Hamburgs Wahrzeichen fehlen noch immer zwei Glocken. Bis zum Jahresende will die Stiftung St.Michaelis 250.000 Euro sammeln. Im Sommer nächsten Jahres könnten es wieder zehn Glocken geben.

Altstadt. Die acht Glocken im Hamburger Michel rufen regelmäßig zu Gottesdienst und Gebet. Sie mahnen zur Besinnung und geben jede Viertelstunde den Takt der Zeit an. So fulminant an Feiertagen das volle Geläut erklingt – komplett ist es noch lange nicht. Am Donnerstag startete die Hauptkirche St.Michaelis offiziell mit der Aktion „So klingt Hamburg“. Damit sollen die zwei noch fehlenden Schlagglocken der Turmuhr finanziert werden. Bis zum Jahresende will die Stiftung St.Michaelis 250.000 Euro sammeln. Spätestens im Sommer nächsten Jahres könnte es im Turm von Hamburgs Wahrzeichen wieder zehn Glocken geben – so wie es früher einmal war.

Rund 170 Zweit- und Drittklässler der Rudolf-Roß-Grundschule besuchten am Donnerstag ihre Nachbarkirche und läuteten schon mal symbolisch den ersten Advent ein. Mit handtellergroßen Glöckchen und sanften Orgelklängen sangen sie das Lied „Kling Glöckchen“ und lauschten der Adventsgeschichte von der Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel. Die kleinen Messingglocken stammen übrigens aus einer Nürnberger Glockengießerei und sind ab sofort zum Preis von 15 Euro erhältlich. „Vier Euro davon fließen in die Finanzierung der beiden neuen Glocken“, sagt Michael Kutz, Geschäftsführer der Stiftung St.Michaelis. Die Stückzahl der handlichen Weihnachtsglocken sei allerdings in diesem Jahr auf 950 begrenzt. „Im nächsten Jahr produzieren wir mehr.“

„Wer Gott zum Trotz hat, der wird siegen“

Vor allem die Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren hat dazu beigetragen, dass der Michel sein Geläut komplettieren will. Ausgerechnet der damalige Hauptpastor August Wilhelm Hunziger hielt in den ersten Kriegsmonaten zahlreiche Predigten mit einem feurigen Plädoyer für den Kampf. Es waren Worte, die Mut für den Kriegseinsatz machten, aber nicht für den Frieden. „Wer Gott zum Trotz hat, der wird siegen“, ermutigte der Geistliche seine Gemeinde von der barocken Michel-Kanzel herab.

Wie in anderen Teilen Deutschlands wurden auch in Hamburg Glocken eingeschmolzen, um daraus Kanonen zu produzieren. Aus dem Friedensgeläut wurde Kanonendonner. „Bis zum Jahr 1917 hat der Michel neun seiner zehn Glocken weggegeben“, sagt Stiftungsgeschäftsführer Kutz. Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich das Drama: Auf der Veddel befand sich Deutschlands größter Glockenfriedhof. Nach den Plänen des NS-Regimes sollte es im ganzen damaligen Deutschen Reich nur noch an zwölf ausgewählten Gotteshäusern Glocken geben.

Mit zwei neuen Glocken will nun die St.-Michaelis-Kirche ein Zeichen für den Frieden setzen. Die erste Glocke soll ein Gewicht von 3300 Kilogramm und einen Durchmesser von 1,75 Metern haben. Als Vater-unser-Glocke wird sie die Inschrift „Vater vergib“ haben. „Wir planen, dass Geistliche der früheren Weltkriegsnationen Deutschland, England, Frankreich und Russland diese Glocke weihen“, sagt Kutz.

„Er ändert Zeit und Stunde“

Die zweite Glocke wird vor allem als Halb-Stunden-Glocke zum Einsatz kommen. Das 1700 Kilogramm schwere Exemplar mit der biblischen Inschrift „Er ändert Zeit und Stunde“ komplettiert jene Glocke, die schon jetzt rund um die Uhr jede Viertelstunde anzeigt. Wenn bis zum Jahresende die Spendensumme erreicht ist, erfolgt nach offizieller Ausschreibung die Vergabe des Auftrags an eine Glockengießerei. Bis jetzt konnte die Stiftung 96.000 Euro einnehmen. Zu den Unterstützern der Aktion zählen Haspa-Filialen, wo es Bestellflyer für die handgroße und 15 Euro teure Weihnachtsglocke gibt. „Mit dieser Aktion ruft die Stiftung die Hamburger auf, ein Zeichen des Friedens zu setzen und für den Guss der zwei Glocken zu spenden“, sagt Michel-Sprecherin Ines Lessing.

Mit seinen neuen Glocken hatte der Michel nicht immer Glück. So musste die vor einigen Jahren geweihte „Jahrtausendglocke“ wieder eingeschmolzen werden. Ein 15 Jahre alter Schüler hatte Missklänge beim Läuten beobachtet. Die Ursache: ein 30 Zentimeter langer Riss im Material. 2008 konnte das neue Exemplar in den Dienst gestellt werden.

Ob sich die Michel-Anwohner über zwei weitere Glocken freuen werden, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit gab es häufiger Beschwerden, weil die Turmuhr tatsächlich rund um die Uhr schlägt. „Im Moment haben wir einen Burgfrieden“, sagt Michael Kutz. „Und den wollen wir nicht aufs Spiel setzen.“ Welchen Ton die beiden neuen Schlagglocken haben werden und wann sie läuten – darüber wird der Kirchengemeinderat noch entscheiden.

Weitere Informationen: www.so-klingt-hamburg.de