es ihm schwer fallen würde, Hamburg zu verlassen, sagte er nur „ja“.