Eissendorf. Bundesgerichtshof entscheidet, dass Mieter nur unter sehr strengen Voraussetzungen die Miete mindern dürfen

Ein herrlich blühender Kamelienstrauch, ein Rosenbeet, akkurat gestutzte Buchsbäume – Heino Müller und seine Frau Christa haben sich vor der Terrasse ihrer Wohnung in Eißendorf eine grün-bunte Idylle angelegt. Und doch sei es „fast unmöglich“, hier in Ruhe zu sitzen, schimpft der 68-Jährige. Der Grund: Nur gut 20 Meter von seiner Terrasse entfernt wurde vor fünf Jahren auf einem Schulgelände ein Bolzplatz gebaut, jetzt sei der Lärm „nicht mehr auszuhalten“.

Das Ehepaar Müller zog Konsequenzen und minderte die Miete. Weil der Vermieter das so nicht hinnehmen wollte, beschäftigten sich erst Hamburger Gerichte mit dem Fall, mittlerweile ist es sogar ein Fall für den Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH).

Dort verwies der zuständige Senat am Mittwoch darauf, dass Kinderlärm laut Gesetz grundsätzlich toleriert werden müsse. Deutschlands höchste Richter gaben den Vermietern damit zumindest teilweise Recht (Aktenzeichen VIII ZR 197/14). Mieter können laut der Entscheidung nur unter sehr strengen Voraussetzungen die Miete wegen Lärms durch den Bolzplatz einer Schule mindern – jedenfalls dann nicht, wenn der Lärm von Kindern ausgeht, denn der ist durch das Bundesimmissionsgesetz geschützt, das Kinderlärm grundsätzlich billigt. Anders sei es unter Umständen, wenn Jugendliche oder Erwachsene zu laut herumtoben. Ob dies der Fall ist, sei im Einzelfall zu prüfen, so die Karlsruher Richter. Deshalb verwies der BGH die Sache an das Hamburger Landgericht zurück, wo der Fall neu aufgerollt werden muss.

„Es ist ein Bolzexzess, teilweise bis 22 Uhr oder sogar bis Mitternacht“, sagt Mieter Heino Müller. „Werktags geht es manchmal schon um 7.15 Uhr morgens los. Und teilweise kommen ganze Trupps an. Wir wehren uns gegen das Geknalle. Das ist wie auf dem Truppenübungsplatz, wenn die Bälle gegen die Gitter knallen“, erzählt der 68-Jährige, der seit 1993 in der Mietwohnung lebt. Deshalb hatte er sich nach der Errichtung des Bolzplatzes im Jahr 2010 entschlossen, die Miete zu mindern. Dabei gehe es ausdrücklich nicht um den Lärm von Kindern, betont der Hamburger. „Die können gern hier spielen. Hier geht es ums Bolzen. Der Lärm ist einfach zu heftig und kostet Nerven.“ Dabei gebe es im Umkreis von 150 Metern zwei weitere Bolzplätze, sagt Müller. „Und dann wird ausgerechnet dieser zurzeit auf das Doppelte erweitert!“ Als auf dem Gelände der Eißendorfer Grundschule In der Alten Forst vor fünf Jahren ein Bolzplatz errichtet wurde, war geplant, dass das Areal von Kindern im Alter bis zu zwölf Jahren von montags bis freitags bis 18 Uhr genutzt werden könne. Doch laut den Mietern wird der Platz auch abends und an Wochenenden von Jugendlichen genutzt. 16 Nachbarn hatten das Ersuchen von Heino Müller mit unterschrieben. Als der Fall vor Gericht ging, entschied zunächst das Amtsgericht Harburg in einem Urteil vom 16. Dezember 2013, eine Minderung der Miete von 20 Prozent sei angemessen. Dagegen gingen die Vermieter in Berufung. Auch in zweiter Instanz kam dann am 26. Juni 2014 das Landgericht zu dem Urteil, die Mietminderung sei gerechtfertigt, aber nur geringfügig, nämlich etwa zehn Prozent. Zwar habe es zu dem Zeitpunkt, als der Mietvertrag abgeschlossen wurde, die Schule schon gegeben, deshalb müsse der normale Lärm während der Schulzeit hingenommen werden. Allerdings müsse der Umstand, dass Jahre nach Abschluss des Mietvertrags das Schulgelände mit dem Bolzplatz über den Schulbetrieb hinaus zugänglich gemacht wurde, anders beurteilt werden. Insbesondere wegen der Schüsse gegen einen Metallzaun gebe es eine „erhebliche Lärmbelästigung“. Daran ändere auch das Bundesimmissionsgesetz nichts, das 2011 zugunsten von lärmenden Kindern geändert wurde.

Der BGH-Senat, der diese Entscheidung am Mittwoch aufhob, ließ in seiner Verhandlung erkennen, dass er in dem Fall wenig juristischen Raum für Mietminderungen sieht. Er betonte, dass das gesetzliche „Toleranzgebot“ zu Kinderlärm „weit über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus“ ausstrahle. Jetzt muss das Landgericht unter anderem klären, ob der Lärm von Kindern oder Jugendlichen beziehungsweise von Erwachsenen ausgeht, wie laut es genau ist und wie nah die Lärmquelle exakt ist. Für Mieter Heino Müller ist die Sache klar: „Dieser Lärm macht krank. Wenn das so weitergeht, nützt uns unsere schöne Terrasse auch nichts. Dann müssen wir wegziehen.“