Fegebank ist seit 2008 Hamburgs Grünen-Chefin und steht für pragmatischen Politikansatz. Sie könnte Zweite Bürgermeisterin werden. Ein Porträt.
Hamburg. Nein, Katharina Fegebank kann auch anders. Unkompliziert, direkt und lebenslustig – das sind die Attribute, die der in wenigen Tagen 38 Jahre alten Landesvorsitzenden der Hamburger Grünen gern zugeschrieben werden. Doch jetzt ist der Spaß aus ihrem Gesicht gewichen, die Anspannung ist da. Zehn Minuten hat unser Fotograf Marcelo Hernandez schon auf den Auslöser gedrückt, Fegebank in mehreren Posen für das „Kreuzverhör“ von Hamburg 1 und Abendblatt kurz vor der Bürgerschaftswahl porträtiert. Die Zeit drängt. Fegebank lässt sich die Bilder zeigen, das Ergebnis gefällt ihr nicht. Das Haar hinter dem Ohr, sieht nicht gut aus. Von welcher Seite sieht sie besser aus, und was ist eigentlich mit dem Kinn? Also noch einmal von vorn, die Maskenbildnerin ändert die Frisur. Dann ist eine weitere Serie im Kasten. „Ja, die sind besser“, sagt Fegebank entschlossen. Dass Politiker ihre Fotos selbst aussuchen, ist unüblich. Doch die Obergrüne beherrscht das Timbre zwischen Charme und Bestimmtheit. Wir drucken ein Foto, das eine sehr entspannt und sympathisch lächelnde Spitzenkandidatin zeigt. Es ist das von ihr bevorzugte Motiv (siehe Foto unten).
In Momenten wie jenem beim Fotoshooting wird deutlich, welcher Druck auf Katharina Fegebank lastet. Und wie professionell sie bei aller Fröhlichkeit und Spontaneität agiert. Sie weiß um die Macht der Bilder, und überlässt deswegen nichts gern dem Zufall. „Fotografieren Sie aber so, dass man meine Schlachteroberarme nicht so deutlich sieht“, rief sie vor einigen Monaten einem Fotografen zu. Da stand sie, sommerlich gekleidet, auf einem Sprungbrett im Kaifu-Bad. Das muss man sich als Politikerin auch erst einmal trauen. Manchmal scheint sie sich selbst ein bisschen vor ihrer Spontaneität zu erschrecken.
Dass Fegebank viel Wert auf ihre äußere Wirkung legt, dass sie mit der Symbolkraft von Bildern durchaus politisch arbeitet, ist alles andere als typisch für die grüne Partei. Eigentlich war diese vermeintliche Oberflächlichkeit lange verpönt. Es ist noch nicht viele Jahre her, dass zum Beispiel auf Wahlkampfplakaten Köpfe von Kandidaten nichts zu suchen hatten. Kein Personenkult, es zählten nur Inhalte.
Fegebank ist neue Generation grüner Politiker
Katharina Fegebank steht für eine neue Generation grüner Politiker. Sie ist nicht mehr durch das Stahlbad der Endlos-Debatten zwischen Realos und Fundis gegangen, die die Partei über Jahrzehnte geprägt haben. Sie steht für einen pragmatischen Politikansatz ohne ideologische Scheuklappen. Das heißt nicht, dass ihr Grundüberzeugungen fehlen: Wenn es um eine humanere Flüchtlingspolitik geht, wenn es um wirkungsvolle Hilfen für benachteiligte Menschen oder das Thema Wissenschaft und Hochschule geht, werden ihre Argumente schnell prinzipiell.
Die Gesichter der neuen Bürgerschaft
Was ihr erkennbar auch sehr wichtig und nicht typisch grün ist: Für Fegebank darf, ja muss Politik auch Spaß machen können. Sie lacht gern, und dieses Lachen wirkt durchaus ansteckend. Sie hat mit ihrer temperamentvollen und manchmal vielleicht etwas lauten Art des Auftritts die im Laufe der Jahre doch etwas grau, um nicht zu sagen griesgrämig gewordenen Grünen kräftig durchgelüftet.
Die in Bargteheide aufgewachsene Tochter eines Lehrer-Ehepaares hat eine politische Karriere im Schnelldurchlauf hingelegt. Vor zehn Jahren trat sie der damaligen Grün-Alternativen Liste bei, vier Jahre später schon wurde sie mit 31 Jahren die jüngste Parteichefin. Das schwarz-grüne Bündnis im Rathaus war gerade an den Start gegangen, und Fegebank war mit einem Schlag eine der führenden Repräsentantinnen dieser damals bundesweit einmaligen Farbkombination. Ihre verbindlich-freundliche Art, die keine Berührungsängste kennt, machte es ihr leicht, auch persönlich gute Beziehungen zu den Christdemokraten aufzubauen, die doch in der Regel ganz anderen Milieus entstammen als klassische Grüne.
Zweieinhalb Jahre später ließen die Grünen das Bündnis platzen, und es war Katharina Fegebank anzumerken, dass ihr das Aus durchaus naheging, obwohl sie es für unvermeidlich hielt. Aber das ist eine andere Geschichte. Wenige Monate später folgte die aus grüner Sicht enttäuschende Bürgerschaftswahl 2011. Der Traum vom gewissermaßen fliegenden Wechsel aus einer schwarz-grünen in eine rot-grüne Koalition zerplatzte an der absoluten Mehrheit von Olaf Scholz. Aus machtpolitischer Sicht war der Koalitionsbruch letztlich ein Fehlschlag, den auch die junge Landesvorsitzende mitzuverantworten hatte.
