Schwere Krawalle zwischen Rechten und Linken werden nach einem Demo-Antrag „Europa gegen den Terror des Islamischen Staates“ befürchtet. Hamburger Polizei berät sich mit Kölner Kollegen.
Sternschanze. Schon das Anmeldungsschreiben birgt Zündstoff genug: Vom Sternschanzen-Bahnhof aus, über das Schulterblatt und den Neuen Pferdemarkt wolle man unter dem Motto „Europa gegen den Terror des Islamischen Staates“ ziehen, schrieb Veranstalter Benjamin K. an die Polizei. Die Route führt also vorbei an Roter Flora und durch von Linken beanspruchtes Terrain. Dabei geht es weniger um den Wahlspruch, den man wohl auch von linker und bürgerlicher Seite mittragen könnte, als um die Vorstellung, dass eine Gruppe rechter Hooligans durch die Sternschanze und weiter durch die Innenstadt marschiert.
Seit am Montagabend bekannt wurde, dass nach den gewalttätigen Ausschreitungen während einer Demo der Vereinigung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und Rechtsradikalen in Köln ein ähnlicher Protestzug auch durch die Hansestadt ziehen könnte, ist die Aufregung verständlicherweise groß. Im Internet werden bereits zahlreiche Störmanöver für Sonnabend, 15.November, angekündigt.
Dabei werfen Anmeldung und Anmelder noch Fragen auf, spätestens seit aus Berlin eine weitere, zeitgleich geplante Hooligan-Veranstaltung bekannt wurde. Der Staatsschutz rätselt noch über die Hintergründe des Hamburgers, der mit der Hooligan-Szene so gar nicht in Verbindung gebracht werden konnte und auch sonst nicht einschlägig bekannt ist. Beamte der Versammlungsbehörde, die in Stadtstaaten wie Hamburg zur Polizei gehören, wollen am Mittwoch eine erste Kontaktaufnahme versuchen.
In dem Gespräch soll es, neben den Beweggründen des Mannes, vor allem um die angemeldete Route gehen, die über den Neuen Pferdemarkt hinaus zum Axel-Springer-Platz und über den Jungfernstieg zum Steintorwall führen soll und in Sicherheitskreisen als völlig unmöglich gilt. „Wunschkonzert“ hieß es denn auch aus Polizeikreisen.
6200 Personen folgen Facebook-Aufruf der Hooligans
Während bei der Berliner Polizei am Montag die Demo-Anmeldung eines Security-Mannes aus Menden (Sauerland) einging, der als Vertreter der Institution HoGeSa und damit ganz klar mit Verbindungen zur Hooligan-Szene auftrat, gibt die Hamburger Anmeldung eine solche Verbindung nicht her, abgesehen von dem Wunsch, „Deutschlandfahnen und die Fahnen verschiedener Fußballvereine“ mit sich führen zu wollen. Erst im Internet werden die Zusammenhänge klarer. So sollen bereits rund 6200 Personen einem Facebook-Aufruf der HoGeSa gefolgt sein und angegeben haben, in Hamburg mitmarschieren zu wollen.
Handelt es sich bei einer der beiden Veranstaltungen um ein Ablenkungsmanöver? Hat die Hamburger Demo gar nichts mit HoGeSa zu tun? Fragen bleiben, aber auch eine erste Erkenntnis: Ein Hooligan-Aufmarsch zeitgleich in Berlin würde die Hamburger Polizei wohl deutlich entlasten.
Angesichts der unklaren Lage hält sich die Polizei zurück: „Für eine Lagebewertung und eine Einschätzung der von uns zu treffenden Maßnahmen ist es noch viel zu früh. Aktuell sammeln wir in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in NRW und Berlin Erkenntnisse über die Ausschreitungen in Köln und die geplanten weiteren Veranstaltungen“, sagte Pressesprecher Andreas Schöpflin. „Mit diesen Informationen werden wir die Lage sondieren und alle rechtlichen Schritte prüfen. Sollten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein, werden wir auch die rechtliche Möglichkeit eines Verbots prüfen.“
Mit schweren Ausschreitungen wird nicht gerechnet
Letzteres wird bereits von der CDU gefordert, bedarf aber einer genauen Prüfung: „Nach dem Versammlungsrecht ist es nur rechtmäßig, wenn zu befürchten ist, dass eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht“, erklärt Ulrich Karpen, Professor für Rechtswissenschaften an der Uni Hamburg. Das dürfe man in diesem Fall annehmen. „Bei der zu erwartenden Gemengelage aus linken Demonstranten, Hooligans und Rechtsradikalen kann man davon ausgehen, dass es so oder so zu Gewalt kommt.“
Karpen hält andere Deeskalationsmöglichkeiten für sinnvoller: „Die Demonstrantenlager können durch ein massives Polizeiaufgebot voneinander getrennt werden. Außerdem kann die Polizei das verbotene Mitführen von Schlagstöcken und Feuerwerkskörpern sowie das Tragen von Uniformen rigoros kontrollieren.“ Bei einem Verbot wäre das nicht so einfach: Es sei damit zu rechnen, dass Demonstranten trotzdem nach Hamburg kommen würden, die Lage unüberschaubar und weniger leicht zu kontrollieren wäre.
Mit schweren Ausschreitungen von insbesondere Hamburger Hooligans muss am 15.November eher nicht gerechnet werden. Zwar gibt es sowohl beim HSV als auch beim FC St.Pauli eine große und auch mächtige Ultraszene, die aber nicht mit der Hooligan-Szene verwechselt werden darf. Der entscheidende Unterschied: Für Ultras ist Gewalt kein grundlegender Bestandteil ihrer Kultur.
Vorfälle mit HSV-Hooligans gibt es eher selten
„Vorfälle mit HSV-Hooligans gibt es anders als noch in den 90er-Jahren nur noch sehr vereinzelt“, sagt Joachim Ranau, Fanbeauftragter des HSV. So waren bis in die 90er-Jahre besonders zwei gewaltverherrlichende Gruppierungen aktiv: die Löwen und die Alt-Hools, die sich Hamburg Ultras nannten und aus denen die heute aktive Hamburg Riot Crew hervorgegangen ist. Da sich die Ultraszene von diesen oft auch rechtsgerichteten Gruppierungen distanzieren wollte, wurde bewusst auf den Namen „Ultras“ verzichtet.
Heute gelten die HSV-Ultras Chosen Few und Poptown sogar eher als politisch links, was zu dem Kuriosum führen könnte, dass gegen einen rechtsgerichteten Demonstrationszug HSV- und St.-Pauli-Ultras gemeinsam protestieren könnten. „Es wäre nicht das erste Mal, dass HSV- und St.-Pauli-Ultras politisch für die gleiche Sache einstehen“, erklärt Ranau. Sorgen müssen sich die Sicherheitskräfte aber über Hooligan-Touristen aus Lübeck oder Rostock machen, wo noch immer eine starke rechte Szene aktiv ist.