Hamburg. Mieterverein und Sozialverband schlagen Alarm. Sie fordern von der Politik den Neubau von 6000 Sozialwohnungen pro Jahr.

„Wenn in Hamburg 58.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ein Armutsrisiko haben, ist das ein Skandal, welcher von uns, der Gesellschaft und der Politik nicht hingenommen werden darf“, sagt Eckard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. „Die Kinder sind unsere Zukunft, sie dürfen nicht vernachlässigt werden.“

Der Mieterverein und der Sozialverband schlugen am Donnerstag Alarm: Die Kinder- und Jugendarmut nimmt in Deutschland und besonders in Hamburg zu. Die Zahlen: Im Jahr 2013 waren 18,7 Prozent der Hamburger von Armut betroffen oder armutsgefährdet. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren liegt die Armutsrisikoquote bei 25,6 Prozent. Die Armutsgefährdungsschwelle in einem Einpersonenhaushalt in Hamburg liegt bei einem monatlichen Netto-Einkommen von 934 Euro, in einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1.961 Euro netto.

„Ein Blick in die Sozialstatistik lässt erkennen, was man wahrnimmt, wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht: Hamburg hat sich zu einer gespaltenen Stadt entwickelt, in der Armut und extremer Wohlstand ganz nahe beieinander sind, ohne sich wesentlich zu berühren“, sagt Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverbands. Die Erfahrung, in Armut zu leben, präge Kinder ein Leben lang. „Armut ist keine Episode in einem Leben.“

Wenn jedes vierte Kind in Hamburg in Armut groß werde, bedeute das für diese Kinder in der Regel eine schlechtere Ernährung und geringere Chancen, dem Unterricht in der Schule aufmerksam zu folgen. Engere Wohnverhältnisse mit wenig Rückzugsmöglichkeiten für Schularbeiten und Erholung, mehr täglicher Stress und weniger Teilhabe in Vereinen oder sozialen Einrichtungen. Das führe in vielen Fällen zu Mobbing und Ausgrenzung. Besonders belastend sei, dass die Kinder und Jugendlichen kaum Möglichkeiten hätten, ihre Lage selbst zu verändern.

Armutsquote in Deutschland auf höchstem Wert seit 2006

„Die Situation kann nur verbessert werden, wenn die Politik endlich auf Missstände reagiert“, sagt Wicher. Aber das Armutsproblem werde politisch nicht wahrgenommen. „Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung taucht auf 185 Seiten nirgends das Wort Kinderarmut auf.“ Dabei habe der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem aktuellen „Armutsbericht 2014“ gerade darauf hingewiesen, dass die Armutsquote in Deutschland mit 19,2 Prozent auf den höchsten Wert seit 2006 gestiegen ist.

Sozialverband und Mieterverein fordern von der Politik in Hamburg konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation. „Als erstes brauchen wir einen Rechtsanspruch für Kinder und Jugendliche auf einen eigenständigen bedarfsgerechten Regelsatz in der Grundsicherung“, sagt Wicher. Außerdem müsse der Senat die Kürzungen der vergangenen Jahre im Bereich der offenen Kinder- und Jugendhilfe in Höhe von 3,5 Millionen Euro zurücknehmen.

Eckard Pahlke fordert den Bau von 6000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr sowie die Verlängerung der Bindungsfrist für Sozialwohnungen auf wieder 30 Jahre. „Jährlich fallen 5000 Sozialwohnungen aus der Bindung, da reichen 2000 neue bei weitem nicht aus.“