Eigentlich erst jetzt konnte Fegebank als Parteichefin ihre Stärken so richtig ausspielen. In der Stunde des großen Frusts über das Scheitern der grünen Großprojekte Primarschulreform und Stadtbahn verordnete sie ihren Parteifreunden einen umfassenden Aufarbeitungs- und Klärungsprozess, an dessen Ende programmatisch deutlich kleinere Brötchen gebacken wurden. Es gelang Fegebank, die unterschiedlichen Lager und Charaktere zusammenzuhalten und der bisweilen ungezügelten Debattenfreude mancher Parteifreunde mit ihrer Ungeduld ein Ende zu setzen. Fegebank steht sehr stark für die Ausrichtung der Grünen als Partei der Bürgerbeteiligung. Ob doch noch einmal Stadtbahn, Olympia oder die Energieversorgung der Zukunft – Fegebank will die Bürger fragen und entscheiden lassen. Kritiker legen ihr das gelegentlich als programmatische Schwäche aus.
Doch die Partei folgt ihr. Sechseinhalb Jahre an der Spitze eines grünen Landesverbands zu stehen und noch dazu mit stets sehr guten Ergebnissen wiedergewählt zu werden, ist fraglos eine Leistung. Fegebank ist längst das Gesicht der Hamburger Grünen, und so war es klar, dass sie mit Fraktionschef Jens Kerstan als Spitzenkandidaten-Duo in die Bürgerschaftswahl 2015 gehen würde. Und Fegebank ging die Sache professionell an: Die Politologin gab ihren Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leuphana-Uni in Lüneburg auf. Lange sah es allerdings so aus, als ob die Grünen erneut im Windschatten der Scholz-SPD, die kurz vor der Wiederholung ihrer absoluten Mehrheit stand, nur ein mittelprächtiges Ergebnis einfahren würden. Der grüne Wahlkampf wurde als zahnlos und weichgespült verspottet, auch weil Fegebank und Kerstan persönlich scharfe Angriffe gegen den beliebten Scholz bewusst vermieden. Dann wurden es doch 12,3 Prozent mit einem Plus von 1,1 Prozentpunkten, und die absolute Mehrheit war geknackt – ganz ohne schrille Töne.
Das Wahlergebnis und die gewünschte rot-grüne Machtoption sind selbstverständlich nicht zuletzt Fegebanks Erfolg. Doch die große Bewährungsprobe steht der Parteichefin nun erst noch bevor. Am Montag werden sich die Verhandlungsdelegationen von SPD und Grünen zum ersten Mal treffen. Fegebank wird dann gegenüber Bürgermeister Olaf Scholz Platz nehmen – einem ausgesprochen geübten Verhandler und ausgebufften Taktierer, der keine Gelegenheit auslässt zu betonen, dass für die Grünen nur ein Anbau, kein Umbau der Regierungsarchitektur infrage komme.
„Ich gehe mit sehr viel Respekt in diese Aufgabe“, sagt Fegebank, die schon früh erklärt hatte, dass die Grünen als „billiger August“ nicht zur Verfügung stehen. Es geht um viel: Die Ökopartei muss nicht nur zu einem präsentablen Abschluss mit der SPD kommen, sondern auch beweisen, dass sie über eine volle, nun fünfjährige Legislaturperiode regierungsfähig ist. Und grüne Herzensangelegenheiten wie das Nein zur Elbvertiefung oder den Aufbau eines Stadtbahnnetzes können die Grünen angesichts des Vetos von Scholz im Grunde schon an der Koalitionstür abgeben. „Es gibt sehr große Erwartungen in der Stadt. Mir ist die Verantwortung sehr bewusst“, sagt Fegebank. Sie will sich auf ihre Stärken konzentrieren: ihre Fähigkeit, sich sehr schnell auf unterschiedliche Inhalte und Charaktere einzulassen, ihre gute Auffassungsgabe und Argumentationsstärke.
Ob es hilft oder eher schadet, dass sie sich seit ein paar Jahren mit Olaf Scholz duzt? „Das werden wir sehen.“ Wichtig seien ihr Verhandlungsgespräche „auf Augenhöhe“. Ihr Vorteil könnte sein, dass viele sie wegen ihrer Extrovertiertheit unterschätzen. Sie hat sich sehr gewissenhaft auf die Gespräche vorbereitet, beklagt aber die geringe Chance zur Regeneration nach dem anstrengenden Wahlkampf.
Es spricht für die Aufrichtigkeit dieser Politikerin, dass sie nie Zweifel daran gelassen hat, dass sie Verantwortung in einer rot-grünen Landesregierung übernehmen, also Senatorin werden will. Am liebsten zuständig für Wissenschaft und Hochschulen. Sollten sich SPD und Grüne einigen, dann würde Katharina Fegebank mit ziemlicher Sicherheit auch Zweite Bürgermeisterin werden. Sie wäre eine erfrischend bunte und lebendige Erscheinung neben dem doch sehr kontrolliert und eher dröge wirkenden Ersten Bürgermeister. „Das spiegelt die Vielfalt der Stadt wider“, würde Fegebank wohl sagen. Mit einem herzhaften Lachen.