Ein Kommentar von Elisabeth Jessen
Spätestens im Oktober taucht die Frage zuverlässig zum ersten Mal auf. Ich fürchte sie und hoffe, dass niemand sie stellt, aber sie kommt immer: „Was macht Ihr eigentlich Silvester?“ „Am liebsten nichts“, möchte ich entgegnen, aber das muss ich gar nicht mehr, denn meine Freunde kennen meine Abneigung gegen diese sonderbare Nacht. Dieser Anlass für künstliches Amüsement, erzwungene Fröhlichkeit, trunkene Glückseligkeit, die sich bei mir einfach nicht einstellen wird.
Es gibt viele gute Möglichkeiten, sein Geld auszugeben. Silvesterraketen gehören für mich definitiv nicht dazu. Auch wenn ich mit dieser Ansicht offenbar ziemlich allein dastehe: 124Millionen Euro haben die Deutschen beim Silvesterfeuerwerk 2013 verballert. Und es geht schon Tage vorher los. Auch zu Hause, bei den pubertierenden Jungs. Dann, als gäbe es tagelang nichts mehr zu kaufen, tummeln sich die Menschen in den Lebensmittelläden – dabei ist nur der Neujahrstag dazwischen. Und wie sich die Ladentheken biegen unter Sekt, Champagner, Hummer und sonstigem Edelfutter! Mich strengt dieses Überangebot an.
Wie jedes Jahr werde ich am Neujahrstag arbeiten. Also beizeiten ins Bett gehen und nicht mehr trinken, als einem guttut. Wo? Bei Freunden. Sie haben mich zum Fondue-Essen eingeladen. Warum ich die Einladung angenommen habe? Weil es außer Heiligabend der einzige Abend ist, an dem man allein zu Hause das Gefühl hätte, dass einen keiner liebt, dass man keine Freunde hat. Und außerdem erwarten sie von mir keine überschäumende Fröhlichkeit. Sie kennen mich ja.