Hamburg. Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden gefordert. Proteste auch gegen Ausgliederung der Paketzustellung in Billiglohntochter.

Die Stimmung unter den Beschäftigten bei der Deutschen Post in Hamburg könnte kaum schlechter sein. „In der Paketzustellung ist die Hölle los. Alle sind schlecht drauf. Viele Kollegen sind wütend auf die Post und den unfairen Umgang mit den befristet beschäftigten Kollegen, die in schlechtere Verträge gedrängt werden“, bringt der Paketzusteller Martin Albertshauser die Lage auf den Punkt. Eine Schilderung, die von den Betriebsräten in Hamburg genauso bestätigt werden. Der 32-Jährige arbeitet seit gut zweieinhalb Jahren bei der Post als Paketzusteller. Mit immer neuen befristeten Verträgen. Zum 1. April bot man ihm endlich eine Festanstellung an, allerdings nicht bei der Pakettochter der Post DHL, sondern bei der neuen Billigtochter DHL Delivery GmbH.

Der Unterschied zwischen den beiden Firmen: Obwohl die Mitarbeiter präzise die gleiche Arbeit verrichten, nämlich Pakete zustellen, erhalten die Beschäftigten bei DHL Delivery rund 20 Prozent weniger Lohn ausgezahlt als die DHL-Mitarbeiter. Sie werden nicht nach dem Haustarif der Post bezahlt, der traditionell mit Zuschlägen, Weihnachts- und Urlaubsgeld gut ausgestattet ist, sondern nach dem geltenden Tarifvertrag für die Logistikbranche. „Das wollte ich mir nicht antun. Von 1600 Euro netto kann ich dauerhaft meine Familie nicht ernähren“, erzählt der Familienvater Albertshauser. Er schlug das Angebot aus und beginnt jetzt eine Umschulung zum Lastwagen-fahrer. Einen deutlich besser dotierten Arbeitsvertrag bei einer Spedition habe er bereits in der Tasche.

Anders sein Kollege. Der 38-Jährige verbirgt sein Gesicht hinter einer weißen Maske, um nicht erkannt zu werden. Der Paketbote, der seit zwei Jahren als befristete Kraft bei der Post arbeitet, wagte es nicht, das neue Angebot von DHL Delivery auszuschlagen. „Es ist für mich einfach wichtig, eine feste Anstellung zu haben.“

Für die Gewerkschaft Ver.di ist die Neugründung der Billigtochter DHL Delivery schlichtweg ein Skandal, sagt der für Postdienste zuständige Landesbezirksfachleiter im Norden, Lars-Uwe Rieck. Durch die Ausgliederung von Paketzustellern in bundesweit 49 Regionalgesellschaften spare die Deutsche Post 160 Millionen Euro Kosten. „Obwohl die Post ein kerngesundes Unternehmen mit Milliardengewinn ist, wird hier auf dem Rücken der Beschäftigten gespart.“ Dies sei reine „Renditegier“.

In Hamburg sind laut Rieck geschätzt 170 der rund 600 Paketzusteller betroffen, die in die neue Billigtochter ausgelagert werden sollen. Bundesweit hat die Post nach eigenen Angaben 5500 in der neuen Firmentochter eingestellt. Die meisten hatten zuvor Zeitverträge bei der Post, etwa 1500 kamen vom freien Markt. Die Umstrukturierung führe auch dazu, dass Festangestellte, die über Jahre einen festen Zustellbezirk hatten, diesen nun abgeben müssen und in anderen Gebieten eingesetzt werden, was für weitere Unruhe unter den Beschäftigten sorge.

Ver.di sieht in der Ausgliederung aber auch einen Vertragsbruch der Deutschen Post und will den Konzern verklagen. Mit dem Aufbau eines flächendeckenden Netzes für die Paketzustellung verstoße der Konzern gegen den betriebsinternen Vertrag zum Schutz vor Fremdvergabe, wonach nur 990 Paketzustellbezirke ausgegliedert werden dürfen, was schon geschehen sei, sagt Rieck. Darüber hinaus werde das Bezahlungsprinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ missachtet. Die Zusteller bei der Deutschen Post verdienen zwischen 2169 Euro Einstiegsgehalt und 2821 Euro brutto, bei der Billigtochter liege die Spanne zwischen 1942 und 2062 Euro. Ver.di sieht deshalb in der Ausgliederung auch eine „Jobvernichtungsmaschine“: „Um auf den gleichen Lohn wie die DHL-Beschäftigten zu kommen, müssen die Mitarbeiter bei DHL Delivery deutlich länger arbeiten.“

Die Arbeitszeit steht auch im Mittelpunkt der bevorstehenden Protestwelle der Gewerkschaft. Ver.di fordert für die 140.000 Tarifbeschäftigte der Deutschen Post eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden – natürlich bei vollem Lohnausgleich. Die Friedenspflicht für den geltenden Arbeitszeitvertrag, den die Gewerkschaft gekündigt hatte, läuft zum 1. April aus. „Wir werden in Norddeutschland eine große Warnstreikwelle erleben“, sagte Rieck. Allein in Hamburg arbeiten 5400 Beschäftigte, darunter, 3700 Brief- und Paketzusteller. Welche Aktionen konkret stattfinden, werde nicht verraten. Betroffen seien aber die Brief- und Paketzustellung.

Die Deutsche Post hatte zum Auftakt der Tarifverhandlungen bereits ein Konzept zur Arbeitszeitverkürzung vorgelegt. Dieses enthält eine weitgehende Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit zwischen 34 und 41 Wochenstunden. Allerdings klammerte die Deutsche Post dabei die Ver.di-Forderung nach vollem Lohnausgleich aus, so Rieck: „Diese Variante werden wir auf keinen Fall akzeptieren.“