Nienstedten . Geist und Genuss kamen im Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee zusammen: Kritiker Denis Scheck wurde mit dem Lebensfreude-Preis geehrt.
Es ist eben nicht Sekt oder Selters, wie man so schön sagt, ob Cremant oder Champagner gereicht wird. Besonders nicht im feinen Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee. Hier, wo die Korken zu jeder Tages- und Nachtzeit aus den Flaschen des streng gekelterten Schaumweins aus der Champagne ploppen, weiß man die Güte des feinperligen Getränks zu schätzen. In einigen Fällen – hört man – wird er dann aber doch wie Selters getrunken. Weil es nichts anderes gibt.
Am Montagabend jedenfalls gehörte das festlichste aller Getränke zwangsläufig in jede Hand und auf die Speisekarte, denn es wurde der „Champagne Preis für Lebensfreude“ verliehen. Eine Auszeichnung, die in den vergangenen Jahren Barbara Schöneberger, Hape Kerkeling, Thomas Gottschalk, Michelle Hunziker und Geiger David Garrett erhielten. Prominente Fernseh- und Showfiguren also, irgendwie erwartbar, nicht wirklich spannend.
Und nun also, in der 2015er-Ausgabe, mit Denis Scheck ein Literaturkritiker – tatsächlich! Einer der bekanntesten in Deutschland, einer, der im Fernsehen seine Arbeit am Buch verrichtet. Soviel Tradition muss sein beim „Lebensfreude“-Preis. „Für seine Zuschauer und Leser sind selbst seine Ein-Wort-Verrisse das pure Vergnügen – auch wenn man sich insgeheim dazu gratuliert, keiner der betroffenen Autoren zu sein“, sagte Günther Schöneis, Initiator der Preises. „Gute Bücher legt er uns mit einem Enthusiasmus ans Herz, dass man als fühlloser Unmensch dasteht, wenn man sie nicht liest. Und wenige deutsche Autoren schreiben anregender und intelligenter über das Essen, das Trinken und das Kochen als Denis Scheck“, so Schöneis.
Noch bei keinem Buch das Lachen vergangen
Wer ist Denis Scheck? Nun, zunächst einmal Vielleser. Und hochrangige Prüfinstanz, was Bücher angeht: „Ich als Kritiker bin so etwas wie die Stiftung Warentest“, sagte er einmal über sich selbst. Scheck ist Literaturredakteur beim Deutschlandfunk und moderiert das Magazin „Druckfrisch“ in der ARD. Er arbeitet außerdem als Übersetzer, Literaturagent und Autor. Verdrießen lässt er sich durch die Lektüre von literarischen Zumutungen übrigens nicht, was nicht unpraktisch ist, wenn es um einen „Lebensfreude“-Preis geht. „Auch richtig schlechte Bücher wie „Shades of Grey“, das Gesamtwerk von Susanne Fröhlich oder Paolo Coelho können einem durchaus Vergnügen bereiten. Schließlich vermögen selbst Idioten gelegentlich zu amüsieren. Mir ist noch bei keinem Buch das Lachen vergangen“, sagte Scheck, der mit seiner Frau Christina nach Hamburg gereist war.
Begrüßt wurde er – wie auch die anderen Gäste des Abends – von Jost Deitmar, mittlerweile dienstältester Direktor des traditonsreichen Hauses.
Als Kritiker ist Scheck ein Anwalt der Literatur – und ihres berauschenden Effekts, der ohne alkoholische Genüsse auskommt. „Die Verwandlung geschieht buchstäblich, wenn man ein Buch aufschlägt. Darin liegt die Freiheit der Literatur, aus ihr speist sich Lebensfreude: aus der Gewissheit, literarisch mehr als tausend Leben führen zu dürfen, ohne mehr als einen Tod sterben zu müssen“, so Scheck.
Vielleicht rühren die frühen literarischen Fluchten Schecks auch aus der von ihm als Enge empfunden Idylle seines Aufwachsens in Bretzenacker, einem Teilort der Gemeinde Berglen vor den Toren Stuttgarts. Auf dem Wappen Bretzenackers: drei rote Kirschen am Zweig und, klar, eine geschwungene Brezel. Warum also noch nach der Verbindung Schecks zu kulinarischen Genüssen fragen?
Am besten gleich in Champagner baden
Frank Schätzing sagte in seiner persönlichen Laudatio: „Letztlich reichte mir der Fundus unseres gemeinsam Erlebten, um hier und heute überzeugend darlegen zu können, dass man Dich nicht nur mit Preisen bedenken, sondern gleich in Champagner baden sollte – gerade vor dem Hintergrund, dass Du ein Freund des Badens bist und Deine Wasserungen auf eine Art betreibst, die mindestens so überlieferungswürdig ist wie Grimms gesammelte Volksmärchen.“
Weil die preisstiftenden Winzer den Zusammenhang von Geist und Genuss verstanden haben, ist Scheck natürlich ein vortrefflicher Preisträger – wenn die Menschen ihn mögen, dann auch wegen Sätzen wie diesen: „Literatur ist Denken in Bewegung, also raus aus dem Elfenbeinturm und hinein in die Welt. Aber Literatur ist gefährlich und fördert das Selbstbewusstsein. Am Ende verliert man noch den Respekt vor den Sprechblasen und Worthülsen der unbelesenen Tröpfe in den Chefsesseln der Republik.“
Vielleicht hat er so oder so ähnlich auch der Festgesellschaft in Hamburgs bester Lage gestern die Bedeutung von Büchern verklickert – und auf alte und neue Einsichten angestoßen. Geistige Getränke und geistige Nahrung? Kann eine gute Verbindung sein.