Hamburg. Die Gruppierungen zersplittern sich, 4000 Teilnehmer werden erwartet. Polizei ist in Hamburg mit einem Großaufgebot im Einsatz.

Die Polizei bereitet sich auf Großeinsätze bei Demonstrationen von Gewerkschaften und Linksaktivisten am 1. Mai vor. Im Gegensatz zu den Vorjahren sind am Tag der Arbeit gleich mehrere brisante Kundgebungen im Bereich der Innenstadt sowie in Altona und St. Pauli mit insgesamt mehr als 4000 Teilnehmern geplant – unter den Anmeldern sind auch Vertreter linksradikaler Gruppierungen, die unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen.

Das gemäßigte Bündnis „Recht auf Stadt“ hat am Freitag ab 14 Uhr zunächst zu einer Demonstration mit dem Titel „Never Mind the Papers“ aufgerufen, die sich gegen die Flüchtlingspolitik des Senates und „rassistische Kontrollen“ in St. Pauli richtet. Der Demonstrationszug führt über Millerntorplatz, Budapester Straße, Talstraße, Hafenstraße und die Helgoländer Allee zum Alten Elbpark. 1800 Teilnehmer werden erwartet. Traditionell veranstaltet auch der Deutsche Gewerkschafts-Bund einen zentralen De­monstrationszug. 3500 Teilnehmer sollen am Freitag ab 10.30 Uhr vom Rödingsmarkt über Baumwall, Vorsetzen und Landungsbrücken zum Fischmarkt in St. Pauli ziehen.

Am Abend soll es zwei heikle Demonstrationen geben, die von der Polizei mit einem Großaufgebot abgesichert werden. Für 18 Uhr haben Vertreter des linksautonomen Zentrums in der Brigittenstraße den Aufzug „Das Proletariat kennt kein Vaterland“ mit 1000 Teilnehmern angemeldet, der wie in den Vorjahren an der Feldstraße beginnen soll. Die vorläufige Route führt dann über Gänsemarkt, Jungfernstieg, Willy-Brandt-Straße über Rödingsmarkt und Baumwall zurück nach St. Pauli zum Millerntorplatz.

Zeitgleich startet an der Max-Brauer-Allee der kommunistisch geprägte Aufzug „Heraus zum Revolutionären 1. Mai“, der über Königstraße, nördliche Fahrstreifen Talstraße, Simon-von-Utrecht-Straße und die Hein-Hoyer-Straße zur Reeperbahn führt. Angemeldet sind rund 1000 Menschen, die Aufzüge sollen bis 22 Uhr dauern.

Hintergrund der Demonstrationen am Abend sind Streitigkeiten in der linksalternativen Szene. Im vergangenen Jahr verließ die sogenannte Rote Szene Hamburg (RSH) das internationale Autonomenzentrum B5 an der Brigittenstraße, ideologisch tritt die Gruppierung für ein kommunistisches System ein, während das B5 das Staatskonzept in der Mehrheit ablehnt. Die RSH wirft den ehemaligen Weggefährten „blinde Gefolgschaft, Hörigkeit und Stagnation“ vor. Die RSH meldete die Altonaer Demo für den 1. Mai auf eigene Faust an. Zu der Demo werden in linken Kreisen auch Mitglieder des gewaltbereiten „Schwarzen Blocks“ erwartet, beim Aufzug der B5-Betreiber kam es in der Vergangenheit zu schwerer Randale. Insgesamt ist die Schlagkraft der Linksaktivisten durch die internen Differenzen aber geschwächt. „Eine Szene zerlegt sich selbst“, kommentieren Mitglieder in dem linksalternativen Internetportal Indymedia.

Gewalt gibt es um den 1. Mai immer, 2014 war es besonders schlimm

Wie üblich am 1. Mai muss laut Polizei während der Demonstrationen oder im Anschluss daran „vereinzelt mit Störungen gerechnet werden“. Mit Prognosen zum Verlauf, zur Art und zum Umfang der Maßnahmen hält sich die Polizei aus taktischen Gründen zurück. Stärker präsent als gewöhnlich ist in jedem Fall auch die Bundespolizei, die mit Bereitschaftskräften die in ihre Zuständigkeit fallenden Bahnanlagen überwacht. „Wir sind auf alle Eventualitäten eingestellt“, sagt Bundespolizeisprecher Rüdiger Carstens.

Die Lage ist hochdynamisch und wird von den Behörden fortlaufend bewertet. Auf neue Erkenntnisse könne sofort und schlagkräftig reagiert werden, heißt es aus Polizeikreisen. So kann etwa die Bundespolizei, wie 2008 geschehen, sehr schnell zusätzliche Beamte zu den „Hotspots“ im Stadtgebiet per Hubschrauber verlegen.

Im Vorjahr waren die Krawalle besonders aggressiv. 1800 Beamte waren im Einsatz, darunter 300 Bereitschaftspolizisten aus Schleswig-Holstein. 50 Polizisten und 20 Demonstranten wurden verletzt. Ansonsten war der 1. Mai von den üblichen Scharmützeln geprägt: Schlagstock-Einsatz hier, fliegende Flaschen, Böller und Steine dort. Dazu brennende Autos, eingeworfene Scheiben an einem SPD-Büro und eine besetzte (leer stehende) Grundschule. Trauriger Höhepunkt: Vermummte warfen an der Feldstraße Molotowcocktails in ein Polizeifahrzeug – die Polizei ermittelte wegen versuchten Mordes. Mitte Februar 2015 hat die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen allerdings eingestellt.