Heftige Reaktionen auf Urteil des Verwaltungsgerichts zum Flüchtlingsheim Sophienterrasse in Harvestehude. Widerstände gegen Unterkünfte für Asylbewerber gab es in Hamburg schon häufiger.
Hamburg. Mit Empörung reagieren nicht nur Politiker auf den gerichtlichen Baustopp für die Umwandlung des Kreiswehrersatzamtes in eine Flüchtlingsunterkunft für mehr als 200 Menschen. Viele Anwohner sind ebenso fassungslos. Denn längst nicht alle sind gegen Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft, sondern wollten sich ehrenamtlich engagieren. So wie Hendrikje Blandow-Schlegel, Vorsitzende der Flüchtlingshilfe Harvestehude. Sie sagt: „Diese vorläufige Entscheidung mag juristisch gerechtfertigt sein, moralisch geht sie fehl und an der Lebenswirklichkeit vorbei. Denn die Flüchtlinge leben bereits hier unter zum Teil unwürdigen Umständen. Die Erstaufnahmestellen müssen durch die Bereitstellung von Folgeunterbringungen dringend entlastet werden.“
Auch in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter herrscht überwiegend Unverständnis bei den Kommentatoren. Auf Twitter schreibt ein Nutzer zum verhängten Baustopp: „Finanziell so reich. Und menschlich so erbärmlich. Die Alsteranwohner, die ein Flüchtlingsheim verhindern.“ Sogar Vergleiche mit den diffus fremdenfeindlichen Demonstrationen in Sachsen werden laut: „In Dresden geht Pegida auf die Straße, in Hamburg vor Gericht.“ Bei Facebook ist der überwiegende Tenor ebenso kritisch: „Is doch klar, Flüchtlinge nach Billstedt, Steilshoop, Wilhelmsburg, aber nicht an die Alster“, heißt es dort. Oder auch: „Ob das in anderen Stadtteilen auch so gehandhabt werden würde? Wohl kaum.“ Doch es gibt auch Stimmen, die die Entscheidung des Verwaltungsgerichts juristisch und moralisch nachvollziehen können: So schreibt ein Nutzer: „Ich verstehe nicht, warum Flüchtlinge an der Alster wohnen müssen? Ich kann das schon verstehen, warum die Anwohner das stört. Mal ganz ehrlich, wie sollen Flüchtlinge denn dort für sich einkaufen bei den überzogenen Preisen?“ Andererseits wird auch immer wieder auf eine schlüssige Erklärung gepocht: „Ein Grundsatz unserer Gesellschaftsordnung ist, dass die Justiz unabhängig von der Person richten muss. Daher erwarte ich, dass Richter den Bürgern unserer Stadt die Erklärung nachliefert, warum Harvestehude ein schützenswerter Stadtteil ist und Billstedt nicht.“
Wie sehen nun die weiteren juristischen Schritte aus? Die drei Kläger könnten sich mit dem zuständigen Bezirksamt Eimsbüttel auch außergerichtlich einigen. Die Verwaltung hat am Freitag beschlossen, eine schriftliche sofortige Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht gegen das Urteil einzureichen. Dafür hat das Bezirksamt zwei Wochen Zeit. Auch die Gegenseite kann sich schriftlich äußern. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes ist keine endgültige Entscheidung, gibt aber einen Hinweis auf die Haltung des Gerichtes in dieser Sache. Jetzt gilt erst einmal ein einstweiliger Baustopp bis zum Hauptsacheverfahren. Das entscheidende Gericht kann entweder beide Parteien zu einem Erörterungstermin zusammenrufen oder nach Aktenlage entscheiden. Wie lange der Vorgang dauert, hängt vom Oberverwaltungsgericht ab. Eine Entscheidung innerhalb eines Monates ist wohl möglich, da dieser Fall zwar brisant, aber nicht komplex ist.
Widerstände gegen Unterkünfte für Asylbewerber gab es schon häufiger, so wie zum Beispiel 2013: Die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft am Offakamp in Lokstedt waren geplatzt, weil dagegen Widerspruch eingelegt worden war. Der Bezirk Eimsbüttel wollte 120 Menschen auf dem Gelände des ehemaligen Recyclinghofes unterbringen. Das Oberverwaltungsgericht hatte entschieden, dass eine Wohnunterkunft für Flüchtlinge dem dortigen Bebauungsplan widerspreche, der das Gebiet als Gewerbegebiet auswies. Das Bauplanungsrecht wurde inzwischen geändert. Künftig ist es möglich, Flüchtlingsunterkünfte auch in Gewerbegebieten zu errichten.