Ein Mini-Fluggerät, angetrieben von Elektrorotoren mit Hochleistungsakkus, bringt eine Kamera in luftige Höhen. 334 Aufstiege wurden allein in diesem Jahr in Hamburg genehmigt. Werden Drohnen zur Gefahr?

Hamburg. Ein sonniger Morgen in Ohlsdorf. Ein Mann steckt auf einer Wiese ein etwa drei mal drei Meter großes Feld mit rotem Flatterband ab. Er kontrolliert die Rotoren seiner Drohne, bringt die Hochleistungsakkus und die Digitalkamera an, startet den kurzen Funktionstest. Ein Piepen. Nacheinander drehen alle acht Rotoren ein paar Sekunden auf. Bevor es dann in die Luft geht noch ein kurzer Anruf beim Tower am Flughafen Fuhlsbüttel. „Moin! Thorsten Ahlf spricht hier. Ich habe eine Fluggenehmigung für einen Drohnenflug in Ohlsdorf.“ Er gibt die Nummer der Genehmigung durch und los geht’s.

Beim Abheben klingt das ein wenig wie ein Hornissenschwarm. Auf einem kleinen Sieben-Zoll-Monitor der Fernbedienung kann der Fotograf neben den wichtigsten Flugdaten sehen, was seine Kamera sieht. Mit einem Kippschalter löst er aus. Freibad. Klick. S-Bahn-Station Ohlsdorf. Klick. Gefängnis Santa Fu. Klick. Ach, da kommt gerade eine S-Bahn. Klick. Ahlf dreht seine Drohne. Fliegt ein wenig hin und her. Innerhalb kurzer Zeit hat er alle Fotos im Kasten.

Was so einfach und unkompliziert klingt, bereitet Harry Denz immer mehr Kopfzerbrechen. Denz sitzt weit weg in der Innenstadt. Sein Büro liegt im zweiten Stock der Wirtschaftsbehörde am Alten Steinweg. „Luftaufsicht“ steht an der Tür. Auf dem Schreibtisch türmen sich die Akten in dezent farbigen Papphüllen. Wer Harry Denz auf das Stichwort Drohnen anspricht, muss Zeit mitbringen. Bei dem Thema sprudelt es aus dem 59-jährigen Beamten nur so heraus. Etwa ein Drittel seiner Arbeit verbringt er mittlerweile damit. Er ist es, der darüber entscheidet, ob eine Drohne hier starten darf – oder nicht. Er vertritt Hamburg im gemeinsamen Ausschuss aller Bundesländer zu diesem Thema. Kurz: Harry Denz ist Hamburgs „Herr der Drohnen“.

Was früher mit Hebebühnen gemacht wurde, ist heute viel unkomplizierter

Nicht ohne Stolz berichtet Denz: Alle anderen Großstädte in Deutschland haben bei Weitem nicht so viele Anträge wie Hamburg. Da kommt selbst Berlin nicht mit. Seit Jahresbeginn wurden 334 Drohnenstarts in der Hansestadt genehmigt – im ganzen Jahr 2013 waren es nur 179. Insgesamt gibt es hier rund 150 lizenzierte Drohnenlenker. „Das ist wie eine Flutwelle über uns hineingebrochen. Erst fing es 2012 ganz gemütlich an. Jetzt werden pro Woche mindestens sieben Anträge auf Startfreigabe gestellt“, sagt Denz. Im Wesentlichen seien das Flüge für Fotoaufnahmen von Medien, auch von Immobilienfirmen und Maklern, die angebotene Häuser so besser in Szene setzen wollen. Immer mehr Filmteams arbeiten zudem mit Drohnen.

Was früher mit Hebebühnen oder Hubschrauberflügen gemacht wurde, kann damit heute viel günstiger und besser erledigt werden. „Die Möglichkeiten bringen die Regisseure auch auf völlig neue Szenenideen“, sagt Denz. Hubschrauber können und dürfen halt nicht in ein paar Metern Höhe durch die Straßenschluchten der Großstadt fliegen. Drohnen schon. Wenn Harry Denz sein „Go“ gibt.

Eine Drohne für professionelle Film- oder Fotoaufnahmen kostet so viel wie ein Mittelklassewagen. Die vier bis acht kleinen Elektromotoren mit den Rotoren sind in einem Kreis von etwa einem Meter um die Steuerzentrale platziert. Jeder Motor bewegt die Rotoren im Schwebebetrieb (also im Stillstand in der Luft) mit etwa 4000 Umdrehungen pro Minute. So ein unbemanntes – mit Kamera etwa fünf Kilo schweres – Fluggerät kann bis zu 70 Kilometer pro Stunde schnell fliegen und mit maximal zehn Metern pro Sekunde in die Höhe jagen. Hamburg ist das einzige Bundesland, das für jeden Start eine einzelne, auf den jeweiligen Tag beschränkte Genehmigung verlangt. Schleswig-Holstein oder Niedersachsen erteilen pauschale Genehmigungen für ein oder sogar zwei Jahre. „Die Sicherheit in der dicht besiedelten Metropole und der Flughafen in der Stadt erfordern, dass wir strenger sind“, sagt Denz.

