Am 3. Mai vor 70 Jahren war in Hamburg der Krieg zu Ende. Viele Bahnen fuhren schon wenige Tage nach der Kapitulation wieder.

Ab zwölf Uhr galt am 3. Mai 1945 für alle Straßen- und U-Bahnen sowie die städtischen Omnibusse und die Eisenbahn ein Fahrverbot. Diese Anweisung der Engländer wurde zwar schon am Tag nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen wieder aufgehoben. Allerdings machten verschüttete Straßen einen regelmäßigen Verkehr – egal ob auf den Straßen oder auf Schienen – zunächst kaum möglich. Vor dem Krieg gab es in Hamburg etliche Hundert Kilometer Straßenbahn. Hinzu kamen die U-Bahn-Ringlinie mit ihren Abzweigungen in die wichtigsten Stadtviertel und ein regelmäßiger Linienbetrieb der Alsterschiffe sowie Vorortbahnen.

Es sollte fünf Tage dauern, bis am 8. Mai die erste U-Bahn wieder fuhr. Wie Marcus Schomacker auf seiner Internetseite „Hamburger-Untergrundbahn.de“ schreibt, verkehrten Züge auf folgenden Strecken: a) nordwestlicher Ring zwischen Barmbek und Sternschanze, b) Kelljung-Langenhorn zwischen Ochsenzoll und Jungfernstieg, c) Walddörfer zwischen Ohlstedt und Jungfernstieg, d) in Richtung Eimsbüttel zwischen Osterstraße und Hellkamp.

Hier kommen Sie zum Multimedia-Projekt

Die Züge hielten „nicht in Sierichstraße, Christuskirche, Habichtstraße und Klein-Borstel, da diese Stationen erheblich beschädigt“ waren, schreibt Schomacker. Die Walddörferzüge wiederum fuhren zunächst nach Barmbek, dann zur Kellinghusenstraße und von dort weiter zum Jungfernstieg. Die Fahrt über die Station Mundsburg war nicht möglich.

Weil viele Menschen in weniger zerstörten Randgebieten Hamburgs lebten, war es wichtig, nach der Kapitulation rasch den öffentlichen Verkehr wieder in Gang zu bringen. Bereits am 5. Mai war zwischen Blankenese und Poppenbüttel der S-Bahn-Betrieb – wenn auch behelfsmäßig – wieder aufgenommen worden.

Ein Problem ergab sich dadurch, dass die britische Besatzungsverwaltung vor allem in Harvestehude angesiedelt wurde. Bei allen U-Bahn-Zügen, die durch Harvestehude fuhren, musste auf Weisung der Briten der erste Wagen eines jeden Zuges für Engländer frei bleiben. Die Regelung, die deutschen Zivilisten die Mitfahrt in diesen Abteilen untersagte, galt bis weit in den August 1945 hinein.

Grundsätzlich hatten Besatzungsangehörige in öffentlichen Verkehrsmitteln freie Fahrt, schreibt der Historiker Michael Ahrens in seinem Buch „Die Briten in Hamburg – Besatzerleben 1945-1958“. „Im Juli 1945 ordnete die Militärregierung an, dass für Soldaten stets die Vorderplattformen der Straßenbahnwagen frei zu halten waren. Entsprechende Hinweisschilder der Hochbahn waren an allen Wagen angebracht.“

Ähnliche Regelungen galten in S-Bahnen. Dort „waren jeweils ganze Abteile (‚Compartments‘) für britische Angehörige reserviert, die, egal, wie voll besetzt die Bahnen waren, nur von Briten genutzt werden durften“.

Bis zur Wiederaufnahme des Straßenbahnbetriebes dauerte es einige Tage länger. „Am 16. Mai verkehrten die ersten Straßenbahnen“, sagt Daniel Frahm, Historiker bei der Hochbahn. Insgesamt rollten die Bahnen auf 14 Strecken wieder.

Allerdings wurde in den darauf folgenden Wochen rasch deutlich, dass angesichts des Mangels an Kohle nicht ausreichend Elektrizität zur Verfügung gestellt werden konnte. So verfügten die Engländer am 22. Juli 1945 „eine sonntägliche Betriebsruhe von 10 bis 16 Uhr – im gesamten Netz“, schreibt Schomacker.

Viele Fährbarkassen wurden zum Transport von Schutt eingesetzt

Auch der Fährverkehr lag danieder. Vor dem Krieg gab es im Hamburger Hafen einen eng getakteten Liniendienst. „In den ersten Wochen nach der Kapitulation konnten keine Fähren fahren, weil Teile des Hafengebietes noch vermint waren“, sagt Frahm. In den Hafenbecken lagen zudem an vielen Stellen Schiffswracks. Hinzu kam, dass viele „Fährbarkassen“ nach dem Krieg requiriert und zum Transport von Material verwendet wurden.

Nach Angaben von Arthur Dähn von der Hamburger Baubehörde erlitten die Anlagen der Deutschen Reichsbahn und der Hamburger Hochbahn besonders schwere Zerstörungen an den Brücken. „So wurden etwa 20 Bahnbrücken völlig zerstört und 40 Bahnbrücken so stark beschädigt, dass sie erst nach Durchführung umfangreicher Wiederherstellungsarbeiten befahrbar wurden.“

Hinzu kam, dass etwa 90 Kilometer Gleise und 300 Weichen dem Bombenangriffen zum Opfer gefallen waren. Besonders gelitten hatte die Eisenbahninfrastruktur auf dem Gelände des Hafens. „Die Gleisanlagen ‚Veddeler Damm‘ waren durch Luftangriffe schwer getroffen worden“, schreibt Michael Ahrens. Das beeinträchtigte den Gütertransport an die Liegeplätze.

