Wilhelmsburg . Was tun, wenn man eine Stadtteilschule leitet, an der 50 Prozent der Schüler mit dem Vorläuferwissen eines Vierjährigen starten? Wenn ein Großteil nur ein paar Sätze Deutsch spricht und sich die Motivation zum Lernen in Grenzen hält?
Was ein unlösbares Problem scheint, ist für Schulleiter Jörg Kallmeyer und Projektkoordinator Gottfried Eich Grundlage für ein einmaliges Schulprojekt. Gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg, der IBA Hamburg GmbH und dem Verband Schiffbau Meerestechnik wurde im Jahr 2012 das Maritime Zentrum Elbinseln gegründet. Es ist ein völlig neuer Lernort, den die Kooperationspartner entwickeln. Die Schüler können hier durch die Arbeit an maritimen Themen wie Schiffbau und Hafenwirtschaft oder an Forschungsfragen aus der Polar- und Meeresforschung ihre Begabungen entfalten und Kompetenzen erwerben.
„Wir möchten, dass die Schüler bei uns forschend lernen und lernend forschen“, sagt Gottfried Eich. Und das auf greifbare Art und Weise. Die Schüler haben ein Hausboot renoviert, sie gestalten Pontons, sie bauen ein Boot, erleben Projekttage im Watt und reisen virtuell mit dem Forschungsschiff Polarstern in die Antarktis. Ihre Erfahrungen bereiten sie für den Unterricht und ihre Mitschüler auf.
Der 15 Jahre alte Yener aus der 10c hat im vergangenen Jahr sechs Wochen lang mit den Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis via Internet die Hydrothermalquellen erforscht. Mitschülerin Asena beschäftigte sich mit dem Leben an Bord, Can mit der politischen Situation in der Antarktis. „Das Projekt war spannend, weil wir über den Kontakt mit den Wissenschaftlern das Gefühl hatten, vor Ort zu sein“, sagt Yener. Höhepunkt der Arbeit war die Präsentation ihrer Ergebnisse auf der Klimawoche im Internationalen Maritimen Museum. „Es geht uns darum, den Schülern die Welt so zu zeigen, wie sie diese vielleicht noch nie gesehen haben“, sagt Renate Treffeisen vom Alfred-Wegener-Institut. „Die Schüler sollen das Kleinste erfassen, um das Große zu verstehen.“ Die Vision aller Kooperationspartner sei, virtuelle Welten in die Schule zu tragen und auf diesem Wege Wissenschaft zu betreiben. Oder wie Peter Tamm, Gründer des Maritimen Museums, es ausgedrückt hat: „Nur gemeinsam können wir in unserer Gesellschaft etwas erreichen. Das Wir ist entscheidend, nicht das Ich.“