Unter dem Motto „Hamburg baut Zukunft“ diskutieren 900 Gäste beim Abendblatt-Neujahrsempfang über Olympia und Bauprojekte. Alexander Bommes: Von 365 Baustellen sollte man jeden Tag eine abarbeiten.
Wenn die Straßen von St. Georg schon am frühen Morgen verstopft sind, wenn über dem Hotel Atlantic eine grüne, 15 Quadratmeter große Abendblatt-Flagge Zeichen setzt, wenn in den Festsälen des Luxushotels ein außergewöhnliches Diskussionsklima herrscht, ... dann hat das Jahr 2015 richtig begonnen.
Der traditionsreiche Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts, am Mittwoch zum 27. Mal zelebriert, zog praktisch alles an, was in der Hansestadt und im Umland Rang und Namen hat. Nicht nur wegen des noch jungen Januars gehört Aufbruchstimmung dazu. Doch standen die Signale vielleicht noch nie derart intensiv und spürbar auf Grün wie dieses Mal. Hamburg, so der Tenor dieses spannenden Vormittags, hat eine erstklassige Chance, sich noch stärker in Szene zu setzen – buten un binnen.
Nicht nur die Vision Olympischer Spiele, der Deckel über die Autobahn 7 oder die bevorstehende Vollendung der Elbphilharmonie inspirierten die Gespräche. Stammgäste stellten übereinstimmend fest, selten eine so fröhliche Atmosphäre wie gestern erlebt zu haben. Wie ein roter Faden durchzog das Motto „Hamburg baut Zukunft“ die Unterhaltungen. „Für viele von uns ist der Begriff Baustelle erst einmal negativ besetzt“, sagte Abendblatt-Verlagsgeschäftsführer Frank Mahlberg in seiner Begrüßungsansprache. Völlig zu Unrecht eigentlich, denn nachher ist es ja meistens schöner. Vielleicht habe diese Einstellung auch damit zu tun, „dass Menschen eigentlich überhaupt keine Veränderungen wollten.“ Mahlberg rief dazu auf, diese Haltung zu ändern. Applaus.
Und warum stand das Thema so markant auf der Tagesordnung? „Weil Hamburg derzeit eine einzige Baustelle ist“, antwortete Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider in seiner launigen Rede. Er meinte das gar nicht negativ. In Anspielung auf Helmut Schmidts früherer Bezeichnung von Hamburg als schlafender Schöne befand Haider: „Diese Schöne ist längst aufgewacht; und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es außerhalb Deutschlands auch mal jemand merkt.“
Leider sei man hierzulande schnell und erfahren darin, gegen etwas zu sein. Lars Haider bezog Position: „Lassen Sie uns ausnahmsweise für etwas sein: für Olympia in Hamburg.“ Wenn es nach dem Grad des Beifalls der anwesenden Multiplikatoren geht, braucht sich der Senat über den Ausgang einer Volksbefragung keine Sorgen zu machen. Unter den Zuhörern befand sich auch Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes.
1200 Süppchen, 4000 warme Gerichte und 2700 Desserts
Die pointiert präsentierten Ansprachen wirkten als Initialzündung für eine lebhafte Debatte. Die letzten Besucher verließen das Atlantic-Hotel nach mehr als drei Stunden. Zur guten Stimmung trug auch eine erlesene Gastfreundschaft bei. 25 Köche hatten alle Hände voll zu tun, 6000 kalte Vorspeisen, 1200 Süppchen, 4000 warme Gerichte und 2700 Desserts zuzubereiten. Mit Köstlichkeiten wie Lachsrouladen mit Honigmelone-Ananas-Würfeln, Matjestatar mit Gewürzgurkengelee, „Currywurst Atlantic“, Rinderfiletspitzen oder getrüffelten Ravioli wurde eine satte Basis für die Baustellen-Diskussion geschaffen.
Wer wollte, nahm Wasser, Kaffee, Grauburgunder Hasenberg oder Cabernet Sauvignon. Bei dieser Wahl ließen sich auch Bürgermeister Olaf Scholz, dessen Ehefrau, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Britta Ernst, Oppositionschef Dietrich Wersich (CDU), Fußballtrainer Felix Magath und Opern-Intendantin Simone Young nicht zwei Mal bitten. Alternativ wurde – sehr passend an diesem Ort – Alsterwasser gereicht.
Klönschnack mit Niveau war angesagt. Die früheren Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau fachsimpelten angeregt. Die ARD-Sportmoderatoren Reinhold Beckmann und Alexander Bommes standen bester Dinge an der Bar. HSV-Präsident Carl-Edgar Jarchow unterhielt sich mit Sternekoch Heinz Wehmann, Uwe Seeler sprach mit Abendblatt-Lesern. Viel mehr Namen, Fotos und Worte stehen auf den folgenden Seiten.
Alexander Bommes sagte: „Von den mindestens 365 Baustellen in der Stadt sollte man jeden Tag eine abarbeiten.“ Professor Heiner Greten, nicht nur Helmut Schmidts Leibarzt, verlangte, die „katastrophale Verkehrspolitik“ ins Visier zu nehmen. Die Melange aus Denkanstößen, Visionen und humorvollen Frotzeleien machte den Reiz. Es passte, dass die Farbe Grün in den Festsälen dominierte. Zum Abschied nahmen die Gäste „Guckis“ mit. Auf diesen Mini-Fernsehern kann man sich ein Bild von Hamburgs Entwicklung machen.