Hamburg . Der 17-jährige Flüchtling aus Afghanistan war von einen Klassenkameraden erstochen worden. Wohneinrichtung stellt Traueranzeige ins Netz.

Am Morgen brannten die ersten Kerzen vor der Nelson-Mandela-Schule. Einen Tag nach der tödlichen Messerattacke auf einen 17-Jährigen liegt über der Wilhelmsburger Stadtteilschule das Entsetzen wie ein dichter Schleier. Nach und nach kommen die ersten Schüler. Natürlich wissen sie alle, was am Dienstag nur wenige Meter entfernt, geschehen ist. „Es ist schrecklich“, sagt ein 16-Jähriger, der die Wilhelmsburger Stadtteilschule besucht. Den mutmaßlichen Täter kennt er nicht, auch nicht den toten Jungen. Aber er hat ein Foto gesehen. Per WhatsApp war es rumgegangen.

Am Dienstagvormittag hatte ein 17-jähriger Jugendlicher aus Afghanistan in einer Schulpause vor den Augen seiner entsetzten Klassenkameraden auf einen Mitschüler eingestochen. Der ebenfalls 17-jährige Afghane war schwer verletzt zusammengebrochen. Er starb wenig später. Er heißt Samyullah, wie der Landesbetrieb Erziehung und Beratung auf seiner Homepage inzwischen mitteilte. Der Jugendliche war - wie der mutmaßliche Täter - als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Hamburg gekommen und wohnte seit einem knappen Jahr in einer Einrichtung für Ambulant Betreutes Wohnen in Harburg. Samyullah habe etwas erreichen wollen, heißt es in der Traueranzeige weiter. "Er wollte sich integrieren, hatte Ziele, wollte einen guten Schulabschluss machen."

Tatverdächtiger soll dem Haftrichter vorgeführt werden

Worum es bei der Auseinandersetzung ging, ist nach Angaben der Polizei noch unklar. Mitschüler berichteten von Streit unter den jungen Männer um eine Freundin. Nach Abendblatt-Informationen heißt der Tatverdächtige Amin und ist am heutigen Mittwoch 18 Jahre alt geworden. Er lebte in einer Unterkunft im Bezirk Bergedorf. Nach seiner Bluttat war Amin neben seinem Opfer sitzen geblieben und hatte sich später widerstandslos festnehmen lassen. Inzwischen hat er die Tat gestanden. Heute sollte am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden.

Die Spurensicherung hatte am Dienstag bis 20 Uhr an der Schule gearbeitet. Danach war die Leiche des 17-Jährigen in die Rechtsmedizin gebracht worden. Ein Obduktionsergebnis lag zunächst noch nicht vor. Die Mordkommission ermittelt.

Mitschüler wurden aus Containern ausquartiert

Beide Jugendliche besuchten sogenannte internationale Vorbereitungsklassen, in denen sie für den Besuch der Regelschule fit gemacht werden sollten. Die Mitschüler waren am Mittwoch in die Schule gekommen. So soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden miteinander zu reden, das Grauen zu verarbeiten. Dabei werden sie von speziell geschulten Psycholgen betreut. Allerdings wurden sie aus den Schulcontainern, in den die Bluttat geschehen war, ausquartiert – an einen unbekannten Ort.

GEW warnt vor voreiligen Forderungen

Die GEW-Landesvorsitzende Anja Bensinger-Stolze reagierte mit großer Bestürzung und Betroffenheit auf die Tat. Sie warnt aber vor voreiligen Reaktionen und Forderungen. „Gewaltprävention ist für die Bildungseinrichtungen und die gesamte Gesellschaft ein zentrales Thema“, sagte sie. Es erfordert ein koordiniertes Vorgehen der Verantwortlichen und Akteure auf Landes-, kommunaler und Schulebene. Grundlegend sei ein Schulklima, das von gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und Vertrauen zeuge. „Dabei ist uns bewusst, dass alle Maßnahmen keine 100prozentige Sicherheit vor solch massiven Gewaltausbrüchen garantieren können.“