Der Filmproduzent Gyula Trebitsch konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken, als er 2005 im Alter von 91 Jahren starb. An diesem Montag ist er vor 100 Jahren geboren worden.
Hamburg. Es gibt nicht viele Medienmanager, nach denen in Hamburg Schulen benannt worden sind, aber es gab auch nicht viele Menschen, die sich so für den Medienstandort Hamburg eingesetzt haben wie Gyula Trebitsch. Der Produzent, Kinobetreiber und Studio-Hamburg-Gründer, von dem das Fachblatt „Variety“ schrieb, er habe Hamburg auf die Film-Landkarte gebracht, konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken, als er 2005 im Alter von 91 Jahren starb.
Nachdem er von den Nazis zu Zwangsarbeit verpflichtet wurde und ins KZ musste, baute er sich nach dem Krieg, ausgehend von Itzehoe, sein Imperium auf. Er ermöglichte Filme wie „Der Hauptmann von Köpenick“, „Des Teufels General“, „Das Herz von St. Pauli“ sowie den ZDF-Zweiteiler „Die Geschwister Oppermann“. An diesem Montag vor 100 Jahren ist er geboren worden. Seine Kinder Katharina und Markus Trebitsch sind beide Produzenten geworden. Ein Erinnerungsgespräch.
Hamburger Abendblatt: Worin sehen Sie aus heutiger Sich die größte berufliche Errungenschaft Ihres Vaters?
Katharina und Markus Trebitsch: In der Gründung von Studio Hamburg.
Was haben Sie als Produzenten von ihm gelernt?
Markus: Geduld.
Katharina: Wachheit.
Was machen Sie ganz anders als er?
Katharina und Markus: So wenig wie möglich.
Wie schwer ist es ihm gefallen, als Jude im Nachkriegsdeutschland privat und beruflich einen Neuanfang zu wagen?
Katharina und Markus: Durch die Gründung unserer Familie hat er die Kraft und Zuversicht gehabt, im Nachkriegsdeutschland zu leben und zu arbeiten.
Hatte er nicht auch ein optimistisches Naturell?
Katharina: Das kommt dazu. Er hat gedacht, die Familie ist das Zuhause, nicht die Postleitzahl. Dann wird es klappen.
Markus: Und damit hat er recht gehabt.
Wie war er als Vater?
Katharina und Markus: Bestimmend, mit einem gleichzeitig grenzenlos großzügigen Herzen. Er war eine Autorität und sagte, wie er sich die Dinge vorstellte. Trotzdem sieht man natürlich als Kind die Dinge anders.
Worüber konnte man sich mit ihm streiten?
Katharina: Ich habe mich einmal sehr mit ihm gestritten, weil ich anders gewählt habe, als es bei uns Zuhause üblich war. Nach vier Wochen bekam ich von ihm einen Anruf, dass es doch in Ordnung gewesen sein könnte. Für ihn selbst aber kam eine Änderung seiner politischen Meinung nicht in Frage.
Markus: Ende der 60er-Jahre war das politische Verhältnis von Vätern und Söhnen differenzierter als heute. Ich fand die APO interessant. Er hat die Opfer gesehen, darüber waren wir nicht einer Meinung. Als ich älter wurde, hat sich meine Sichtweise dieser Dinge teilweise wieder geändert.
Er war SPD-Mitglied. Kam auch etwas anderes in Frage?
Katharina und Markus: Nein, er war da bedingungslos. Wir sind auch SPD-Mitglieder. Manchmal gibt es Zweifel, aber auszutreten würden wir uns nicht trauen. Wir saßen zu Hause oft am Tisch und haben diskutiert. Auch unsere Mutter war eine streitbare und sehr selbstbewusste Frau. Wir hatten oft mehr Meinungen als Anwesende. Das war anstrengend, aber ein gutes Training. Andere Meinungen waren für uns keine Überraschungen.
Ist es vorgekommen, dass er mit Ihnen über seine Erfahrungen während des Krieges und der Nazi-Herrschaft gesprochen hat?
Katharina: Sehr viel und relativ spät. Dafür bin ich ihm dankbar. Bestimmte Dinge kann man nicht ertragen und begreifen, wenn man klein ist.
Markus: Als in den 60er-Jahren im Fernsehen die Dokumentationen über die NS-Verbrechen liefen, hat er uns mit dem Thema vertraut gemacht, aber keine Details aus seiner Lagerzeit erzählt. Darüber hat er erst gesprochen, als wir erwachsen waren. Seit die Mauer gefallen ist, gehen wir jedes Jahr am 1. Mai in das Konzentrationslager nach Wöbbelin, aus dem er befreit worden ist. Auch unsere Mutter ist mitgekommen. Das war für ihn ein zutiefst trauriges, aber auch ein wichtiges Erlebnis, denn er hat das Lager überlebt – leider mit viel zu wenigen.
Katharina: Wir werden mit diesen Besuchen weitermachen.
Auf welche eigenen Projekte freuen Sie sich in der vor uns liegenden Zeit besonders?
Markus: Auf den neuen Fernsehfilm „Bis zum Ende der Welt“ mit Christiane Hörbiger. Erzählt wird darin die Geschichte einer Roma-Familie in Hamburg. Die ARD zeigt ihn am 17. November um 20.15 Uhr.
Katharina: Ingmar Bergman hat mir einmal geraten: Sprich vorab nicht zu viel über deine Filme, denn dann werden sie nicht gemacht. Deshalb nur dieses: Es wird ein Film für den WDR, basierend auf einer wahren Geschichte, bei der man lachend lernen kann.
Wird der 100. Geburtstag von Ihnen gefeiert?
Katharina und Markus: Ja, mit einem gemeinsamen Essen in der Familie. Auf der Speisekarte stehen Gulaschsuppe und Butterkuchen. Das gab es bei seinen großen Geburtstagen auch.
Buchtipp: Michael Töteberg, Volker Reißmann: „Gyula Trebitsch“. Ellert & Richter Verlag. 152 Seiten. 14,90 Euro
Kinotipp: Hommage für Gyula Trebitsch: „Der Hauptmann von Köpenick“, Abaton, Mo, 17.00