Jeder darf im Großen Chor mitsingen. Die Chormitglieder müssen sich Mühe geben. Auch auf das soziale Miteinander wird großen Wert gelegt. Wenn jemand nicht den Ton trifft, wird daran gearbeitet.
Lurup. Elitäres Gehabe kann Chorleiterin Astrid Demattia nicht leiden. Wer im Großen Chor des Goethe-Gymnasiums singen möchte, der darf das. Jeder ist willkommen. Das ist die Maxime der Chorleiterin, seitdem sie als Referendarin erlebt hat, wie ein Fünftklässler vorsingen musste, aber wegen seines „Brummens“ aussortiert und ausgelacht wurde. Es ist eine freundliche Atmosphäre hier beim Einstimmen an diesem Nachmittag in dem Musikraum des Gymnasiums.
Bei allem Verständnis für schiefe Töne – das bedeutet nicht, dass Frau Demattia keine hohen Ansprüche stellt. Die Schüler müssen sich als Chormitglied Mühe geben. Auch auf das soziale Miteinander legt sie großen Wert. Wenn jemand mal nicht den richtigen Ton trifft, wird daran gearbeitet. Seit 1985 schon gibt es den gemischten Chor, der sich aus Schülern der Klassen 7 bis 12 zusammensetzt. Er ist eine Institution in dem sozial schwachen Stadtteil.
Die Besten singen im Kammerchor und müssen dennoch auch im Großen Chor mitmachen, damit sie nicht überheblich werden. Bodenhaftung ist das Motto. Zu verstecken braucht sich der Große Chor nicht, er zählt zu den weltbesten Schülerchören. Zum Repertoire gehört unter anderem die Messe „The Armed Man“ von Karl Jenkins samt geplantem Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall im Januar 2015. Wichtiger vielleicht als die Erfolge ist der pädagogische Wert des „Integrationsprojektes Großer Chor“. Hier können alle Schüler jahrgangs- und altersübergreifend etwas erarbeiten. Egal aus welcher sozialen, kulturellen oder ethnischen Richtung der Schüler kommt: Im Chor sind alle gleich und schaffen ein „Wir-Gefühl.“
Die jüngeren Schüler lernen von den älteren und umgekehrt. „Diese Unterstützung ist mir wichtig“, sagt Frau Demattia. Sophie, 15, und Julia, 14, sind über das Singen beste Freundinnen geworden. Abiturient Yannick, 18, ist quasi in der zweiten Generation dabei: Schon seine Eltern haben im Goethe-Chor gesungen. Auch wenn die Proben und Aufführungen anstrengend seien, am Ende habe sich die Arbeit immer gelohnt. Sophie: „Auf das Ergebnis können wir jedes Mal stolz sein.“ Im Stadtteil sind Eintrittskarten für Chorkonzerte inzwischen so begehrt, dass die Interessenten schon Wochen vorher im Schulsekretariat danach fragen.
Und schiefe Töne? Wenn es mal auf jede Stimme ankommt, setzt derjenige kurz aus. Meistens ist es nicht schlimm, wenn bei 100 Sängern der eine oder andere nicht den richtigen Ton trifft.