Hamburger Tropenmediziner und Soldaten des Bundeswehrkrankenhauses bauen in Liberia eine Spezialklinik auf. Ein Bericht aus einem Land, das langsam lernt, mit der ständigen Gefahr zu leben.
Monrovia/Hamburg. Hände waschen! Als die Hamburger Soldaten auf dem Flughafen der liberianischen Hauptstadt Monrovia eintreffen, müssen sie sich wie alle anderen Reisenden in eine Warteschlange stellen. Eine resolute Liberianerin wacht darüber, dass jeder Ankömmling sich die Hände mit einer Chlorlösung desinfiziert. Danach wird die Körpertemperatur mit einem Distanzthermometer gemessen. 36,3 Grad zeigt die Skala bei Oberstabsfeldwebel Michael Peilstöcker, 42. Nun steht der Einreise ins Ebola-Gebiet nichts mehr im Wege.
Mit Peilstöcker trifft auch Oberfeldarzt Hinrich Sudeck, Leiter des Fachbereichs Tropenmedizin am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg, auf dem Airport des westafrikanischen Landes ein. Der 58-Jährige gehört ebenfalls zur Gruppe von Bundeswehrangehörigen, die gegenwärtig in der Millionenmetropole Monrovia gegen Ebola kämpfen und dort gemeinsam mit DRK-Mitarbeitern ein Krankenhaus mit Isolierstationen (Ebola Treatment Unit) aufbauen. Wenn alles fertiggestellt ist, können dort bis zu 100 Patienten behandelt werden. Sie sollen von rund 300 einheimischen Ärzten und Pflegern betreut werden.
Seit Monaten wird Liberia von der Epidemie besonders heimgesucht. Fast die Hälfte aller rund 5000 Ebola-Todesfälle ist in Liberia zu beklagen, heißt es bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. „Viele Ärzte und Pfleger sind in den vergangenen Monaten bereits gestorben oder auch entmutigt“, sagt Oberfeldarzt Sudeck dem Abendblatt. Die US-Gesundheitsbehörde CDC warnt, die Zahl der Infektionen in Afrika könne bis zum Januar 1,4 Millionen erreichen, sollten keine verstärkten Maßnahmen getroffen werden.
Tropenarzt Sudeck und der examinierte Krankenpfleger Peilstöcker arbeiten nun voraussichtlich bis Ende Januar in einem Land, das langsam lernt, mit der ständigen Gefahr zu leben. Überall in der Stadt, so berichten sie, findet man an den Eingängen von Geschäften und öffentlichen Einrichtungen bunte Plastiktonnen mit Ventil. Mit dem Wasser sollen die Menschen ihre Hände reinigen und danach mit einer Chlorlösung desinfizieren. Zudem warnen Transparente vor Ebola und geben Hinweise zu Schutzmaßnahmen. „Es ist deutlich mehr Leben in den Straßen als vor einiger Zeit, mehr Musik. Aber noch immer sind Schulen und Firmen geschlossen“, sagt Dr. Sudeck. „Die Ausgangssperre ist auf Mitternacht verlegt, sodass sich die Menschen freier bewegen können.“
Mediziner reiste mit gemischten Gefühlen ins Ebola-Gebiet
Allerdings fürchtet der Hamburger Tropenarzt, dass mit der langsam wiedergewonnenen Normalität „Achtsamkeit und Vorsicht gegenüber Ebola zu schnell fallengelassen werden“. In Gesprächen mit Einheimischen, fügt Michael Peilstöcker hinzu, sei das große Trauma zu spüren, das der Ebola-Ausbruch bei den Menschen verursacht habe. Der Arbeitsalltag der beiden Helfer aus Hamburg ist von Teambesprechungen und medizinischer Praxis geprägt. Zum einen müssen Gespräche mit lokalen Netzwerken unterschiedlicher Hilfsinitiativen, mit Ministerien und Regierungsorganisationen geführt werden. „Das können Termine in der Deutschen Botschaft sein, im Krisenzentrum, wo alle Fäden zusammenlaufen. Und die Erkundung und Koordinierung mit den US-amerikanischen Streitkräften“, sagt Oberstabsfeldwebel Peilstöcker. Zum anderen gebe es das sogenannte Hot Training mit der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Dort assistieren die deutschen Experten den erfahrenen Mitarbeitern bei der Versorgung von Erkrankten.
Extreme Sorgfalt richten die Helfer auf die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen. Jeder Fehler, jede Nachlässigkeit könnte im schlimmsten Fall tödlich für sie sein. Um die Gefahren zu bannen, wurden die Soldaten intensiv geschult. Bei der einwöchigen Ausbildung in Schleswig-Holstein stand der sichere Umgang mit der Schutzkleidung genauso auf dem Programm wie die Anwendung von Desinfektionsmaßnahmen und das Verhalten im Ansteckungsfall. „Die Freiwilligen wurden insbesondere in der Infektionsbekämpfung und im Selbstschutz bei der Behandlung von infektiösen Patienten geschult“, sagt Oberstleutnant Jürgen Bredtmann von der Führungsakademie der Bundeswehr. Hinrich Sudeck und Michael Peilstöcker haben sich, wie alle anderen Soldaten auch, freiwillig für diesen Einsatz gemeldet. Sie wissen, dass sie ein hohes Risiko eingehen, halten es aber für beherrschbar. Tropenmediziner Sudeck verweist auf seinen reichen Erfahrungsschatz in Krisenregionen und sagt zu seinem Engagement: „Wer, wenn nicht wir Tropenmediziner? Und wer, wenn nicht eine Abteilung der Bundeswehr, die sich seit Jahren mit hochinfektiösen Erkrankungen als Schwerpunkt beschäftigt?“ Soldat Peilstöcker gesteht allerdings, dass er zunächst durchaus mit gemischten Gefühlen in diesen Einsatz gegangen sei.
Bald wird die Ebola-Klinik in Monrovia stehen. Danach geht der Kampf gegen die Epidemie weiter. Material, sagt Sudeck, sei genügend vorhanden. Was fehlt, seien Hubschrauber und eine bessere Koordination der Aktivitäten. „Außerdem braucht das völlig darnieder liegende ‚normale‘ Gesundheitssystem Hilfe zum Neuanfang.“ Liberia müsse lernen, in Zukunft mit dem Risiko Ebola zu leben und zu arbeiten.