Sicherheit und Datenschutz sind oberste Prämissen

Sicherheit und Datenschutz sind oberste Prämissen für jede Starterlaubnis: „Ich habe auch schon Anträge von Detekteien für einen Drohneneinsatz bekommen. Die wollten allen Ernstes mit den ferngesteuerten Fluggeräten in die Fenster schauen“, empört sich Denz. „So etwas genehmige ich nicht!“ Die Datenschutzverpflichtung muss jeder „Pilot“ unterschreiben. Mit der Polizei kontrolliert die Luftaufsicht die Einhaltung der Auflagen. Auch den Antrag eines Filmteams, eine Verfolgungsjagd im Straßenverkehr über die Kennedybrücke aus einer Drohne zu filmen, hat Denz abgelehnt. „So etwas ist mir einfach zu gefährlich.“ Überhaupt muss jeder Antragsteller vor dem ersten Start bei ihm vorstellig werden: Denz verlangt das Datenblatt der Drohne oder eine Vorführung der Flugtauglichkeit von Gerät und „Piloten“, den Nachweis einer Flugschulung, eine Haftpflichtversicherung und die Unterschrift unter der Datenschutzerklärung.

Die Einsatzgebiete für Drohnen werden immer vielfältiger: Wissenschaftler an der Uni Hamburg und der Technischen Universität Harburg untersuchen damit beispielsweise Windräder oder die Bewegungsabläufe von Ruderern. Für die Landvermessung werden sie genutzt, und im Hafen hofft eine Firma, das Aufschütten von Halden mit ihnen bald besser steuern zu können. „Da kommt aber noch viel mehr“, ist Denz sich sicher. Die Feuerwehr überlege etwa, eine Drohne für die bessere Brandbekämpfung in großen Hallen oder unübersichtlichem Gelände einzusetzen. Das sei schon recht konkret.

Vieles ist also denkbar, so Denz. „Nur eines mit Sicherheit nicht“, lacht er dann: „Die Amazon-Idee, Pakete per Drohne zu verschicken, wird es in Deutschland auf keinen Fall geben.“ Auch den werbewirksam ausgeschlachteten Test der Post mit einem Drohnen-Paketboten oder die Ankündigung eines Hamburger Pizzaservice für die unbemannte Lieferung verweist er ins Reich der PR-Träume und der Werbegags. Denz: „Da sind sich die Kollegen der Luftaufsicht in allen Bundesländern einig: Das wird es alles nicht geben!“

Harry Denz beschäftigt sich aber nicht nur mit Drohnen. Er ist zuständig für alle luftrechtlichen Änderungen in der Stadt. Er kontrolliert mit seinen Mitarbeitern die Landeplätze für die Rettungshubschrauber an den Krankenhäusern und begutachtet jedes Bauvorhaben an den Flughäfen. Auch die Luftaufsicht in Fuhlsbüttel ist ihm unterstellt. Jeder Tiefflug über der Stadt, die Aufstiege von Heißluftballons, Flugveranstaltungen etwa zum Hafengeburtstag oder bei Airbus müssen genehmigt werden. Selbst wenn bei einer Hochzeit massenhaft kleine bunte Gasballons in den Himmel aufsteigen, braucht das sein Okay. „An den Ballons darf nichts Metallisches sein, und der Tower muss ebenfalls involviert sein“, sagt Denz. Das kann bedeuten, dass man vielleicht mit den Ballons eine Viertelstunde warten muss, bis Flugzeuge gestartet oder gelandet sind. In der Regel werde es aber genehmigt.

Frequenzüberlagerungen können zum echten Problem werden

Anders als bei den Drohnen, für die auch immer mehr Anträge zum Einsatz bei Massenveranstaltungen gestellt werden: Hafengeburtstag, große Konzerte oder die Cruise Days. „Da haben wir dann strenge Auflagen. Die Drohnen dürfen vor allem nie über Menschen fliegen“, sagt Denz. Obwohl ihre Technik schon sehr gut ist, wie er bestätigt. Die professionellen Geräte sind mit GPS ausgestattet und bleiben bei Verlust des Funkkontaktes zunächst auf Position, bevor sie automatisch an den Startpunkt zurückkehren und dort langsam absinken.

Dennoch sei es vorgekommen, dass sich eine Drohne selbstständig gemacht hat. In der Großstadt gibt es zu viele Frequenzüberlagerungen und elektronische Ablenkungen, besonders im Hafen: So ein riesiger metallischer und mit Elektronik ausgestatteter Körper wie die „Queen Mary 2“ sei da ein echtes Problem. Auch von ihr müssen die Drohnen ordentlich Abstand halten. Beim Besuch von Kriegsschiffen, deren elektronische Abwehrmechanismen teilweise mehrere nautische Meilen weit reichen, gibt die Stadt gar keine Startgenehmigungen für den Hafen mehr. „Zu gefährlich“, sagt Denz.

Viel mehr Sorgen bereitet ihm allerdings der Wildwuchs bei den billigen Drohnen. Die Dinger sind bei Weitem nicht so sicher wie die Profigeräte und ihre „Piloten“ auch längst nicht so gewissenhaft. „Eigentlich sollten die gar nicht so verkauft werden dürfen“, meint Denz. Erst vor wenigen Wochen ist so ein Gerät über einem schweren Unfall herumgeflogen – nur mal um zu gucken. Dabei hätte es gut eine Kollision mit dem Rettungshubschrauber geben können. „So bitter das klingen mag“, sagt Harry Denz – und hält kurz inne –, „ich warte eigentlich nur auf den ersten großen Crash mit einer Drohne.“

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