63.000 Stimmen wären nötig gewesen. Schulsenator Ties Rabe begrüßt die Entscheidung der Hamburger gegen eine weitere Reform an den Schulen. Auch Oppositionspolitiker äußern sich erleichtert.
Hamburg. Das Volksbegehren für die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren am Gymnasium ist gescheitert. Wie Mareile Kirsch, Initiatorin von „G9-Jetzt-HH“, am Donnerstagvormittag mitteilte, seien nicht genügend Stimmen zusammengekommen. 63.000 wären nötig gewesen - nach aktuellen Angaben haben jedoch maximal 44.755 Menschen unterschrieben.
Kirsch teilte am Donnerstag mit: „Wir freuen uns über die riesige Welle der Unterstützung bis gestern Abend 24 Uhr. Wir haben noch heute Morgen gezählt und Seiten paginiert. Ergebnis: Es reicht nicht“, so Kirsch.
Schulsenator Ties Rabe, SPD, sagte am Donnerstag: „Ich bin froh, dass Hamburgs Kindern eine solche Gewaltreform erspart bleibt. Gute Bildung erreicht man nicht, indem man alle zehn Jahre sämtliche Schulen auf den Kopf stellt. Unsere Kinder brauchen endlich Ruhe zum Lernen.“
Laut Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Schulbehörde, nehme man aber natürlich alle Stimmen der Menschen, die unterschrieben haben, ernst, weil sie vielleicht mit dem Schulalltag nicht zufrieden sind.
Die Schulbehörde habe bereits Maßnahmen an den Gymnasien ergriffen, um den Schulalltag einfacher zu machen. Etwa, was die Hausaufgabenregelungen und die Klausurendichte angehe. Diese seien Anfang des Jahres eingeführt worden. „Wir werden das nun weiter beobachten und gegebenenfalls nachsteuern.“
Laut Albrecht habe sich bereits abgezeichnet, dass das G9-Thema in der Stadt nicht so präsent gewesen sei, wie bei vorherigen bildungspolitischen Volksbegehren zur Primarschule oder zur Kitabetreuung.
Die Grünen zeigten sich am Donnerstag erleichtert über das Ergebnis: „Offensichtlich haben sehr viele Hamburgerinnen und Hamburger verstanden, dass es G9 in Hamburg bereits gibt – nämlich an der Stadtteilschule – und deshalb das Volksbegehren nicht unterstützt. Ich bin erleichtert, dass den Schulen in Hamburg eine unnötige Strukturreform erspart bleibt“, so Stefanie von Berg, bildungspolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion. „Die Stadtteilschulen bleiben nach dem Ausgang des Volksbegehrens eine gleichwertige Alternative für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, die das Abitur anstreben. Die Stadtteilschulen haben nun endlich die notwendige Planungssicherheit, um sich weiter zu etablieren und zu entwickeln.“
Auch die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Anna von Treuenfels begrüßte das Ergebnis: „Es ist eine gute Nachricht für Schüler, Eltern und Lehrer, wenn ihnen eine Rolle rückwärts zum G9 am Gymnasium erspart bleibt. Die ersten Stellungnahmen des Schulsenators zum Scheitern des G9-Volksbegehrens sind aber eine schlechte Nachricht: Die schwierige Lage an Hamburgs Schulen ,weiter beobachten und gegebenenfalls nachsteuern‘ – das ist genau nicht das Gebot der Stunde. Nicht passives Zuschauen sondern aktiv durchgesetzte Konzepte zur Verbesserung der Unterrichtsqualität sind dringend nötig.“
Für die Linke erklärte die Fraktionsvorsitzende und Bildungsexpertin Dora Heyenn: „Schön, dass die Hamburgerinnen und Hamburger der weiteren Aufsplitterung der Wege zum Abitur nicht gefolgt sind. Es hätte die soziale Spaltung im Bildungswesen noch weiter verstärkt. Die Initiative wollte erreichen, dass an allen 60 Gymnasien der Hansestadt sowohl das Abitur nach acht als auch nach neun Jahren möglich ist. Das wurde beim Unterschriftensammeln von der Initiative mal ruck zuck in G9 an Gymnasien und mehr Zeit zum Lernen umgemodelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass durch diese bewusst fahrlässige Information an den Ständen viele unterschrieben haben, die auf keinen Fall das Y-Modell befürworten. Umso erfreulicher, dass dennoch nicht genug unterschrieben haben.“
„Jetzt ist die unproduktive Schulformdebatte hoffentlich wirklich zu Ende. Alle Kraft muss nun der Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Schaffung echter Ganztagsschulen gewidmet werden. Das nützt Schülern und Eltern und ist die beste Vorbereitung auf die Berufswelt“, sagte Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg.
63.000 gültige Unterschriften wären für einen Volksentscheid über G9 nötig gewesen. Kirsch und ihre Mitstreiter wollten erreichen, dass an allen 60 Gymnasien der Hansestadt sowohl das Abitur nach acht als auch nach neun Jahren möglich ist.
Wer bisher in dieser Zeit die Hochschulreife anstrebt, muss auf eine Stadtteilschule gehen. Senat und Bürgerschaft waren gegen die Initiative. Sie befürchteten Chaos und eine Kostenlawine für das Hamburger Schulsystem. Außerdem könnten die Stadtteilschulen geschwächt werden.