Hamburg. Das niederländische Königspaar besucht Fachkonferenz in der Fischauktionshalle und das schwimmende Gaskraftwerk von Becker Marine Systems.

Russland ist Deutschlands und Europas wichtigster Erdgaslieferant. Doch die jahrzehntelangen und bislang stets zuverlässigen Lieferbeziehungen stehen seit dem Beginn des Krieges in der Ostukraine unter erheblicher Spannung. Gescheitert ist vor Jahren obendrein der Versuch, Europa durch eine Pipeline mit der Erdgasförderung am Kaspischen Meer und im Mittleren Osten zu verbinden. Die europäischen Staaten suchen nach alternativen Erdgasquellen – und setzen dabei auch auf tiefgekühltes, verflüssigtes Erdgas, das sogenannte LNG.

Bei seiner Arbeitsvisite in Hamburg besuchten der niederländische König Willem-Alexander und Königin Máxima am Freitag die Fachkonferenz „Full speed ahead“ in der Fischauktionshalle. Anschließend besichtigten sie das erste schwimmende Gaskraftwerk im Hamburger Hafen, die LNG Hybrid Barge des Hamburger Unternehmens Becker Marine Systems, die künftig Kreuzfahrtschiffe in Hamburg mit Strom versorgen soll.

„Wir arbeiten bei der LNG Hybrid Barge auch mit niederländischen Partnern zusammen“, sagten Dirk Lehmann und Henning Kuhlmann, die Geschäftsführer von Becker Marine Systems. So liefere Shell LNG per Gascontainer vom Rotterdamer LNG-Terminal für die Barge „Hummel“: „Wir können uns vorstellen, auch im Hafen von Rotterdam eine LNG Hybrid Barge einzusetzen.“

Der Besuch des Königspaares warf ein Schlaglicht auf ein Thema, das politisch wie auch wirtschaftlich große Tragweite besitzt. In Deutschland gibt es bislang keine eigene Infrastruktur für LNG. „Die Niederländer sind da wesentlich weiter“, sagte Uwe Beckmeyer (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister und Maritimer Koordinator der Bundesregierung. „Wir wollen unsere Versorgungsquellen und -routen erweitern. Die Niederlande sind dabei, wie auch in anderen Bereichen der Energiewirtschaft, ein wichtiger Partner.“

Spezielles Terminal in Brunsbüttel

Brunsbüttel engagiert sich als möglicher Standort für ein LNG-Importterminal. Im jeweiligen Exportland wird Erdgas gekühlt, verflüssigt und auf Spezialtanker gepumpt. Im Zielland steht ein spezielles Terminal, um das komprimierte Gas wieder zu entspannen und es in das bestehende Gasnetz einzuspeisen. Oder aber, um LNG in flüssiger Form weiterzutransportieren, etwa für den Einsatz auf einer LNG Hybrid Barge. Man werde in diesem Jahr gemeinsam mit der regionalen Industrie eine Machbarkeitsstudie für ein LNG-Importterminal erarbeiten, sagte Frank Schnabel dem Abendblatt, der Geschäftsführer des privatwirtschaftlichen Hafenbetreibers Brunsbüttel Ports.

„Wir könnten mit einem LNG-Terminal in Brunsbüttel sowohl die Unternehmen vor Ort, vor allem aus der chemischen Industrie, mit verflüssigtem Erdgas versorgen, wie auch die Schifffahrt in der Region. Außerdem könnte ein solches Terminal ein Element der nationalen strategischen Erdgasreserve sein. Insofern hoffen wir auf Unterstützung durch die Bundesregierung.“

Brunsbüttel Ports hat bereits die Öffentlichkeit vor Ort über die Pläne für einen LNG-Terminal informiert und zudem ein Kooperationsabkommen mit dem Hamburger Güterwaggonbetreiber und Schienenlogistiker VTG abgeschlossen. VTG hat einen Prototypen für einen LNG-Kesselwagen entwickelt, in dem das Erdgas besonders lange auf der nötigen tiefen Temperatur gehalten werden kann.

Königspaar bei der LNG-Konferenz

In der Schifffahrt wird LNG in den kommenden Jahren verstärkt als Alternative zu Marinediesel zum Einsatz kommen. Die Reedereien reagieren damit auf strengere Abgasgrenzwerte für Nord- und Ostsee. Bei der Verbrennung von Erdgas entsteht im Vergleich zu Diesel und erst recht zu Schweröl sehr viel weniger Stickoxid, praktisch kein Schwefeldioxid und kein Ruß. „Die Senkung der Schiffsemissionen, etwa durch die Stromversorgung von Kreuzfahrtschiffen mit der LNG Hybrid Barge, nützt der ganzen Stadt“, sagte Wirtschaftsenator Frank Horch (parteilos).

König Willem-Alexander und Königin Máxima besuchten nach der LNG-Konferenz gemeinsam mit ihrer Wirtschaftsdelegation unter anderem noch das Musicalunternehmen Stage Entertainment des Niederländers Joop van den Ende. Zum Abschluss des Besuches trug sich das Königspaar im Rathaus in das Goldene Buch der Stadt Hamburg ein. Am Donnerstagabend hatten der König und die Königin eine Konferenz der Offshore-Windkraftbranche mit Teilnehmern aus mehreren europäischen Ländern in der Handelskammer besucht. Offshore-Windkraft gilt, ebenso wie LNG, als eine der Schlüsseltechnologien für eine umweltschonende Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten.