Hamburg. Die sinkende Wahlbeteiligung sehen viele Fraktionen der Bürgerschaft auch als Folge der komplizierten Abstimmung.
Über das Wahlrecht wollte die CDU-Fraktion in der zweiten Aktuellen Stunde nach den Bürgerschaftswahlen sprechen. Das derzeitige Wahlrecht sei zu kompliziert, zehnmal teurer als das vorherige, sozial ungerecht und müsse reformiert werden.
„Die Wahlbeteiligung ist insbesondere in sozial schwachen Stadtteilen auf ein erschreckend niedriges Niveau gesunken, die Zahl der ungültigen Stimmzettel dafür hamburgweit auf ein Rekordhoch gestiegen. Dieses ‚Qualrecht‘ hat damit ein echtes Demokratiedefizit, das wir beheben müssen“, sagte André Trepoll, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Die CDU wolle keinen totalen Umbau des bestehenden Wahlrechts, sondern eine Optimierung und Verschlankung. „Wie können wir es erreichen, dass die von den Parteien aufgestellten Fachleute auch wieder eine reelle Chance haben, wiedergewählt zu werden?“ Notwendig sei eine gesellschaftliche Debatte ohne Denkverbote.
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Weil das Wahlrecht durch einen Volksentscheid zustande gekommen ist, gehöre es sich nicht, dagegen übereilt anzugehen, sagte Olaf Steinbiß von der SPD. Eine Reform müsse parteiübergreifend und mit den Bürgern erfolgen. Tatsächlich hätten viele das Wahlrecht als kompliziert empfunden. Steinbiß: „Das aktuelle Wahlrecht hat nicht zur Erhöhung der Wahlbeteiligung geführt. Die soziale Spaltung in der Wahlbeteiligung ist gravierend.“ Zum Hintergrund: In Stadtteilen mit hohem Durchschnittseinkommen lag die Beteiligung bei 70 Prozent, in Stadtteilen mit einem hohen Anteil an Hartz-IV-Empfängern bei 45 Prozent.
Keine Schnellschüsse bei Reform, warnt Farid Müller von den Grünen
Die Grünen wollen eine Änderung des Wahlrechts in keinem Fall ohne den Verein Mehr Demokratie. Justizexperte Farid Müller warnte allerdings vor „Schnellschüssen“ bei durch Volksentscheide beschlossenen Gesetzen. Das Wahlrecht habe zur sinkenden Wahlbeteiligung und zu vielen ungültigen Stimmen geführt, sagte die fraktionslose Abgeordnete Dora Heyenn. „Das neue Wahlrecht leistet keinerlei Beitrag für eine höhere und sozial gleiche Wahlbeteiligung, sondern eher im Gegenteil.“ Das Problem sei nicht nur das Wahlrecht, sondern die soziale Spaltung: „Warum sollten die Menschen wählen gehen, wenn sie den Eindruck haben, dass Wahlen doch nichts ändern?“
FDP und die AfD sehen keinen Grund, das Wahlrecht zu ändern: Kurt Duwe, verfassungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion: „Die Behauptung, dass ein einfacheres Wahlsystem mehr demokratische Einflussmöglichkeiten schaffe, erschließt sich uns nicht.“ Die AfD begrüße jede demokratische Beteiligung, sagte Dirk Nockemann. Seine Partei werde Klartext reden und nicht immer über Gender-Mainstreaming und Homo-Ehe diskutieren. Gleich in seiner ersten Debatte wurde er vom Bürgerschaftsvizepräsidenten zur Ordnung gerufen, weil er der CDU „Kungelei“ vorgeworfen hatte.