Immer mehr Bundesländer führen Regelungen zur Kennzeichnungspflicht von Beamten ein. Die Hamburger Innenbehörde wartet noch ab. Die Polizei-Gewerkschaften laufen Sturm.
Hamburg/Stuttgart. Ein Polizist ist an seiner Uniform als Vertreter der Staatsmacht zu erkennen. Der Mensch dahinter bleibt zumindest bei Großeinsätzen anonym. Seit Jahren schwelt bundesweit die Debatte darüber, ob Polizeibeamte durch Namensschilder, spezielle Codes oder individuelle Dienstnummern identifizierbar sein sollen. Baden-Württemberg will jetzt als sechstes Bundesland die sogenannte Kennzeichnungspflicht für Einsatzkräfte einführen. Drei weitere Länder beschäftigen sich mit dem Thema.
In Hamburg ist das Thema dagegen nach Angaben der Innenbehörde derzeit nicht auf der Agenda. „Wir beobachten, welche Erfahrungen andere Länder mit der Kennzeichnungspflicht sammeln“, sagte Behördensprecher Frank Reschreiter auf Anfrage des Abendblatts. Man müsse sich allerdings Zeit nehmen. „Ein Jahr ist notwendig, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dann werden wir das Thema neu bewerten.“
Nur in Bayern und Hamburg besteht keine Kennzeichnungspflicht
Kurz nach Weihnachen hatte der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall angekündigt, dass eine Arbeitsgruppe in seinem Haus Vorschläge für die Umsetzung der Kennzeichnungspflicht erarbeiten soll. Der SPD-Politiker, der selbst als Skeptiker dieser Maßnahme gilt, setzt damit eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag der von Winfried Kretschmann (Grüne) geführten Landesregierung um.
Vorreiter der Kennzeichnungspflicht für Polizisten ist Berlin, das bereits 2011 konkrete Identifikationsmerkmale eingeführt hatte. Auch in Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Bremen und zuletzt Hessen sind die Beamten verpflichtet, erkennbar zu sein - mit jeweils unterschiedlichen Regelungen. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist die Einführung geplant. In restlichen Ländern werden taktische Zeichen getragen, die eine Zuordnung zur Einheit ermöglichen. Im Saarland ist es erwünscht, dass Polizisten auch bei Großeinsätzen Namensschilder tragen. Nur in Bayern und Hamburg besteht keine Kennzeichnungspflicht.
Polizeigewerkschaften sind strikt dagegen
Die in Hamburg regierenden Sozialdemokraten hatten nach langem Streit auf einem Landesparteitag Ende 2012 zwar grundsätzlich für eine Kennzeichnungspflicht gestimmt, allerdings in abgespeckter Form. Danach solle es bei geschlossenen Einsätzen wie Fußballspielen oder Demonstrationen eine anonymisierte Kennzeichnung geben - aber keine Namensschilder, wie sie Streifenpolizisten schon freiwillig tragen. Zudem solle die Einführung nur im Schulterschluss mit den anderen Bundesländern umgesetzt werden.
Die SPD hatte damit eine Konfrontation mit den Polizeigewerkschaften vermieden, die strikt gegen die Kennzeichnungspflicht sind. Innensenator Michael Neumann (SPD) hatte bereits vor zwei Jahren erklärt, dass es in dieser Legislaturperiode keine Veränderungen mehr geben werde.
Wie es nach der Wahl im Februar weitergeht, ist noch offen. Zuletzt hatten die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und CDU im Juni dieses Jahres einen Antrag der Innenexpertin der Linken, Christiane Schneider, für eine Kennzeichnungspflicht abgelehnt. Anders als die Grünen, der mögliche Koalitionspartner der Sozialdemokraten nach der Bürgerschaftswahl 2015.
Die Fronten sind klar: Die Gewerkschaft der Polizei hatte die Entscheidung der Bürgerschaft in einer ausführlichen Pressemitteilung ausdrücklich begrüßt. „Eine zusätzliche Kennzeichnungspflicht drückt erhebliches Misstrauen gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen aus, die sich zunehmend Gewalt der sogenannten Demonstranten ausgesetzt sehen.“