Hamburg. Richter äußern deutliche Kritik. Kontrolle von Passanten ohne konkreten Verdachtsmoment sei erheblicher Eingriff in die Grundrechte.
Das Hamburger Oberverwaltungsgericht hält die Ausweisung von Gefahrengebieten durch die Polizei offenbar in großen Teilen für verfassungswidrig. Bei der Verhandlung über eine Klage gegen die Praxis wurde am Donnerstag zwar noch keine Entscheidung verkündet - die Richter äußerten jedoch deutliche Kritik an den Kontrollen der Polizei.
Die Kontrolle von Passanten in den Gebieten ohne konkreten Verdachtsmoment bedeuteten einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte, sagte der vorsitzende Richter bei der Verhandlung. Die Klägerin Claudia Falke, wohnhaft im Stadtteil Sternschanze, wurde innerhalb eines Gefahrengebiets in der Eifflerstraße im April 2011 von Polizisten kontrolliert und musste sich ausweisen. Diese Kontrollen seien rechtswidrig gewesen, sagte der Richter weiter. Dies gelte auch für die Durchsuchung von Rucksäcken, das Erteilen von Aufenthaltsverboten und die Ingewahrsamnahme von Passanten ohne Verdachtsmoment. Die Polizeimaßnahmen verstießen sowohl gegen Grundrechte als auch gegen das Gebot der Verhältnimäßigkeit.
Das Gericht betonte jedoch, noch keine endgültige Abwägung zwischen dem Eingriff in die Grundrechte und der Gefahrenabwehr durch die Polizei vorgenommen zu haben. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts soll erst am 13. Mai verkündet werden.
Bislang kann die Polizei Hamburg Gefahrengebiete nach der jeweiligen Lageeinschätzung kurzfristig einrichten und in den ausgewiesenen Bereichen verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Im Januar 2014 führte die Einrichtung von großflächigen Gefahrengebieten in St. Pauli und Sternschanze zu massiven Protesten von Anwohnern, auch außerhalb der linksalternativen Szene.
Die Partei Die Linke sieht in den Aussagen der Richter eine „Riesenohrfeige für alle Hamburger Senate seit 2005“, wie die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider. Ihre Partei forderte erneut, alle bestehenden Gefahrengebiete aufzulösen. Innensenator Michael Neumann hatte sich in der jüngeren Vergangenheit eindeutig zu dem Polizeimittel der Gefahrengebiete bekannt. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, die Praxis abhängig von den Hinweisen der Verwaltungsrichter zu überprüfen und anzupassen. Dabei solle es laut Bürgermeister Olaf Scholz vor allem darum gehen, wer über die Einrichtung der Gefahrengebiete entscheidet. (crh/nh)