Hamburg . Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erhält mindestens drei Stimmenvon der Opposition. Die CDU will es nicht gewesen sein

Andreas Dey
Peter Ulrich Meyer

Mit kerzengeradem Rücken und ernster Miene saß Olaf Scholz (SPD) auf der Senatsbank im Plenarsaal der Bürgerschaft und wartete auf das Ergebnis der Abstimmung. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) war gerade mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck in den Plenarsaal zurückgekehrt.

Als Veit am Mittwoch um 15.29 Uhr – genau zwei Monate nach der Bürgerschaftswahl – das Votum der Abgeordneten verkündete, wich der Ernst einem Lächeln und die Stille einem Jubel: 75 der 120 anwesenden Abgeordneten stimmten für Scholz als Ersten Bürgermeister. Das sind drei Stimmen mehr als SPD und Grüne zusammen haben. 44 Abgeordnete stimmten gegen Scholz, einer enthielt sich.

Mindestens drei Stimmen kamen – soviel ist sicher – also von der Opposition. Damit übertraf Scholz das Ergebnis von vor vier Jahren. Im März 2011 stimmte bereits ein Oppositionsabgeordneter für Scholz. Er erhielt damals 62 Stimmen – obwohl ein SPD-Abgeordneter fehlte. Dieses Mal fehlte Mehmet Yildiz von den Linken. Er konnte nicht in die Bürgerschaft kommen, weil er sich im Krankenhaus einem lange geplanten Eingriff unterzogen hatte. Auf Krücken war Antje Möller gekommen. Die Grüne hatte sich Ende der vergangener Woche bei einem schweren Fahrradunfall verletzt.

Nachdem Scholz das Votum angenommen hatte, verlas Veit den Amtseid: „Ich schwöre, dass ich Deutschland, dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Hamburgischen Verfassung die Treue halten, die Gesetze beachten, die mir als Mitglied des Senats obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und das Wohl der Freien und Hansestadt Hamburg, soviel ich vermag, fördern will.“

Scholz verzichtete beim Eid wie vor vier Jahren auf den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“. Nach den sechs Fraktionschefs gratulierte ihm auch der ehemalige CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich, mittlerweile Bürgerschaftsvizepräsident. Er kam zu Scholz auf die Senatsbank und rechte ihm die Hand – eine versöhnliche Geste der großen Kontrahenten der vergangenen Legislaturperiode.

Jana Schiedek und Jutta Blankau bekamen fraktionsübergreifend Applaus

Es sollte die Bestätigung der von Bürgermeister Scholz bestimmten Senatoren durch die Abgeordneten folgen. Das war der Moment, in dem sich die beiden bis dahin noch amtierenden SPD-Senatorinnen Jana Schiedek (Justiz) und Jutta Blankau (Stadtentwicklung und Umwelt) von den Kollegen auf der Senatsbank verabschiedeten. Beide wurden umarmt und geherzt, um danach eine Etage höher in der Senatsloge auf der Tribüne Platz zu nehmen.

Dort verfolgten auch die Ehefrau von Olaf Scholz, die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta Ernst, sowie Eva-Maria Tschentscher, die Ehefrau von Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), die Zeremonie. Schöne Geste: Nachdem Carola Veit den beiden scheidenden Politikerinnen für ihre Arbeit gedankt hatte und applaudierte die Bürgerschaft fraktionsübergreifend. Auch das Ergebnis für das Kabinett Scholz fiel sehr gut aus, wenngleich erwartungsgemäß ein klein wenig schwächer als für den Bürgermeister selbst. 73 Abgeordnete – und damit rechnerisch einer von der Opposition – stimmten für die elf Senatoren. 46 stimmten dagegen, einer enthielt sich.

Für den Lacher des Tages sorgte der CDU-Abgeordnete Thilo Kleibauer: Als das Ergebnis bekanntgegeben wurde, rief er mit Blick auf das vorherige Scholz-Ergebnis: „Die Zustimmung bröckelt schon.“ Selbst auf der Senatsbank war die Heiterkeit groß. Bemerkenswert: Etliche AfD-Abgeordnete wie Fraktionschef Jörn Kruse waren in diesem nicht ganz unbedeutenden Moment gar nicht im Plenarsaal – und auch später nicht, als die Senatoren, im Übrigen mit derselben Formel wie der Bürgermeister, vereidigt wurden. Nachdem auch die „Geschäftsverteilung“ des Senats offiziell beschlossen war, erschienen um 16.35 Uhr erstmals alle Mitglieder der neuen Regierung auf der Senatsbank. Direkt hinter Scholz kamen die Grünen Till Steffen und Jens Kerstan und wirkten leicht orientierungslos: „Wo sollen wir sitzen?“ Da abgesehen von den beiden Plätzen für den Ersten und die Zweite Bürgermeisterin (Katharina Fegebank, Grüne) vorn links freie Platzwahl gilt, entschieden sich Steffen und Kerstan nach einiger Zeit für die zweite Reihe - vorerst jedenfalls. Nach seiner Ernennung zum Senator steckte sich Kerstan auch erstmals das kleine „Feuer & Flamme“-Logo der Olympia-Bewerbung ans Revers. Da die drei grünen Senatoren ihre Mandate mit ihrer Ernennung ruhen lassen, rückten drei Grüne in die Bürgerschaft nach: Ulrike Sparr, Carola Timm und Mareike Engels.

CDU und FDP gratulieren dem Bürgermeister – und mahnen

CDU-Fraktionschef André Trepoll versicherte, dass kein Unionsabgeordneter für Scholz gestimmt habe. Dennoch gratulierte er ihm zu seiner Wahl. „Ich wünsche ihm im Sinne unserer Stadt viel Erfolg bei der Arbeit.“ Das war es aber auch schon mit den guten Wünschen für Scholz. Dessen „aufgeblähter Senat“ und der Koalitionsvertrag ließen wenig Hoffnung, dass das rot-grüne Projekt Hamburg in den nächsten fünf Jahren voranbringe, so Trepoll. „Wir werden den Senat deshalb als stärkste Oppositionsfraktion kritisch begleiten und kontrollieren: hart in der Sache, aber fair im Ton.“

Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding gratulierte. Und mahnte: „Das Hamburg der Zukunft und der Chancen muss aktiv gestaltet werden. Herausforderungen müssen erkannt und angenommen werden, wenn wir den Wohlstand der Stadt für alle Menschen auch in Zukunft erhalten wollen. Daran werden wir den Ersten Bürgermeister stets erinnern und unsere konstruktiven Vorschläge einbringen.“


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