„Bei der U-Bahn traten größere Zerstörungen ein, so dass die Linie Hauptbahnhof/Rothenburgsort völlig ausfiel und der Ring zwischen Barmbek und Berliner Tor nicht befahren werden konnte“, schreibt Dähn. Tunnelanlagen waren durch Volltreffer teilweise außer Betrieb gesetzt worden.

„Die U-Bahn in der Mönckebergstraße war ebenso wie die U-Bahnhaltestelle Christuskirche in Eimsbüttel durch einen direkten Bombentreffer so beschädigt, das dort keine U-Bahn fahren bzw. halten konnte“, sagt Frahm. Die Haltestelle an den Landungsbrücken wiederum war gleich zwei Mal von Bomben getroffen worden. Ohnehin galten die südlichen Teile der Ringlinie als schwer in Mitleidenschaft gezogen. „Der Bereich an der Elbe unweit des Hafen war nicht befahrbar.“

Nicht weniger schwer fiel ins Gewicht, dass gut ein Drittel der U-Bahnwagen im Krieg zerstört wurden. „Unglücklicherweise waren noch 1944 die Untergestelle von 100 U-Bahnwagen nach Görlitz transportiert worden, damit sie dort wieder aufgearbeitet werden konnten“, schreibt Hartmut Hohlbein in seinem Buch „Hamburg 1945 – Kriegsende, Not und Neubeginn“.

Hinzu kam, dass ein Drittel der Straßenbahnwagen und Werkstätten im Krieg zerstört wurde, sagt Frahm. „500 von 1600 Straßenbahnwagen fehlten, und eine Vielzahl der Werkstätten im Krieg konnten nicht oder nur teilweise genutzt werden.“

Letztlich war auch die Personalfrage oftmals schwer zu beantworten. Rund 1500 Arbeitskräfte wurden für die verschiedenen Bereiche gesucht. Erschwerend kam hinzu, dass auf Anweisung der Briten 553 Mitarbeiter entlassen wurden, die nach dem 1. April 1933 in die NSDAP eingetreten waren, schreibt Marcus Schomacker.

Wie schwer der Ausfall der Straßenbahn die Stadt traf, lässt sich daran ermessen, dass sie für den Wirtschaftsverkehr und die Beseitigung von Trümmern von großer Bedeutung war. Der Rathausmarkt galt beispielsweise als zentraler Paketumschlagplatz. „Pakete wurden dort so wie andere Wirtschaftsgüter mit der Straßenbahn zu verschiedenen Punkten der Stadt befördert“, schreibt Hohlbein.

Damit möglichst rasch wieder U- und Straßenbahnen regelmäßig fahren konnten, wurde bei den Aufräumungsarbeiten besonderes Augenmerk auf zentrale Straßenzüge gelegt. „Die Räumung der Ferdinandstraße machte es endlich möglich, die Straßenbahnlinien 16, 18 und 22 wieder über den Rathausmarkt zu führen“, schreibt Hohlbein. Auf intakten Strecken galt es, einen regelmäßigen Verkehr von U- und Straßenbahnen im 15-Minuten-Takt zu gewährleisten.

Schon im Juli 1945 waren die Schäden an den Oberleitungen großteils behoben

Zwar konnte von einem regulären Betrieb für die ganze Stadt keine Rede sein, aber bereits im Juli 1945 waren die Schäden an Straßenbahngleisen und Oberleitungen weitgehend behoben, schreibt Hohlbein. „Bei der Instandsetzung von beschädigten Strecken hat man einen Teil der benötigten Materials aus Rothenburgsort genommen, indem man dort die zerstörte Linie demontierte“, sagt Frahm.

Von großer Bedeutung war die Aufnahme der täglichen Bahnverbindung zwischen dem Hamburger Hauptbahnhof und dem Süderelberaum Mitte Juli 1945. „Um möglichst viele Personen zwischen Harburg und Hamburg befördern zu können, setzte die Reichsbahn die für die Hamburg-Lübeck-Büchener-Eisenbahn gebauten doppelstöckigen Wagen ein“, schreibt Hohlbein.

Bei den Straßen waren die Zerstörungen noch größer als bei der Straßen- und der U-Bahn. Sie seien an 4300 Stellen beschädigt gewesen, fand Dähn heraus. So galten rund 250.000 Quadratmeter Straßendecke als zerstört. „Die Schäden ergaben sich aus Sprengbomben, die das Straßenpflaster aufrissen; durch Hitzeeinwirkungen im Feuersturm, die das Granitpflaster aufbrechen ließen, und durch herabstürzende Gebäudetrümmer, die Straßen und Fußwege beschädigten.“

Die ersten Fortschritte im öffentlichen Leben nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes und der Besetzung durch die Engländer zeigten sich bereits im Sommer. Dazu gehörte die Freigabe von 500 Telefonanschlüssen für auswärtige Gespräche durch die Engländer. Die Nachfrage hielt sich allerdings in Grenzen. Lediglich 24 Interessenten gab es, so dass die meisten Anschlüsse der Verwaltung und der Handelskammer überlassen wurden.

Auch die Wiedereröffnung der Schulen am 6. August 1945 – jene, die nicht zerstört waren, hatten in den ersten Nachkriegswochen als Notunterkunft gedient – war ein solches Zeichen. Hohlbein zufolge wurden in der zweiten Augustwoche rund 150 Schulgebäude wiedereröffnet. In etwa 1000 Schulklassen lernten rund 50.000 Kinder. Zuvor hatte die Militärregierung 1000 Lehrern die Befugnis für den Unterricht erteilt. Die Eröffnung der Schulen hatte für viele Familien einen positiven Nebeneffekt, wie Reinhard Reuss in seinen Erinnerungen schreibt: die von den Engländern ins Leben gerufene regelmäßige Schulspeisung.