Erstmals in einem westdeutschen Landesparlament: Die AfD ist mit knapp sechs Prozent der Stimmen in die Bürgerschaft eingezogen.
Hamburg. Dirk Nockemann steht im Scheinwerferlicht des Fernsehstudios im Hamburger CCH. Es dauert noch ein paar Minuten, bis er den Einzug der Alternative für Deutschland, AfD, in die Bürgerschaft kommentieren soll. Gerade sind alle Kameras auf die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank gerichtet. Sie sagt der AfD einen harten Kampf an. Und Dirk Nockemann, Ex-Senator der Schill-Partei, lächelt. Er nimmt einen Schluck aus dem Wasserglas. Dann schwenkt die Kamera weg von Fegebank.
Die AfD ist mit knapp sechs Prozent der Stimmen in die Bürgerschaft eingezogen. Gerade noch hat es gereicht, nur knapp konnte die Partei ein Scheitern verhindern. Vor einigen Monaten hatte die Partei bei der Wahl in Sachsen noch mit über knapp zehn Prozent der Stimmen triumphiert. Und doch fühlen sich viele in der AfD als Gewinner, denn im November sahen die Umfragen die „Alternative“ in Hamburg bei nur vier Prozent. „Wir haben die absolute Mehrheit von König Olaf verhindert. Jetzt peilen wir die nächsten Einzüge in Bremen und anderen Bundesländern an“, sagt Nockemann dem Abendblatt. Auf Listenplatz 3 kandidierte er für die AfD.
Während Nockemann dem Fernsehen die ersten Statements gibt, jubelt AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse gemeinsam mit etwa 200 Parteianhängern im „Parlament“, dem Restaurant im Gewölbe des Rathauses. Die Partei ist mit dem Ort für ihre Wahlparty ein hohes Risiko eingegangen. Hätte die AfD den Einzug verpasst, wäre die Häme groß gewesen. Nun aber bekommt der Ort Symbolcharakter. Die AfD sitzt erstmals in einem westdeutschen Parlament. „Wir sind in der Bürgerschaft“, ruft Kruse seinen euphorischen Anhängern zu. „Und ihr wisst alle, wir hatten kräftig Gegenwind, aber wir sind trotzdem eingezogen, darauf bin ich mächtig stolz.“ Er habe „immer gesagt“, dass seine Partei in Hamburg zwischen sechs und sieben Prozent erreichen könne, sagte der frühere Professor für Wirtschaftspolitik weiter.
Einst als Euro-Kritiker gestartet, ist die „Alternative“ seit den Wahlen im Herbst in Ostdeutschland stärker auf einen rechten Kurs eingeschwenkt. Im Brandenburger Wahlkampf forderte die Partei, die Grenzen zu Polen wegen häufiger Diebstähle im Grenzgebiet zu schließen. Das Hamburger Wahlprogramm kam weitaus bodenständiger daher. Es ging viel um Verkehr und Bildung. Das Recht auf Asyl bleibe unangetastet, Integration sei zu fördern. Mit Kruse als Professor an der Spitze war die Partei stets um ihr bürgerliches Image bemüht. Und doch hatte Kruse die Partei auch für frühere Politiker der rechtspopulistischen Schill-Partei geöffnet. Unter Wählern der AfD zeigt sich eine größere Ablehnung von Flüchtlingen als bei anderen Parteien. Dennoch setzte die AfD im Wahlkampf auf die Prominenz zweier Hanseaten: auf den Bundesvorsitzenden Bernd Lucke sowie Ex-BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel. Manche in der AfD sagen nun: Hätte man ähnlich wie in Ostdeutschland noch klarer Themen von rechts bespielt, wäre in Hamburg mehr drin gewesen. „Auf den Plakaten war das Wahlkampf mit Kante“, so AfD-Bundessprecherin Frauke Petry. Dort setzte die Hamburger AfD zuletzt stärker auf Themen wie Innere Sicherheit und strengere Zuwanderungspolitik. In den Veranstaltungen hätten jedoch marktliberale Themen rund um den Euro oder das Freihandelsabkommen TTIP dominiert, sagt Petry.
Spitzenmann Kruse hebt auf der Wahlparty hervor, dass es einen „dramatischen Verlust an Plakaten“ gegeben habe, zerstört von linken AfD-Gegnern. Aber „Druck erzeugt Gegendruck, und den werden wir in Zukunft leisten.“ Er und Nockemann wollen in der Opposition mit jeder „vernünftigen“ Partei zusammenarbeiten. Gegnerschaft von Linken und Grünen dürfte der AfD sicher sein. Wie stark aber werden CDU und FDP auf die neue Flanke von rechts im Parlament zugehen? Die FDP konnte sich in Hamburg am Ende stärker als die Kruse-Partei als marktliberale Alternative positionieren. In der CDU dürfte der Einzug der AfD dagegen eine Debatte über das konservative Profil der Christdemokraten auslösen.