Die Zusammenarbeit zwischen den Spitzenkandidaten der Grünen für die Bürgerschaftswahlen, Katharina Fegebank und Jens Kerstan, läuft keineswegs reibungslos. Noch hat sich das Duo nicht zu einer Einheit zusammengefunden.
Hamburg. Es war ein Ausbruch der guten Laune, in die sich ganz viel Erleichterung nach einem langen parteiinternen Wahlkampf mischte: Unmittelbar nachdem die Mitglieder der Grünen ihr Spitzenduo für die Bürgerschaftswahl gewählt hatten, stellten sich Katharina Fegebank und Jens Kerstan den Fotografen. Es wurden optimistische Bilder mit viel grüner Symbolik: Die Parteichefin – 90 Prozent Zustimmung ohne Gegenkandidatin – und der Fraktionschef, der sich nur hauchdünn gegen Ex-Justizsenator Till Steffen durchsetzte (Kerstan: „ein Herzschlagfinale“), hielten lachend Sonnenblumensträuße in ihren Händen und trugen grob gestrickte grüne Schals. Dann schlüpfte jeder noch unter einen grünen Regenschirm, damit sie kein Parteifreund jemals im Regen stehen lassen kann ...
Das ist jetzt genau vier Wochen her, doch seitdem ist mit Blick auf die Wahl in dreieinhalb Monaten nicht viel geschehen. Im Gegenteil: Fegebank und Kerstan, so scheint es, haben bislang nicht zu einer schlagkräftigen Einheit gefunden. Es war reichlich Sand im Getriebe der anlaufenden Kampagne. Wenn es nicht so abgedroschen wäre, könnte man sagen, Fegebank und Kerstan sind sich noch nicht grün.
Beispiel Fraktionssitzung am vergangenen Montagabend: Beim ersten Treffen der Abgeordneten nach den Herbstferien liegt gleich ein unangenehmes Thema auf dem Tisch. Wie sollen sich die Grünen zur neuen Volksinitiative „Stopp des Busbeschleunigungsprogramms“ stellen? Im Prinzip ist die Sache klar: Die Grünen sind strikte Gegner des 259 Millionen Euro teuren Konzepts des SPD-Senats zur Kapazitätserhöhung der Metrobus-Linien. Die Partei will stattdessen die Stadtbahn als modernes Verkehrsmittel bauen.
Aber sollen die Grünen die Initiative Uhlenhorster und Winterhuder Bürger auch aktiv unterstützen, konkret: die Vorlage unterschreiben und dazu aufrufen? Im Ziel sind sich die Partei und die empörten Bürger einig, aber die Argumente unterscheiden sich doch. Der Volksinitiative ist zum Beispiel der geplante Wegfall von 40 Parkplätzen an der Papenhuder Straße auf der Uhlenhorst ein Dorn im Auge. Parkplätze sind nun allerdings das Letzte, dem Grüne nachtrauern. Dennoch: Für Jens Kerstan ist die Sache am Montagabend klar. Der Text, den die Initiative zur Abstimmung stellt, sei zu 100 Prozent grüne Programmatik. Mit anderen Worten: Man müsste schon sehr gut begründen können, warum man als Grüner nicht unterschreibt.
Doch Fegebank hielt sich zurück, wie manchen Teilnehmern der Runde auffiel. Das Problem der Parteichefin ist ihre eigene politische Heimat: der Kreisverband Nord. Die dortigen Grünen sind in der Bezirksversammlung in einer Koalition mit der Busbeschleunigungspartei SPD. Und Uhlenhorst und Winterhude, wo der Widerstand gegen das Programm derzeit am größten ist, gehören zum Bezirk Nord. Die Volksinitiative attackiert die Nord-Grünen ein ums andere Mal hart, weil die mit der SPD Anträge der Opposition zum Stopp der Aus- und Umbauten abgeschmettert haben. Daher ist die Neigung der Nord-Grünen, mit der Initiative gemeinsame Sache zu machen, ziemlich gering. Dagegen haben die Grünen in Altona schon beschlossen, die Initiative zu unterstützen. Parteichefin Fegebank muss nicht nur ihre eigene Basis in Nord im Blick haben, sie muss auch die innergrünen Friktionen moderieren.
Die Grünen-Abgeordneten kamen auf eine salomonische Idee: Sie wollen die Initiative einladen und mit ihr diskutieren, bevor sie sich auf eine Position festlegen. Motto: Man muss nicht sofort auf jeden Zug aufspringen, der gerade vorbeifährt. Das schafft erst einmal Zeit. Das Problem: Die haben die Grünen eigentlich nicht.
Noch deutlicher zeigt sich die Unwucht zwischen Kerstan und Fegebank an einem anderen Punkt: Der Fraktionschef hat nach seiner Wahl zum Spitzenkandidaten die anlaufende Plakatkampagne zur Bürgerschaftswahl erst einmal gestoppt, die der Landesvorstand unter Federführung von Fegebank mit Agenturen entwickelt hatte. Kerstan war in die Planungen nicht eingeweiht gewesen und hatte die Entwürfe erst nach seiner Kür gesehen.
„Hamburg, nur mit Dir!“ sollte der zentrale Slogan heißen. Der Satz rückt die Bürgerbeteiligung ins Zentrum – ein Thema, das Fegebank besonders am Herzen liegt. Kerstan bemängelte, dass die Grünen doch auch für Inhalte und politische Ziele stünden, die in der Kampagne auch aufgegriffen werden müssten. Er meinte natürlich „seine“ Inhalte. Andere kritisierten das Du als zu distanzlos für die eher zurückhaltenden Hamburger. Zudem hatten die Grünen mit der „... und Du?“-Kampagne im Bundestagswahlkampf wenig Erfolg. Fegebank soll durchaus frustriert über Mitstreiter Kerstan gewesen sein. Inzwischen haben sich die beiden Spitzenkandidaten immerhin zusammengerauft: Es gibt eine Verständigung auf einen neuen Wahlkampfslogan.
Ein umstrittenes Terrain war auch lange Zeit die Frage, wer der beiden für welche Themen im Wahlkampf zuständig sein soll. Kerstan ist gleich für mehrere politische Dickschiffe verantwortlich: Haushalt, Wirtschaft, Energie, Umwelt, Stadtentwicklung, Schule und Kultur. Fegebank fallen die Themen Soziales, Flüchtlinge sowie die zentralen Wahlkampfthemen Kita und Hochschule zu. Und auch um den Bereich Verkehr wird sich Fegebank kümmern. Nach grünem Verständnis gehört die Verkehrspolitik zur Stadtentwicklung und wäre damit auch bei Kerstan gelandet. Doch das hätte zu neuerlichen Verwerfungen zwischen ihm und seinem unterlegenen Herausforderer Steffen führen können, der verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion ist.
Wie stark Fegebank und Kerstan auf ihr eigenes Profil bedacht sind, zeigt sich auch an diesem Detail: Es wird erstaunlicherweise keine gemeinsamen Wahlplakate der beiden geben. Doch ganz egalitär sind die beiden Spitzenkandidaten nicht: Von Fegebanks Konterfei werden doppelt so viele Plakate gedruckt wie von Kerstans. Wenn das keine Frauenpower ist ...