Hausfriedensbruch, Diebstähle, Drogen und Bedrohungen mit Messern: Ein kleiner Teil der jungen Flüchtlinge in Hamburg wird durch Gewaltbereitschaft zum großen Problem.
Hamburg. Es war ein ungewöhnlicher Einsatz, den die Polizei am 11. Dezember in der Erstversorgungseinrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge ableisten musste. Eine Peterwagenbesatzung sicherte Handwerker, die ein Fenster in einem Zimmer einbauten, in dem ein Jugendlicher Flüchtling lieber schlafen und die „Störung“ durch die Handwerker nicht hinnehmen wollte. Dieser vergleichsweise harmlose Vorfall war einer von 42 Einsätzen, die die Polizei vom 7. Dezember bis zum 3. Januar im Zusammenhang mit Minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen ableisten musste. „Das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die tatsächlich von den jungen Flüchtlingen begangene Zahl der Straftaten schätzt er auf ein Vielfaches.
Es geht auch um Delikte wie Hausfriedensbruch oder Marihuana in Einrichtungen des Kinder und Jugendnotdienstes, die sich unter den 42 Einsätzen finden lassen – einige davon mit mehreren Taten und mehreren Beteiligten. Solche „Bagatellen“ sind allerdings Ausnahmen. In neun Fällen ging es um Einbrüche, in vier Fällen um Raubüberfälle und um sechs gefährliche und einfache Körperverletzungen. Hinzu kommen drei Widerstände gegen Polizisten und drei Bedrohungen mit Messern im Bereich der Einrichtungen, die sich gegen Betreuer und in einem Fall zusätzlich gegen Polizisten richteten. Weiterhin stehen in den Akten mehrere Aufbrüche von Autos oder Wohnmobilen, diverse Diebstähle oder auch eine Selbstverletzung, die von einem Jugendlichen begangen wurde, weil Diebesgut aus seinem Zimmer geräumt wurde.
Die für die jugendlichen Flüchtlinge zuständige Sozialbehörde verweist auf den „kleinen Teil“, der stark durch Kriminalität auffällig geworden ist. „Seit 2011 sind 1900 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Hamburg aufgenommen worden“, heißt es aus der Behörde. Dort nimmt man diese Zahl, um den Prozentsatz der sogenannten Intensivtäter, es sind aktuell 28, zu errechnen. 1,47 Prozent ist das Ergebnis. „Diese Rechnung ist unseriös“, sagt Lenders. Viele der in der Zeit nach Hamburg gekommenen jungen Flüchtlinge sind gar nicht mehr minderjährig und können deshalb nicht dort hineingerechnet werden. Nimmt man die Zahl der durch den Landesbetrieb Erziehung und Beratung betreuten jugendlichen Flüchtlinge – es sind mit Stand Ende September 815 gewesen – liegt der Prozentsatz bereits bei 3,4 Prozent Intensivtätern.
Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge durch Kriminalität aufgefallen sind, ist nicht bekannt. Die Statistikprogramme der Polizei lassen keine derartige Auswertung zu. Die jugendlichen Flüchtlinge, die am 14. Dezember in der Feuerbergstraße an dem Vorfall beteiligt waren, bei dem Polizisten mit Messern bedroht wurden, gehören – so ergab die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage – nicht zu den Intensivtätern. Gleiches gilt für die Beteiligten einer Auseinandersetzung, die sich am selben Wochenende in der Unterkunft an der Eiffestraße ereignete.
In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung wies Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) darauf hin, dass 90 Prozent der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge eine Zukunft ohne Kriminalität ermöglicht werde. Für die anderen zehn Prozent wende man alle Möglichkeiten an, die der Jugendhilfe zur Verfügung stünden. Dazu gehört auch ein geschlossenes Heim, das aber noch gebaut werden muss, nachdem man eine geeignete Fläche gefunden hat. Einigen der kriminellen Jugendlichen bescheinigte Scheele in dem Interview eine „erschreckende kompromisslose Überlebenstechnik“.
„Für mich klingt das wie ein Offenbarungseid“, sagt dazu Lenders. „Hier ist etwas völlig aus dem Ruder gelaufen, und man sucht nicht nach neuen Ansätzen.“ Die Polizei müsse feststellen, dass die Taten sich durch immer größere Brutalität und die Täter durch zunehmende Aggressivität auszeichnen. „Es werden aus dieser Gruppe heraus immer mehr Taten produziert, bei denen, wenn sie nicht gegen sich selbst gerichtet sind, immer auch ein Opfer dahintersteht“, sagt Lenders. Gleichzeitig dürfe man nicht alle „über einen Kamm scheren. Es gibt Einrichtungen, die völlig unauffällig sind, weil die Jugendlichen dort Hilfen und Unterstützung annehmen und sich an die Regeln halten“, so Lenders. Bei stark durch Kriminalität auffälligen jugendlichen Flüchtlingen plädiert der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft sogar für eine Abschiebung – „solange sie nicht aus Bürgerkriegsländern kommen“, sagt Lenders. Das trifft auf viele der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge zu. Laut interner Erhebung kommen in den vergangenen Jahren die meisten minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, aus verschiedenen Regionen Afrikas. Im vergangenen Jahr waren es deutlich mehr als die Hälfte. Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, zu dem auch Syrien gehört, machen die kleinste Gruppe aus.